23.10., Freitag: Gravel Pit vor Copley - Der Wind, der Wind, das nervige Kind
Die Nacht war, wie zu erwarten, sehr unruhig. Immer wieder werden wir vom heftigen Wind aus dem Schlaf gerissen. Bei einem wohl bekannten Geräusch, weiß Cecil direkt, dass er jetzt auch noch aufstehen muss. Ein Riemen, mit dem wir die Zeltplane zusätzlich zum Reißverschluss befestigen, ist vom Autodach gerutscht. Das lange Band, an dessen Ende sich ein recht massiver Metallring befindet, flattert wie wild im Wind. Immer wieder schlägt der Ring dabei an die Außenseite von Koby und droht Lack oder sogar Fenster zu beschädigen. Es ist 01:43 Uhr, als sich Cecil aus dem Zelt quält und den Riemen wieder unter dem Dach verstaut.
Der erste Wecker klingelt wie gewohnt um 05:30 Uhr. Mit einer reflexartig Bewegung kann Cecil das nervige Geräusch zum Schweigen bringen. Gewollt trifft er dabei den Button, der den Wecker ausstellt und nicht die “Snooz-Taste”. Wir brauchen heute nicht früh aufzustehen. Der kleine Schlitz am Fenster verrät zwar, dass das Wetter etwas aufgeklärt hat, es weht jedoch immer noch ein geradezu frenetischer Wind. Auch der zweite Wecker, der um 8 Uhr klingelt und uns im Normalfall darin erinnern soll, ein Foto vom Stellplatz zu knipsen, wird direkt ausgestellt. Wenn es heute etwas Sinnvolles zu tun gibt, dann Ausschlafen.
Nach dem zweiten Wecker werden wir jedoch ungewollt immer wacher. Da es uns aber in keinem Fall nach draußen zieht, lesen wir ab 9 Uhr. Am liebsten würden wir den ganzen Tag hier oben verbringen. Hier sind wir immerhin vom Wind selbst geschützt. Allerdings treibt einen der ohrenbetäubende Lärm langsam in den Wahnsinn. Die Regenabdeckung vom Zelt und die Fensterläden schlackern wie verrückt im Wind. Reißverschlüsse klirren. Das Bodyboard, unser Ody, wummert immer noch in rasender Frequenz zwischen Autodach und Zeltboden. Dazu kommt das bloße Geräusch des Windes an den Zeltwänden. Die Geräuschkulisse ist teilweise so überwältigend, dass wir uns nicht mal unterhalten können. Dabei liegen wir nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Gegen halb 11 Uhr machen sich ganz natürliche Bedürfnisse bemerktbar, die uns am Ende doch nach draußen zwingen. Wir haben so langsam richtig großen Hunger. Und ja: Auf Toilette müssen wir auch mal.
Unten inspezieren wir erstmal das Zelt. Eine Stange am Eingang ist heruntergekommen, weil ein Riemen von der Regenplane gerissen ist. Da muss wohl wieder unsere Angelsehne zum Einsatz kommen. Alles andere ist nur teilweise verschoben, aber kann mit etwas Zuppelei beim Einpacken wieder gerichtet werden.
Im Anschluss überlegen wir, wie wir bei diesem Wind Rührei oder Toast zubereiten sollen. Cecil hat bereits oben im Zelt überlegt Koby zu drehen. Der Wind hat seit gestern gedreht. Aktuell stehen wir so, dass wir dem Wind die volle Breitseite bieten. Parken wir um 90 Grad versetzt, würde das Zelt weniger Angriffsfläche bieten und Koby gleichzeitig mehr Windschutz. Gesagt, getan. Wir lösen die Verankerung. Cecil muss sich mit seinem ganzen Gewicht an die Seile hängen, die das Zelt vor dem Einklappen bewahren. Sarah schafft sich etwas Platz hinterm Steuer und Parkt Koby um.
Ganz dicht an Koby gedrängt, kriegen wir es hin Rührei zuzubereiten. Es ist fast schon zur Routine geworden. Während Cecil an der Pfanne steht, mit einer Hand das Ei rührt und mit der anderen den Windschutz (bestehend aus dem Koffer vom Kocher) festhält, schneidet Sarah Gurke und Tomate fürs anschließende Toast und versucht so gut es geht, die Plastikteller auf dem Tisch zu halten. Wir haben alle Hände voll zu tun. Trotzdem kommen wir nicht ohne Verluste davon.
Heute ist es jedoch nichts Irreparables. Cecil war gerade kurz am Kofferraum, da hat eine heftige Böe unseren Tisch erfasst. Sarah hat noch versucht so viel wie möglich zu retten, doch den Koffer hat es erwischt und liegt nur in seinen zwei Hälften auf dem Boden. Der erste Ärger verfliegt jedoch schnell, als wir sehen, dass er einfach wieder zusammengestellt werden kann. Alles halb so wild. Im Folgenden fliegen nur noch gelegentlich die Campingstühle weg, wenn diese gerade unbesetzt sind, weil seine Insassen nach dem Toast gucken oder am Kühlschrank sind.
Nach dem Frühstück haben wir definitiv genug frische Luft bekommen. Es geht wieder hoch ins Zelt. Dort oben ist es zwar lauter, aber man ist dem Wind nicht mehr ganz so schutzlos ausgeliefert. Während Sarah sich bereits dazu motivieren kann an den Fotos weiterzuarbeiten, guckt Cecil noch einen Film zu Ende, den er vor ein paar Tagen wohl etwas zu spät angefangen hat. Da das Zelt keinen sehr ergonomischen Arbeitsplatz darstellt, hat Sarah nach gut einer Stunde erstmal wieder genug.
Gemeinsam schauen wir unsere Serie auf dem Tablet weiter. Mit Kopfhörern, versteht sich. Ohne wäre es absolut unmöglich gegen die Geräusche des Windes etwas zu verstehen. Endlich macht sich auch der Doppelstecker bezahlt, mit dessen Hilfe wir zwei Paar Kopfhörer mit dem Tablet verbinden können.
Ein paar Folgen später wagen wir es erneut nach draußen. Für einen kurzen Moment scheint es, als hätte der Wind ein wenig nachgelassen. Sogar die Sonne lässt sich ab und zu blicken. Der Schein trügt allerdings nur bis uns die nächste Welle heftiger Böen entgegenschlägt. Ohne großartig zu überlegen, geht Cecil zurück ins Zelt. Sarah dagegen ist nicht so leicht einzuschüchtern. Stoisch macht sie sich an ihr heutiges Workout. Eine wirklich bewundernswerte Disziplin, die sie da mal wieder an den Tag legt.
Witzigerweise ist es nicht der Wind, über den sie sich bei Cecil beklagt, als sie nach getaner Arbeit wieder ins Zelt kommt. Es sind mal wieder die Fliegen. Die waren wohl trotz der Umstände wieder so zahlreich, dass es extrem genervt hat. Als sie sich eines der störenden Tiere aus dem Augenwinkel wischen wollte, hat sie gleich drei der lästigen Biester ungewollt zerquetscht. Eklig und sinnlos, denn so wird man der Plage wohl niemals Herr. Auf drei tote Fliegen kommen wahrscheinlich 3.000 frische Exemplare, die gerade in den Kuhfladen ganz in der Nähe schlüpfen. Da bleiben wir im weiteren Verlauf des Tages lieber im Zelt. Auch wenn wir lieber draußen wären, ist heute wohl einer der Tage, an denen wir “Mutter Natur” nicht ganz die Stirn bieten können. Wir können lediglich das Beste daraus machen. Daher stürzen wir uns ab jetzt in die Arbeit. Sarah hat den Laptop vor sich und Cecil schreibt am Tablet Tagebuch.
Dieses Mal ist es Cecil, dem nach gut einer Stunde der Rücken schmerzt. Da er gerade so gut im Schreibfluss ist, möchte er sich davon aber nicht abbringen lassen. Kurzerhand zieht er nach draußen um. Wieder einmal lässt sich hinter Koby ein ausreichend windgeschütztes Plätzchen finden. Schnell sind auch für ihn die Fliegen das größere Problem. Wahrscheinlich haben sie es bei diesem Wind schwer eine Futterquelle zu finden und sind dementsprechend ausgehungert. Man hat einfach nie seine Ruhe. Es ist zum Verrückt werden.
Eine gute halbe Stunde ist Cecil draußen am Schreiben, als ein Auto auf Koby zu kommt. So ganz kann Cecil nicht verstehen, was der Fahrer von ihm möchte. Offensichtlich auch nichts Wichtiges, sondern nur ein wenig quatschen. Zufällig erzählt der junge Mann ihm, dass er unten am See versucht hat seine Drohne zu starten, es ihm aber nicht gelingen wollte. Bei dem Thema steigt Cecil natürlich gerne ein und erzählt von Alli². Der Mann stellt sich im folgenden als Rana vor, wohnt in der Nähe von Adelaide und war geschäftlich in Marree. Er fliegt eine DJI Mavic Pro und versucht erneut sie zu starten. Dieses Mal gelingt es ihm das gut 2 Kilo schwere Teil in die Luft zu kriegen. Es hat eine Art Genugtung zu sehen, dass auch dieses große Teil mit dem starken Wind zu kämpfen hat. Mehr als ein paar Meter traut sich Rana nicht zu fliegen. Wir tauschen Nummern und E-Mail-Adressen aus und er verspricht Cecil die Aufnahmen zukommen zu lassen. Sollten wir mal in Adelaide vorbeikommen, können wir uns gerne bei ihm melden. Vielleicht hat sich da gerade eine Möglichkeit auf einen Stellplatz in der City aufgetan.
Sarah kommt kurz nach unten, um sich ihre Suppe zu machen. Cecil schreibt zunächst noch etwas weiter. Als die Sonne untergeht, bietet sich ein grandioser Anblick. Ein Gewitter ist im Anrollen. Doch momentan wirkt es noch alles andere als bedrohlich. Vielmehr sorgt es für ein herrliches Farbenspiel. Wahrscheinlich der beste Sonnenuntergang, den wir bisher in Australien bestaunen konnten.
Nachdem die Sonne vollends hinter dem Horizont verschwunden ist, zeigen die Gewitterwolken ihr wahres Gesicht. Dunkelgrau und bedrohlich kommen sie auf uns zu. Sarah geht schnell wieder hoch und Cecil sieht zu, dass er sich seinen Asia-Nudelbecher so schnell es geht zubereitet. Bei der letzten Gabel setzt bereits leichter Regen ein. Schleunigst folgt er Sarah ins Zelt.
Anstatt erneut Rückenschmerzen durch das Arbeiten im Zelt zu provozieren, entscheiden wir unsere Serie weiter zu gucken. Dann folgt der wohl unerfreulichste Teil des Tages: Wir müssen zum Zähneputzen erneut das Zelt verlassen. Der Wind hat wieder ordentlich an Fahrt aufgenommen und peitscht uns den Regen um die Ohren. Wieder im Zelt angekommen, haben wir endgültig die Schnauze voll. Das Wetter hat wieder einmal gewonnen und wir hatten nicht den Hauch einer Chance. Notdürftig hängen wir die nassen Klamotten an einer Zeltstange im Inneren auf. Ohne zu lesen oder noch am Handy zu spielen, geht das Licht aus. Wir wünschen uns nichts anderes als morgen bei etwas freundlicherem Wetter aufzuwachen.
Aber wie heißt es so schön: Man kann sich alles wünschen. Man wird nur nicht alles bekommen.
Der Sonnenuntergang ist der Wahnsinn!! ;)
AntwortenLöschenNicht von dieser Welt.
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