16.10., Freitag: Ingomar North Rest Area - Koby geht's an den Kragen

Noch bevor der Wecker klingelt, wird Cecil von Sarah geweckt. Aus unserem Fenster, am Kopfende des Zeltes, bewundern wir den Sonnenaufgang, der den Himmel in rosa, orange und rote Farbtöne taucht, die nahtlos in ein makelloses Blau übergehen. 
 
 
Sport steht für Sarah heute noch vor dem Frühstück auf dem Programm. Eben dieses bereitet Cecil währenddessen vor. Anschließend räumen wir das abgewaschene Geschirr wieder ein. Dabei bemerkt Cecil etwas ziemlich Beunruhigendes. Der Reifen hinten rechts macht einen ziemlich platten Eindruck. 
Wie der eine oder andere weiß, haben wir vor kurzem einen inoffiziellen Rekord aufgestellt. Sechs platte Reifen in sechs Tagen. Und das mittem im Nirgendwo. Die “painted desert” kann man ungestraft ebenso als durchaus abgelegen bezeichnen. Hoffen wir, dass das nicht der Beginn einer neuen Serie ist. Während wir nach dem Frühstück das Zelt einpacken, wird in jedem Fall klar: Der Reifen ist platt. Er reiht sich damit in eine Reihe mit der Batterie. 
 
 
Zunächst kümmern wir uns um den Reifen. Immerhin befindet sich der hintere Reifen auf der rechten Seite im Schatten. Das Wechseln sollte daher gewohnt routiniert, in nicht einmal 20 Minuten, durch sein. Der Wagenheber sinkt in der lockeren Erde leicht ein, ansonsten geht alles glatt. Am kaputten Reifen können wir selbst keinen offensichtlichen Schaden feststellen. Das Loch kann demnach nicht sehr groß sein. Wir haben gute Chancen, dass der Reifen repariert werden kann. 
Bevor wir versuchen Koby mit Hilfe der Starterbatterie anzulassen, gehen wir nochmal duschen. Cecil ist etwas früher fertig. Er nutzt die Zeit und fragt die Besitzer des Campingplatzes nach der besten Route. Theoretisch ist es von hier aus nach Coober Pedy deutlich kürzer als zurück zum Highway. Wir sind uns allerdings unsicher, ob wir uns ohne Ersatzreifen der Schotterpiste stellen sollten. Die Besitzerin gibt jedoch Entwarnung: Die Strecke sollte in einem guten Zustand sein. Sollte dennoch etwas schiefgehen, würde ihr Mann heute Abend die gleiche Strecke von Coober Pedy aus zurück fahren. Der würde uns dann sicher helfen. Das ist ein durchaus beruhigender Gedanke. Wir wollen es wagen. 
Die Starterbatterie beweist sich und Koby springt direkt beim ersten Versuch an. Wir lassen den Motor sicherheitshalber laufen, während wir die letzten Sachen verstauen. Die Gravelroad nach Coober Pedy befindet sich in einem erstaunlich guten Zustand. Nur gelengtlich müssen wir aufgrund einer Senke abbremsen. Die schnurgerade Strecke wirkt regelrecht beruhigend. Oder gar langweilig. Sarah widmet sich nach etlichen ereignislosen Kilometern ihrem Handy. Genau in diesem Moment passiert das, was man in Australien definitiv vermeiden möchte. Ein wildes Tier kreuzt die Fahrbahn. 
Der erste Emu passiert die Straße von links nach rechts noch recht zügig. Das zweite Tier jedoch, welches zunächst kurz hinter ihm läuft, dreht plötzlich ab. Eine gute Entscheidung, denn wir sind nur noch wenige Meter von den Laufvögeln entfernt. Wir schätzen die Situation bereits als entschärft ein, da beschließt der zweite Emu es doch zu riskieren. Haarscharf quert er mit wenigen Schritten vor uns die Piste. Wir verpassen ihn nur um Zentimeter. Und das auch nur dank einem sehr beherzten Tritt auf die Bremse.
Nachdem der Schock halbwegs überwunden ist, nutzen wir die Situation noch so gut es geht aus. Bis sich die Gruppe Emus unter ein paar Bäumen unserer Sicht entzieht, kriegt Cecil mit Hilfe von Alli tolle Aufnahmen. 
 
 
 

 
Die letzten 75 km bis nach Coober Pedy verläuft die Straße weiterhin fast durchgehend schnurgerade. Noch dazu wurde sie offenbar erst vor kurzem geebnet. Wir können problemlos mit 100 km/h fahren. 
 


Dieses Mal kann Cecil das Tier auf der Straße bereits aus sicherer Entfernung erkennen. Ein dicker Waran sonnt sich mitten auf der Fahrbahn. Vorsichtig halten wir kurz vor ihm an. Die Echse bleibt ziemlich entspannt, während wir uns mit Kamera und GoPro im Anschlag heranschleichen. Wir kriegen tolle Aufnahmen, bis es unserem “Model” offensichtlich doch etwas zu bunt wird. Blitzschnell flitzt er plötzlich in einem affenzahn davon und lässt uns in einer kleinen Staubwolke stehen. 
 
 
Kurz vor Coober Pedy nehmen wir einen kleinen Umweg zu einer Landschaftsformation, namens “Breakaways”, in Kauf. Direkt vor uns biegt ein Touristenbus auf den Weg dorthin ein. Wir hängen dahinter und kommen daher nur schleppend voran. Den ersten Halt auf der Route, von dem aus man einen Blick auf den “Dog-Fence” hat, lassen wir daher aus. Wir wollen die Touristenmassen hinter uns lassen. Der Zaun wäre für uns auch kein neuer Anblick. Errichtet um die Schafherden im Süden vor Dingos zu schützen, ist es der längste Zaun der Welt. Von den insgesamt 5.300 km verlaufen 2.250 km durch South Australia. Allerdings ist er mittlerweile so löchrig, dass er heutzutage höchstens noch als Touristenattraktion taugt. Auf etlichen Wanderungen haben wir diesen Zaun bereits passiert oder sind über die kläglichen Überreste gestiegen. 
Die folgenden Lookouts sind definitiv sehenswerter. Ein wenig fühlen wir uns in die “Painted Desert” zurückversetzt. Bestimmt eine gute Alternative für alle, die nicht ganz so weit fahren möchten. Auch wenn hier alles etwas kleiner und weniger farbenfroh ist. 
 



 
Am letzten Aussichtspunkt werden wir von dem Bus eingeholt. Es ist so, als würden wir mit einer ganz anderen Welt konfrontiert werden. Der Bus trägt die Aufschrift “The Ghan”. Anscheinend werden hier die Passagiere dieser alt-ehrwürdigen Bahnlinie, die einmal quer durch Australien führt, zu einem kleinen Ausflug kutschiert. Nachdem sich die Tür geöffnet hat, wird eine Fußmatte ausgelegt. Es knallen Sektkorken. Alle Menschen sind so sauber und es liegt ein Geruch von Parfüm in der Luft. Wir fühlen uns ein wenig fehl am Platz.
 

 
Zurück auf dem “Stuart Highway” ist die Landschaft mehr und mehr übersät mit kleinen Hügeln. Bald reichen sie bis zum Horizont. Ein bizarrer Anblick. Bis Cecil sich daran erinnert, wofür Coober Pedy unter anderem bekannt ist: Ihr Opal-Vorkommen. Die Hügel sind demnach ausgehobenes Material, welches noch gesichtet wird oder schon durch eine der Maschinen, die ebenfalls hier und da zu erkennen sind, gelaufen sind. Über Kilometer erstreckt sich diese Hügellandschaft. 
Nur wenige Meter vor dem Abzweig nach Coober Pedy, kommt uns erneut eine “Road Train” entgegen. Der letzte hat für so viel Gegenwind gesorgt, dass wir ordentlich durchgeschüttelt wurden und die Scheibenwischer anstalten machten abzureißen. Auf ein ähnliches Erlebnis bereiten wir uns dieses Mal besser vor. Um das Ganze noch weiter zu dramatisieren, ruft Cecil kurz bevor der LKW uns passiert: “ready for impact”. Tatsächlich gibt es eine Millisekunde später einen ohrenbetäubenden Knall. 
Der Steinschlag hat eine beachtliche Größe, Bbestimmt 4 cm im Durchmesser. Besser gesagt sind es zwei Einschläge. Höchstwahrscheinlich hat ein Tier auf dem Viehtransporter einen Stein durch das Gitter gekickt, gerade als wir auf gleicher Höhe waren. Das Geräusch war der artig laut, dass Cecil froh ist, dass das Geschoss die Scheibe nicht durchdrungen hat. Doch auch so sind wir erstmal bedient. Zu unserem kaputten Reifen gesellt sich damit eine kaputte Windschutzscheibe. Läuft bei uns. 
 
 
Unsere erste Station in der Stadt machen wir vor der Touristeninformation. Im Normalfall ist hier kostenloses Wlan verfügbar. In Coober Pedy leider nicht. Immerhin haben wir Empfang und können unser eigenes Datenvolumen verwenden, um nach geeigneten Werkstätten zu suchen. Allerdings können wir uns darauf kaum konzentrieren. Wir beide haben richtig großen Hunger.
Bei einem Restaurant arbeiten wir die Karte durch, die vor dem Eingang auf der überdachten Terrasse aushängt. Hier gibt es alles: Pizza, Pasta, Burger. Und doch findet man nichts. Stattdessen werden wir im Schatten von hunderten Mücken attackiert. Da kümmern wir uns doch lieber erstmal um den Reifen. 
Bei der Werkstatt angekommen, erhalten wir eine Absage. Sie könnten sich den Schaden zwar ansehen, eine Reparatur wäre allerdings frühestens morgen machbar. Wir überlegen für einen Moment. Im Grunde nervt uns diese Stadt bereits jetzt und wir wollen so schnell es geht weiter. Vielleicht spricht aber auch der Hunger aus uns. Offensichtlich haben wir unsere Prioritäten falsch gesetzt. 
Gegenüber von der Touristeninformation bekommen wir einen Burger mit Pommes für erschwingliche 15$. Der schmeckt noch dazu erstaunlich gut. Anschließend geht es uns deutlich besser und wir können die ganze Misére mit klarem Kopf erneut angehen. 
Vieles hängt davon ab, ob wir direkt von hier aus zum “Lake Eyre North” fahren wollen. Ein riesiger Salzsee im Herzen des Outbacks von South Australia. Dahin führt der Weg ausschließlich über Gravelroads. Ohne Ersatzreifen würden wir das nicht angehen. Allerdings könnte man von der nächsten größeren Stadt, Roxby Downs, den “Lake Eyre South”, erreichen. Wir haben berechtigte Hoffnung, dass unser Reifen auch dort und wahrscheinlich sofort repariert werden kann. Dazu müssten wir uns nur noch entscheiden, ob wir den “Lake Eyre North” auslassen können. 
In der Touristeninformation wollen wir uns nähere Details über die beiden Teile des Salzsees einholen und daraufhin unsere Entscheidung fällen. Unser Plan hat jedoch einen entscheidenden Haken: Dort machen sie bereits in 15 Minuten zu und wir haben noch nicht einmal gezahlt. Das ist allerdings nur bedingt unsere Schuld. Offensichtlich befindet sich South Australia in einer anderen Zeitzone. Es ist daher nicht kurz vor 16 Uhr, sondern bereits eine Stunde später. 
Das bringt das Fass endgültig zum Überlaufen. Wir haben keine Lust mehr auf Coober Pedy. Kurzentschlossen entscheiden wir den “Lake Eyre North” wegzulassen und uns mit dem, etwas kleineren, südlichen Teil zufrieden zu geben. In Roxby Downs hat zwar das i-Site am Wochenende geschlossen und auch nicht alle Werkstätten werden geöffnet haben, aber wenigstens gibt es dort in der Nähe einen freien Campingplatz. Auch das wäre hier in Coober Pedy zum Problem geworden. 
Immerhin Koby kann heute zufrieden sein. Er kriegt endlich wieder gutes 98er-Benzin in den Tank. Die Reifen bringen wir auf den für Asphalt normalen Druck. Bis Roxby Downs ist der Weg geteert. Nur Wasser kriegen wir keines. Noch haben wir drei volle Flaschen. Das muss dann wohl zunächst ausreichen. 
Für heute Nacht steuern wir die erste Rest-Area südlich von Coober Pedy an. Nur 13 km ist diese von der Stadt entfernt. Wir sind allerdings so von der Tierwelt abgelenkt, dass wir den Abzweig glatt verpassen. Gleich zwei große Echsen und eine fiedele Schafsherde lenken uns von unserem eigentlichen Ziel ab. Ist aber auch kein Problem. Die nächste Möglichkeit befindet sich lediglich 36 km weiter. 
Unterwegs sorgt erneut eine tierische Begegnung für Abwechslung vom schnöden Fahren auf dem Highway. Eine große Schlange bäumt sich plötzlich auf dem rechten Fahrstreifen auf. Als ob sie Koby damit Angst einjagen könnten. Bei Tempo 100. In Sarahs Erinnerung ist sie schwarz. Cecil meint eher eine graue Farbgebung erkannt zu haben. In jedem Fall hätte sie uns beide mit ihrer Pose sicher abgeschreckt, wenn wir nicht von Koby geschützt wären. 
Nachdem wir die Dragons noch haben links liegen lassen, können wir jetzt nicht anders als anzuhalten. Im Außenspiegel konnte Cecil noch sehen, wie die Schlange in der Böschung verschwunden ist. Mal sehen, ob wir sie dort wiederfinden. 
Die Suche bleibt allerdings erfolgslos. Wir geben uns auch keine zu große Mühe, da wir nicht wissen, wo das Tier lauert. Zwangsläufig beschränken wir uns daher auf die Oberflächen und schauen nicht unter den Büschen nach. Cecil stößt auf eine kleinere Schlange, die sofort das Weite sucht. Von der großen fehlt jede Spur. 
Kurz darauf erreichen wir die Rest-Area. Keine Top-Location, doch für die kommende Nacht wird es ausreichen. Immerhin scheint auf dem nahen Highway nicht sehr viel los zu sein. Bevor wir uns daran machen, das Zelt aufzubauen, genießen wir den Sonnenuntergang. Bis sich Mücken und Fliegen verbrüdern und gemeinsam gegen uns in den Krieg ziehen. 
 
 
Was haben wir eigentlich verbrochen? Seit Tagen, ach was Wochen, kämpfen wir in einer Tour gegen leere Batterien, kaputte Reißverschlüsse, löchrige Reifen und jetzt auch noch eine annähernd durchlöcherte Frontscheibe. Müssen sich die Insekten da auch noch gegen uns wenden? 
Trotz der Umstände versuchen wir uns nicht vorzeitig ins Zelt zurückdrängen zu lassen. Doch schon bald knicken wir ein. Übersät mit Stichen setzen wir zum Rückzug an. Jedoch geben wir nicht kampflos auf. Wir sind unsererseits bewaffnet mit Laptop und Tablet. Tatsächlich finden wir im Zelt eine halbwegs angenehme Position und schaffen es noch ein wenig zu arbeiten. Sarah sortiert und bearbeitet Fotos, Cecil schreibt Tagebuch. 
Immerhin bis halb 12 halten wir durch. Dann geht es in den wohlverdienten Schlaf.

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