20.10., Dienstag: Alberrie Creek Bridge - Der Fluch von “500 Miles”

Erinnert euch sicher: Als wir vor einigen Tagen die Grenze nach South Australia passiert haben, ist uns eines entgangen. Die Uhren gehen hier ein wenig anders und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Süd-Australier sind ihren Nachbarn im Northern Territory eine Stunde voraus. Eine ganze Zeit lang haben wir uns dagegen gewehrt und das Ganze einfach nicht mitgemacht. Wir hielten uns weiterhin an den Zyklus der Sonne, der für uns ohnehin den Ausschlag gibt. Somit wurden unsere Uhren nicht umgestellt.
Doch gestern, als wir in Roxby Downs unterwegs waren, haben wir uns lieber an die “offizielle” Zeit gehalten, um nicht wieder eine böse Überraschung zu erleben.
Heute morgen, beim Frühstück, beschließen wir, es Zeit eine Entscheidung zu treffen. Bleiben wir bei der Sonnenzeit oder passen wir uns an? Wir entscheiden uns dafür, alle unsere Uhren umzustellen, um nicht im Zweifelsfall erneut vor verschlossenen Türen zu stehen. Im Herzen behalten wir jedoch die “Sonnenzeit”. Der Wecker klingelt also in Zukunft nicht mehr um 6 Uhr, da es im Grunde dann schon 7 Uhr war, sondern um 5 Uhr morgens. Ist klar, oder?
 

Unser heutige Frühstücksgast
 


Nachdem wir die Zelte abgebrochen haben, heißt unser erster Stopp Olympic Dams. Der Ort ist nur einen Katzensprung von Roxby Downs entfernt und eigentlich kein Ort, sondern eine Mine in der Kupfer abgebaut wird. Drumherum wurden Arbeiterbaracken errichtet und es gibt sogar einen Flughafen der, soweit wir das die letzten Tage beobachten konnten, sogar überraschend stark frequentiert ist. Wenn auch nur von kleineren Maschinen. In jedem Fall ist das Benzin hier günstiger als in Roxby Downs und es liegt direkt auf unserem Weg zum “Lake Eyre South”, unserem heutigen Ziel. 
Bevor es ans Auftanken geht, gilt es jedoch zunächst den gestern reparierten Reifen zu montieren. Der hat durchaus noch ein paar Kilometer im Gummi und wir wollen den, immer noch recht frischen, Ersatzreifen so lange es geht in der Hinterhand behalten. Der Parkplatz neben der Tanstelle, scheint dafür ein geeigneter Ort. “Noch nie hatten wir so einen glatten und stabilen Untergrund”, stellt Sarah fest, während wir uns ans Werk machen. 
Mittlerweile haben wir eine erschreckende Routine entwickelt. Wir unterstützen uns in unseren jeweiligen Aufgaben, wo nötig und reichen uns die passenden Werkzeuge. Um uns herum füllt sich der Parkplatz zunehmend. Waren wir vor wenigen Minuten noch fast alleine, ist jetzt kaum noch ein Platz frei. Wir blockieren den Parkplatz zu Koby's Rechten mit Werkzeug und Reifen, um sicherzustellen, dass dieser frei bleibt und wir ungehindert arbeiten können. Trotz der löchernden Blicke der Minenarbeiter, kriegen wir das Rad in unter 20 Minuten gewechselt. 
Als Nächstes bauen wir unsere Kanister aus und füllen diese an der Tankstelle auf. Im Grunde bedeutet das nur noch bei dem großen 20 Liter Kanister größeren Aufwand. Der steht versteckt hinter der Kühlbox. Für die beiden kleineren Behälter konnten wir im Laufe der Zeit einen Platz im Kofferraum freiräumen, an dem wir sie mit wenigen Handgriffen erreichen können. Der Liter Premium 95 kostet uns hier runde 1,50$, also ca. 95 Cent und damit deutlich günstiger als in Deutschland. Wir denken das sollte man sich immer wieder klar machen. Obwohl wir auf der anderen Seite auch viel mehr fahren. Aktuell haben wir bereits mehr als 23.000 km auf unseren Trip zurückgelegt. Benzin ist sicherlich ein Kostenfaktor, den man nicht vernachlässigen sollte.
Nachdem alle Kanister wieder an ihrem Platz sind, ist endlich Koby selbst an der Reihe. Der vergangene Verbrauchswert liegt bei knapp über 17 Liter. Das ist nicht ideal, aber er scheint auch keine Anstalten zu machen noch weiter zu steigen. Zu schlechten Zeiten hatten wir schon 20 Liter auf 100 km verbraucht. Zu seiner Verteidigung muss man zudem sagen, dass es die letzten Tage auch wieder öfter das “böse” 91er-Benzin gab. Mal sehen, wie er sich mit dem Premium 95 schlägt. 
 
Kurze Zeit später befinden wir uns bereits auf der berüchtigten “Borefield Road”. Die warnenden Kommentare der letzten Tage haben uns sehr neugierig gemacht. Unter anderem wurden wir sowohl von dem Mechaniker, der unseren Reifen repariert hat, als auch von dem Besitzer von “Roxby Windshields” vor dieser Straße gewarnt. Wir sollten es bloß ruhig angehen lassen. Sogar vor wenigen Minuten, als wir unseren Reifen gewechselt haben, sprach uns einer der Arbeiterer an, ob das auf der “Borefield Road” passiert sei. Wir sind daher mehr als angespannt, als wir auf die Schotterpiste abbiegen. 
Rückblickend ist es wohl eine der besten Gravelroad gewesen, auf denen wir hier unterwegs waren. Der Anfang wurde gerade erst von einem sogenannten “Grader” planiert. Wir schweben mit knappen 100 km/h durch die Landschaft. Zwischendurch gibt es Phasen, in denen die Piste ein wenig steinig ist, aber es gibt keine versteckten Felsen oder Schlaglöcher. Kurz hinter einem Hügel, kommt es jedoch zu einer äußerst brenzligen Situation.
Gerade haben wir die Musik lauter gedreht, als Sarahs Handy “500 Miles” angestimmt hat. Beschwingt setzen wir ein und singen lauthals mit. Wir überfahren die Bergkuppe mit ca. 80 km/h. Nur wenige Meter dahinter sitzt ein großer Waran auf der Straße. Um nicht in eventuellen Gegenverkehr zu geraten, halten wir uns vor jeder Kuppe immer so weit es geht am linken Straßenrand. Der Waran sitzt zwar recht mittig auf dem Weg, aber tendiert nach rechts. Cecil bremst so stark es geht und versucht gleichzeitig die Kontrolle über unser Tonnen schweres Gefährt zu behalten. Kurz bevor wir die Echse passieren, rennt sie nach links und verschwindet unter der Motorhaube aus unserem Blickfeld. Sarah schreit in diesem Moment laut auf, Cecil flucht. 
Ein paar Meter weiter kommen wir zum Stehen. Eine Staubwolke verdeckt unsere Blicke durch die Rückspiegel. Für einen kurzen Moment sind wir bereits dabei die Schuld für den toten Waran auf das Lied zu schieben. 2018, bei unserer ersten Reise durch Australien, haben wir fast ein lebensmüdes Känguru erfasst. Genau wie heute haben wir gerade mit bester Laune den gleichen Song gesungen, als das wahnsinnige Beuteltiere nur Zentimeter vor uns über die Straße gehüpft ist. Welches Lied lief eigentlich letztens, als der Emu im Zickzack vor uns über die Piste wuselte? Wir könnten wetten es war “500 Miles”. Dabei lieben wir den Song so sehr.
Der Staub legt sich und es ist nichts vom Waran zu entdecken. Wir steigen aus und verfolgen Koby's Reifenspuren zurück. Ganz klar können wir die Stelle sehen, an der Cecil in letzter Verzweiflung noch weiter nach links gezogen hat. Doch von der Echse keine Spur. Wir entdecken in der Nähe einen Höhleneingang und ansonsten nichts. Kein Blut oder ähnliches. Anscheinend hat es das verrückte Viech tatsächlich überlebt. Ein Glück. Auch wenn Cecil keine Chance hatte, hätte er sich das selbst übel genommen. Hoffen wir einfach, dass es dem Reptil eine Lehre war. 
 
Gute 80 km haben wir bereits auf der “Borefield Road” zurückgelegt. Hinter einem weiteren Hügel taucht er plötzlich vor uns auf: “Lake Eyre South”. Spiegelglatt erstreckt er sich über unser gesamtes Sichtfeld. Cecil deutet nach vorne auf den See und fragt Sarah, ob sie das auch sieht. Sie kann es sehen. Aber im Grunde kann das noch nicht der See sein, denn der ist laut Karte noch mindestens 20 km entfernt. Wir passieren die nächste Kuppe. Der See ist massiv geschrumpft. Anscheinend handelt es sich lediglich um eine perfekte Illusion, geschaffen von der reflektierenden Sonne, die von den Milliarden Kieselsteinen auf dem Boden zurückgeworfen wird.
Auf unserem Weg haben wir bisher eine Landschaft passiert, die dem “roten Zentrum” um Alice Springs sehr ähnlich sah. Endlose Ebenen aus rotem Sand, die gelentlich von einer Düne unterbrochen wird. Eines unterscheidet den sandigen Boden und die Dünen hier in South Australia allerdings von denen im Northern Territory: Sie sind bewachsen mit Büschen und Gräsern, die mit ihrem satten grün für einen herrlichen Kontrast sorgen. Es scheint ein deutlich niederschlagsreicheres Gebiet zu sein. 
Nur ein paar Kilometer zurvor haben wir diese grün-rote Landschaft verlassen. Sie wurde abgelöst von sogenannten “gibber plains”, einer Art Stein-Wüste bestehend aus zahllosen Steinen, die durch Wind und Wetter zu einem harten und vegetationsfeindlichen Boden verdichtet wurden. Teilweise wirken die Flächen vor uns, als wären sie bis zum Horizont mit flüssigem Silber bedeckt. 
Auf dem letzten Stück der Piste wird es dann doch noch richtig abenteuerlich. Wir sind an einer Y-Gabelung nach links abgebogen, während die “Hauptstraße” nach rechts abgeknickt ist. So könnten wir uns einen Umweg sparen und in sämtlichen Apps wird der linke Weg genauso als “normale” Gravelroad angezeigt. Das erste Stück bestätigt uns in unserer Entscheidung. Zwar verengt sich die Straße auf eine Spur, doch mit Gegenverkehr ist so oder so kaum zu rechnen. Aber dann wird es allerdings teils haarig. 
Die Strecke scheint als wurde sie das letzte Mal vor Jahren befahren. Sträucher, Gräser und sonstige Wildgewächse haben sich in den alten Fahrrinnen angesiedelt und sorgen heute dafür, dass man stellenweise kaum noch erkennt, wo man langfahren muss. Zudem treffen wir auf Auswaschungen, teils verdeckt von der Vegetation, die nicht selten mehr als 30 cm tief sind. Der Karte nach bewegen wir uns aber immer noch auf dem offiziellen Weg. Da es nicht schlimmer wird, fahren wir fort. Schneller geht das hier bestimmt nicht, aber kürzer wird es sein. Da sind wir uns sicher. Also fast. Da alles glatt geht, haben wir sogar ein bisschen Spaß an dem abenteuerlichen Weg.
 
“Lake Eyre”, übrigens ausgesprochen ähnlich des englischen Wortes “air”, erreichen wir kurz darauf. Wenn auch hier die glatte Ebene das Sonnenlicht teils gleißend reflektiert, kann man doch deutlich erkennen, dass es sich dieses Mal um den echten See handelt. Es ist eine Art flache Uferbäschung auszumachen und wir erkennen große Flächen, die weiß sind vom Salz, welches sich abgelagert hat, nachdem das letzte Wasser verdunstet ist. 
 
 
Die letzten 500 Meter bis zum See legen wir zu Fuß zurück. Koby ist das einzige Fahrzeug auf dem recht geräumigen Parkplatz. Wir können nicht sicher sagen, ob nicht doch noch ein dünner Film Wasser hier und da den Grund bedeckt. Es ist einfach unmöglich zu entscheiden, was echt ist und was nur Reflektion. Es spielt auch keine Rolle. Der See erstreckt sich schier endlos vor uns. In der Ferne erheben sich Berge scheinbar aus dem nichts, da die Linie des Horizonts nicht von dem darüber liegenden Himmel zu trennen ist. Der Boden gibt unter jedem unserer Schritte leicht nach. Ein komisches Gefühl, aber sehr angenehm für die Gelenke. Cecil probiert ein wenig vom Salz. Das könnte man problemlos in größeren Mengen essen oder zum Kochen verwenden. Alles bio. 
 


 
Als der Untergrund zu weich wird und wir drohen einzusinken, drehen wir um. Zu unserem Missfallen sind gerade drei weitere Autos angekommen. Bevor wir die Idylle teilen müssen, lässt Cecil schleunigst Alli² aufsteigen. Eine Drohnenaufnahme mit anderen Touris im Bild muss vermieden werden. Obwohl es absolut keine Hindernisse in der Landschaft gibt, kommt es zu Beginn des Fluges zu Verbindungsproblemen. Immerhin ist es schön zu sehen, dass der neu eingestellte Flugablauf in einem solchen Notfall jetzt wie gewünscht abläuft. Alli² beginnt auf die vorgegebene Höhe von 100 Metern zu steigen und würde sich dann auf den Rückweg zum Startpunkt machen. Allerdings kriegen Drohne und Fernsteuerung wieder eine Verbindung, bevor es dazu kommt und Cecil kann noch ein paar Runden drehen. 
 




Auf dem Rückweg zu Koby überlegen wir nach einem alternativen Campingplatz zu schauen. Ursprünglich haben wir uns einen bei “Campermate” rausgesucht, dieser liegt allerdings 15 km entfernt und das in die falsche Richtung. Bei “Wiki-Camps” finden wir einen nahen Platz, der direkt auf unserem weiteren Weg liegt. 
Nach nur 18 km erreichen wir den angeblichen Campingplatz, der sich neben einem ausgetrockneten Flussbett befinden soll. Wir können allerdings keinen Abzweig von der Straße erkennen. Vereinzelt führen Reifenspuren ab, doch ob uns diese zu einem Buschcamp führen? Spontan fahren wir lieber weiter. Es gibt noch einen weiteren Platz, der auch nur noch 30 km entfernt liegt. 
Bei “Wiki-Camps” heißt er “Alberrie Creek Bridge” und er lässt sich deutlich einfacher finden. Zum einen sieht man bereits recht früh die namensgebende Brücke, zum anderen ist ein Pfad abseits der Straße zu erkennen, der in Richtung ebendieses Brücke führt. Wir brauchen nicht lange bis wir einen geeigneten Stellplatz für die kommende Nacht gefunden haben. 
Es folgt der gemütliche Teil des Tages. Cecil fliegt, nachdem wir das Zelt aufgebaut haben, den angefangenen Drohnen-Akku leer. Wie es aussieht haben wir hier Sonne satt. Der Akku kann daher direkt im Anschluss wieder aufgeladen werden.
 

 
Gemeinsam durchforsten wir die neuen Prospekte, die wir gestern im i-Site von Roxby Downs eingesammelt haben. Allerdings haben wir fast ausschließlich Infomaterial zu den Halbinseln im Süden ergattern können. Zudem besteht ein Großteil des Inhalts aus Werbung und der Auflistung von Caravan-Parks. Es ist jedoch auch Brauchbares zu finden und sobald wir im Großraum Adelaide sind, kann uns der ein oder andere bestimmt noch hilfreich sein.
Unser Buschcamp heute könnte wirklich so schön sein. Wären da nicht… na ihr ahnt es schon. Genau: Die tausenden Fliegen. Heute sind es in der Tat wieder sehr viele. Sarah flüchtet sogar mehrfach ins Zelt. Auch wenn es dort oben recht warm ist, bietet es für einen kurzen Moment Frieden vor den lästigen Viechern. Cecil schreibt derweil am Tagebuch und ist schon bald so im Tunnel, dass er die Fliegen entweder Gewehren lässt oder eine Abwehr völlig unterbewusst stattfindet. (Sarah hat keine Ahnung wie das möglich ist!)
Als der Tag von heute geschrieben ist (Cecil hat sich dazu entschieden direkt den Langtext zu verfassen anstatt zunächst Stichpunkte), ist es bereits 17:30 Uhr. Also eigentlich ja erst 16:30 Uhr, aber wir haben trotzdem schon riesigen Hunger. Heute gibt es Wraps mit Hähnchen. Es wird ein Fest. Der erste Durchgang, mit Spiegelei und Wallnüssen, klingt zwar delikat, war aber am Ende geschmacklich den Aufwand nicht wert. Morgen probieren wir es mit gekochtem Ei und Pinienkernen. 
 

 
Nachdem wir den Abwasch erledigt haben, sind wir beide total zerstochen. Genau wie die Fliegen, sind auch die Mücken vor Ort zahlreich vertreten und äußerst hungrig. Gemeinsam flüchten wir uns ins Zelt und wollen dort oben noch ein wenig arbeiten. Allerdings macht uns der kaputte Reißverschluss am Eingang einen Strich durch die Rechnung. Zumindest Cecil ist auf Licht angewiesen, damit er die Tastatur erkennen kann. Blind tippen geht zwar auch schon recht gut, macht es aber nicht gerade leichter. Natürlich möchte er nicht wieder hinaus zu den Mücken, aber sich einfach so geschlagen geben ist ebenso keine Option. Also Augen zu und durch. Er zieht seinen Hoodie und “die Beine” an. Somit ist kaum noch ein Zentimeter Haut ungeschützt. Der Rest wird nochmal ordentlich mit Anti-Mücken-Spray behandelt. Mal sehen, wie lange das Schutz bietet.
Morgen geht es dann weiter Richtung Leigh Creek, das Eingangstor in die kommenden Nationalsparks. Wir freuen uns wieder unterwegs zu sein und auf neue Abenteuer!

P.S.: Die Risse des gestern reparierten Steinschlags haben sich nicht weiter ausgebreitet. Es sieht ganz danach aus, als hätten wir es mal wieder alleine hinbiegen können. Wir sind schon zwei ausgefuchste Busch-Mechaniker :D

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