10.11., Dienstag: Carrow Wells - Koby hat den Durchblick

Die Nacht verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Nach der eigenartigen Stippvisite des unbekannten Fahrzeugs am vergangenen Abend, wirft Cecil als erstes einen prüfenden Blick auf die umliegenden Schotterhaufen. Tatsächlich sieht einer so aus, als wurde ein wenig Material abgetragen.

Wir sind recht zeitig aufgestanden und können daher in aller Ruhe frühstücken. Pünktlich um 9 Uhr stehen wir vor der Werkstatt. 
 
So groß war der Riss am Ende.

Wir kriegen einen kleinen Schock, als uns gesagt wird, dass wir Koby erst gegen 15 Uhr wieder abholen können. Wir hatten mit maximal einer Stunde gerechnet. Während wir am Auto stehen und überlegen, wie wir die Zeit am besten nutzen, wird uns von der Werkstatt sogar angeboten, uns in das nächste Shoppingcenter zu fahren. Es soll heiß werden heute und dort gäbe es wenigstens eine Klimaanlage. Wir lehnen dankend ab. Unser Plan ist dem Hafen einen Besuch abzustatten. Dort soll eine Gruppe Delfine regelmäßig zu sehen sein. Rückblickend hätten wir das Angebot allerdings wahrscheinlich sogar angenommen. Die Hitze sollte jedoch nicht unser Problem werden.
Was nicht heißen soll, dass uns die Temperaturen nicht auch zu schaffen machen. Satte 45 Minuten brauchen wir zu Fuß bis zum Hafen. Trotz einer steifen Brise kommen wir dabei ordentlich ins Schwitzen. Am Meer ist der Wind schon fast auf Orkanstärke. Zumindest kommt es uns so vor. Auf dem Pier können wir uns nur mit Mühe gegen die Böen behaupten. 
 

Und kein Delfin in Sicht. Wir haben bereits aufgegeben und den Rückweg angetreten, da läuft ein kleines Boot in den Hafen ein. Sozusagen im Schlepptau hat es einen Delfin. Es gibt sie hier also doch. Kurz darauf sichten wir ein wenig weiter entfernt auch seine Freunde. Von einem Bootsanleger aus haben wir gute Sicht auf bestimmt sieben oder acht Delfine. Die ziehen hier im Hafenbecken ganz gemütlich ihren Runden.
 



 

Bei Campermate sind wir zufällig auf die kostenlosen Duschen des Yachtclubs von Whyalla gestoßen. Da wir bereits ganz in der Nähe sind, werfen wir einen Blick darauf und befinden sie für ausreichend. Bevor wir die Stadt verlassen, werden wir hier noch einen Zwischenstopp einlegen.
Da das einzige Café an der Promenade nicht über Wlan verfügt, versuchen wir uns in dem von der Stadt zur Verfügung gestellten Netz einzuloggen. Allerdings öffnet sich bei uns die Anmeldeseite nicht. Für Sarah allerdings kein Problem und mit Hilfe eines kleinen IT-Kniffs sind wir kurz darauf online.
Cecil recherchiert fieberhaft, wie wir den Nachweis erbringen können, dass wir alle Arbeitsaktivitäten eingestellt haben, der für unseren Antrag des Touristenvisums nötig ist. Am Ende bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als ein entsprechendes Dokument selbst aufzusetzen. Zudem sollten wir noch detaillierter belegen, dass wir uns einen verlängerten Aufenthalt in Australien aus eigener Tasche leisten können und im Anschluss auf jeden Fall nach Deutschland zurückkehren. Den Artikeln im Internet nach ist der Einwanderungsbehörde daran besonders gelegen.
Sarah hat derweil alle Hände voll damit zutun, Informationen über die kommenden Nationalparks zu sammeln. Die offizielle Website der Parkverwaltung hinkt dementsprechend deutlich hinterher. Im Northern Territory zum Beispiel war es wesentlich einfacher Wanderkarten und dergleichen herunterzuladen.
Normalerweise steht das kostenlose Wlan hier für eine Stunde zur Verfügung. Wir liegen bereits deutlich über der Zeit, als uns die Verbindung gekappt wird. Doch so leicht lassen wir uns nicht rauswerfen. Wir zücken das Tablet und können uns damit erneut einwählen. Zumindest die Campingplätze für die kommenden Tage im Lincoln Nationalpark wollen wir noch buchen. Diese kosten unabhängig von der Ausstattung 13$/Nacht und Fahrzeug. Nach reiflicher Überlegung buchen wir einen der zentraleren Plätze. Von diesem aus ist ein Maximum an Wanderwegen fußläufig erreichbar. Leider soll das Wetter in den kommenden Tagen recht bescheiden werden. Daher wollen wir morgen noch einen Tag aussitzen, bevor wir uns dann am Donnerstag auf den Weg in den Park machen.
 

Um 14 Uhr machen wir uns auf den Rückweg zur Werkstatt. Bisher haben wir noch keinen Anruf von der Werkstatt erhalten, doch am Strand können wir es nicht länger aushalten. Über Stunden hat der Wind pausenlos Sand in unsere Gesichter geweht und jetzt ist das Maß voll. Der Rückweg treibt uns wieder den Schweiß auf die Stirn. Doch immerhin das Timing hat gestimmt. Kurz bevor wir die Werkstatt erreichen, erhalten wir den erwarteten Anruf.
Die neue Scheibe sieht wirklich gut aus. Lediglich jeweils ein Klebestreifen an jeder Seite lassen uns stutzen. Cecil erfährt, dass an diesen Stellen das Plastik der Halterung gebrochen ist. Angeblich ein typisches Problem bei älteren Fahrzeugen. Es wurde geklebt und die Klebestreifen könnten wir morgen entfernen. Diese schützen lediglich den Kleber vor Verunreinigungen. Wir legen die 300$ bar auf die Hand und damit ist die Sache erledigt. Eine Rechnung oder Ähnliches erhalten wir nicht. Das Ganze bleibt wunderlich, doch immerhin war es wohl unschlagbar günstig.
Als wir wenig später vor dem Whyalla Yachtclub parken, hat der Wind nochmals eine Schippe drauf gelegt. Cecil ist schnell mit seiner Dusche durch und sieht sich jetzt dem Sturm schutzlos ausgeliefert. Im Auto ist es viel zu heiß und den Motor für die Klimaanlage laufen zu lassen, widerstrebt ihm zutiefst. Er ergibt sich seinem Schicksal direkt wieder dreckig zu werden und nutzt die Wartezeit zum Auffüllen unserer Wasserflaschen. Der Wind führt noch immer große Mengen Sand mit sich, als er an der Seite des Gebäudes mit den Duschen an einem Hahn steht, aus dem vermutlich Trinkwasser kommt. Jedenfalls ist kein Warnhinweis angebracht, dass dem nicht so ist.

Bevor wir die Stadt verlassen, müssen wir noch tanken. Auf der Suche nach der günstigsten Tankstelle nutzen wir die Internetseite “Petrol Spy”. Die hat uns bisher zuverlässig zur Zapfsäule mit dem besten Preis geführt. Doch heute stimmt kein einziger Preis, der uns dort angezeigt wird, mit der Wirklichkeit überein. Nach einer ungewollten Stadtrundfahrt landen wir bei einer Woolworths Caltex. Immerhin kriegen wir hier noch Rabatt und Punkte auf unsere Bonuskarte. Koby hat seit dem letzten Tankstopp im Schnitt 16,17 Liter verbraucht. Es geht wieder in die richtige Richtung. Der Aufpreis für das Premium-Benzin scheint sich bezahlt zu machen.

Während der Fahrt fällt uns auf, dass auf unseren Fußmatten und sogar auf den Sitzen über Glassplitter sind. Da merkt man doch, dass es ziemlich günstig war. Aber zum Glück gibt es noch keine fiesen Verletzungen am Popo.
Unser Campingplatz für die kommende Nacht ist heute etwas weiter entfernt. Knappe 200 km gilt es bis dorthin noch zurückzulegen. Je näher wir kommen, desto bedrohlicher wirkt das Unwetter, auf welches wir geradewegs zusteuern. Kurz vor Port Neill haben wir die dunklen Wolken eingeholt und kurz, aber dafür heftig, geraten wir in einen ordentlichen Schauer.
Der Klebestreifen an der Scheibe löst sich und es beginnt ein unschönes Geräusche. Im ersten Moment klingt es wie ein klappern und wir haben Angst, dass uns die Scheibe gleich um die Ohren fliegt. Nachdem wir uns etwas beruhigt haben, stellen wir fest, dass nur das Klebeband im Wind flattert und diese Geräusche erzeugt. Puh, Glück gehabt.
Am Platz angekommen hat es nicht direkt einen Wetterumschwung gegeben, doch die Regenwolken driften langsam in Richtung Meer und scheinen dabei an uns vorbeizuziehen. Wenn auch knapp. 
Begrüßt werden wir von diesem Kerlchen hier.
 


 

Das Platz liegt direkt am Meer und erstreckt sich über ein riesiges Areal. Ein Netz von Wegen schlängelt sich durch die Dünen bis auf ein paar Anhöhen mit Blick aufs Wasser. Ein paar andere Camper haben bereits ihre Plätze bezogen, doch um seine Privatsphäre muss man nicht fürchten. Wir lassen die Fenster runter und stellen fest, dass es so gut wie windstill ist. Kein Grund also uns hinter einer schützenden Düne zu verstecken. Stattdessen können wir auf eine Anhöhe fahren und haben von dort aus unversperrte Sicht auf den Ozean.
Wir sind gerade mit dem Aufbau des Zeltes fertig, da müssen wir feststellen, dass der Wind offensichtlich nur eine kurze Verschnaufpause eingelegt hat. Denn kurz darauf bricht wahrlich die Hölle los. Wenn wir verhindern wollen, dass das Zelt größere und vermeintlich irreparable Schäden nimmt, bleibt uns nichts anderes übrig, als wieder zusammenzupacken und Schutz in den Dünen zu suchen.
Nur mit Mühe können wir das Zelt wieder einklappen. Doch eine der Stangen hat sich aus seiner Halterung gelöst. Wir haben keine Chance diese unter den herrschenden Bedingungen wieder zu platzieren. Besser wir ziehen sie heraus und kümmern uns morgen darum. So leicht wie es klingt, ist das jedoch auch nicht. Die Stange verhakt sich plötzlich. Sarah bekommt das allerdings nicht mit und zieht weiterhin beherzt an dem Alu-Profil. Das folgende Geräusch kann sie dafür klar und deutlich wahrnehmen. Wir blicken uns beide ungläubig an. Doch den Riss, den die Stange im Regencover hinterlassen hat, bilden wir uns sicher nicht nur ein.
Viel Zeit uns mit damit auseinanderzusetzen bleibt uns nicht. Im nächsten Moment wird der Tisch von einer heftigen Böe erfasst und fliegt meterweit davon. Aus dem Innenraum wird allerhand an leichtem Material geweht. Loses Papier und Pappe können wir noch einfach, doch eine der Karten von Australien fliegt so schnell über die Düne, dass eine Verfolgung sinnlos erscheint.
Damit gibt sich der Wind allerdings noch lange nicht zufrieden. Es geht weiter mit Sarahs Sonnenbrille, die einen Knacks erleidet, als sie einen Holzschieber von unserer Zeltverankerung abbekommt. Bei Cecil geht es dagegen deutlich physischer zur Sache. Er wird von der kleineren der beiden Kofferraumklappen übel am Arm erwischt, als diese plötzlich zu schwingt. Die Verletzung ist am ehesten mit einer Verbrennung zu vergleichen und die verbleibende Narbe wird wohl noch über Jahre an diesen Moment erinnern.
Wir denken gar nicht erst daran den Versuch zu starten, die Plane über dem Zelt zu befestigen. Das Zelt hängt daher noch immer halb heraus, als wir uns auf den Weg machen um Schutz zu suchen. Allerdings scheint es diesen nicht zu geben. Der am ehesten geeignete Platz wird lediglich von einem Busch vom Wind abgeschirmt. Cecil macht sich zwar noch zu Fuß auf den Weg einen besseren Platz zu finden und Sarah schaut, ob es einen alternativen Campingplatz in der Nähe gibt, doch beides ist nicht von Erfolg gekrönt. Es bleibt uns nichts anderes übrig als unser Zelt hier aufzuschlagen und das Beste zu hoffen.

Für einen kurzen Moment scheint der Wind ein wenig nachzulassen. Wir nutzen diese Gelegenheit und entfernen das Regencover. Wenn wir es bei diesem Wind auf dem Zelt lassen, riskieren wie das der Riss noch länger wird. Andererseits riskieren wir damit einen Wasserschaden im Zelt, doch die Regenwolken sind mittlerweile fast gänzlich über dem Meer verschwunden.
Das Wetter lässt es sogar zu, dass wir noch kochen. Es gibt Kartoffeln mit Brokkoli, Tomate Hackfleisch und Feta in einer Art Sahnesauce. Danach reicht es uns für heute und wir gehen ins Bett. Cecil nimmt nicht mal mehr Handy oder Buch in die Hand und schläft direkt. Sarah probiert sich noch ein einem Sudoku.
Im Internet checken wir kurz den Wetterbericht. Heute Nachmittag waren Windstärken von ca. 70 km/h unterwegs. Morgen soll es leider weiterhin so stark winden.

Gegen 1 Uhr in der Nacht schrecken wir zeitgleich aus dem Schlaf. Das Geräusch von Regen, der auf das Zelt prasselt, ist unverkennbar. Die Angst steht uns ins Gesicht geschrieben. Ein nasses Bett hat uns gerade noch gefehlt. Zum Glück ist es nur ein kurzer Schauer und die Nacht wird von da an erstaunlich geruhsam.

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