09.10., Freitag: Gravel Pit vorm Owen Springs Reserve - Tragischer Ausflug

Spätestens nachdem wir aus dem Zelt gestiegen sind und einen ersten Blick auf den Himmel geworfen haben, können wir beruhigt sein. Das Wetter zeigt sich weiterhin von seiner guten Seite. Ohne Angst haben zu müssen, dass unser Essen durch den Wind vom Tisch gefegt werden könnte, ist das heutige Frühstück ein wahrer Genuss. Dafür leistet uns ein riesiger Schwarm Fliegen Gesellschaft. Wie immer kennen sie keinerlei Berührungsängste.
 

 
Bevor wir uns wieder auf den Weg machen, steht noch eine Umrundung des “Chamber's Pillar” auf dem Programm. Zu Fuß wohlgemerkt. Den Rundflug mit Alli lassen wir nicht gelten. 
Der Weg führt, gesäumt von Spinifex und Mulga-Büschen, flach durch das sandige Gebiet. Auf ungefähr halber Strecke zweigt ein Weg ab, der direkt zur Felssäule hoch führt. Zunächst über natürliche Stufen aus Stein, dann über eine Metall-Treppe, geht es ihren Sockel hinauf. Oben angelangt, führt eine Plattform entlang der Südseite. Hier haben, neben einigen Kulturbanausen der Neuzeit, bedeutende Entdecker und Abenteuer ihre Initialen in das weiche Gestein geritzt. John McDouall Stuart, der die markante Felsformation im Jahre 1860 erstmals gesichtet hat, gehört überraschenderweise nicht dazu. 
 

 
 
Auf dem Rückweg von der Plattform, kurz bevor wir die Treppe erreichen, stoppt Cecil, der vorausgeht, abprupt. Eine kleine Schlange verschwindet zwischen den Gitterstreben. Zumindest sah es aus wie eine Schlange. Alles ging so schnell. Doch sie muss mitten auf der Plattform gelegen haben. Wie ärgerlich, dass sie uns nicht früher aufgefallen ist. 
So leicht lassen wir sie dann auch nicht davonkommen. Wir entdecken sie unter der Konstruktion der Plattform wieder. Sie versteckt sich in einer Ecke. Wir können sie jedoch noch gut sehen. Für eine gute Aufnahme kommen wir allerdings nicht nah genug heran und zu dunkel ist es auch. In einem verzweifelten Versuch probiert Cecil sie mit der GoPro am ausgefahrenen Teleskopstab aus der Deckung zu locken. 
Es klappt. Die Schlange verlässt die Ecke durch das Gitter nach oben. Doch nur um direkt weiter in das nahe Geröllfeld auf dem Sockel der Säule zu flüchten. Cecil macht sich auf die Suche und findet sie tatsächlich wieder. Endlich gelingen verwertbare Aufnahmen. Das gräuliche Tier misst gute 20 cm. Es züngelt wie eine Schlange, doch die Schnauze ist ungewöhnlich spitz. Wir sind gespannt, was unser Buch dazu sagt. In jedem Fall ist Cecil jetzt glücklich, doch noch einen ungehinderten Blick gehabt zu haben. 

 


Der Tag startet wirklich gut. Nur Minuten später sollte sich unser Frohsinn ins Gegenteil verkehren. 
Zurück auf dem Campingplatz kann Cecil nicht widerstehen. Die prominente Felssäule bietet ein zu gutes Motiv. Alli hebt ab und macht sich auf den Weg. Das Licht ist super. 
 

Cecil lässt die Drohne um die Säule kreisen. Sie befindet sich leicht oberhalb der Säule, als sie die Rückseite erreicht. Plötzlich bricht die Verbindung ab. Kein Grund zur Panik, denkt er sich. Ähnliche Probleme gab es bereits gestern. Cecil verändert seine Position, um wieder eine direkte Sichtlinie herzustellen. Doch heute funktioniert es nicht. Der Bildschirm zeigt weiterhin das letzte Bild der Übertragung. Ein eingefrorenes Standbild des “Chamber's Pillar” in schwarz-weiß. 
Das Angebot die automatische Rückflugsequenz einzuleiten, hat Cecil ausgeschlagen. Die Gefahr besteht, dass Alli auf ihren Weg gegen die Säule fliegt. Stattdessen rennt Cecil los. Er muss hinter die Säule kommen und so die Verbindung wieder herstellen. Er rennt, schaut auf den Bildschirm. Weiterhin kein Signal. Näher ran. Kurz darauf erreicht er die Treppe zur Plattform. Hastig eilt er hinauf, nimmt dabei immer zwei Stufen auf einmal. Schwer atmend sucht er den Horizont ab. Die Verbindung wurde noch immer nicht wieder hergestellt. Zudem herrscht Ruhe. Ein leichter Wind geht und ein Vogel zwitschert gelegentlich. Das charakteristische Geräusch von Allis Motoren kann Ceci nicht vernehmen. 
Die Panik ist mittlerweile der Angst gewichen. Was könnte passiert sein? Wo ist Alli und in welchem Zustand? Cecil verlässt die Plattform und sucht das Gebiet nach eventuellen Anzeichen ab. Die letzte Position von Alli kann er anhand des auf dem Bildschirm verewigen Standbildes grob nachvollziehen. Doch von Alli fehlt jede Spur. Vielleicht hat sie es doch geschafft zum Startpunkt zurückzufliegen. 
Während Cecil zurück in Richtung Campingplatz rennt, stellt er sich bereits Sarahs lächelnden aber leicht fragenden Blick vor, den sie ihm zuwirft, weil Alli unversehrt bei Koby gelandet ist, während Cecil um die Säule joggt. Tatsächlich taucht Sarah auf der kleinen Anhöhe vor dem Campground auf, weil sie sich gewundert hat, wo die beiden so lange bleiben. Sie nahm an, Cecil und Alli ärgern die Schlange noch ein wenig. Dementsprechend ist Alli nicht bei ihr. Sarah macht sich auf in Richtung Koby. Vielleicht ist sie in der Zwischenzeit gelandet. Doch Cecil ahnt es bereits. Besser wir gehen zurück zu ihrem letzten Standort.
Während Cecil im Gehen alles erklärt, fühlt er die Hoffnung in ihm schwinden. Es war kein Geräusch von Alli zu hören. Höchstwahrscheinlich hat in der Zwischenzeit der Akku schlapp gemacht. Mit ganz viel Glück konnte sie landen und es sind lediglich die Rotoren beschädigt. Das wäre der Bestfall. 
Cecil sucht erneut das Geröllfeld am Füße der Steinsäule ab. Sarah macht sich auf den Weg zur Plattform. Sie wusste nicht, dass Cecil schon oben war. Nur Minuten später hat sie Alli gefunden. Ein weiterer Sprint, dann steht Cecil ebenfalls am Füße der Plattform. Sarah dirigiert in von oben zur Absturzstelle. “Es sieht nicht gut aus”, ruft sie herunter. Danach hört Cecil nichts mehr. 
Alli liegt zwischen den Felsen. Ein Arm abgebrochen. Die Aufhängung der Kamera völlig zerstört. Kaum ein Rotorblatt ist unbeschädigt. Alles wirkt wie in einem schlechten Film. Tränen schießen Cecil in die Augen, während er die Einzelteile aus dem Geröll klaubt. Dann muss er sich setzen. Die Überreste von Alli in der Hand, übermannen ihn die Gefühle. Man könnte es für übertrieben halten, aber für einen kleinen Moment ist es so, als wäre tatsächlich jemand gestorben. Für uns fühlt es sich in jedem Fall so an. Alli ist von uns gegangen. 
 
 
Sarah hat ebenfalls Tränen in den Augen, als sie und Cecil sich am Füße der Plattform treffen. Doch es ist zu früh für eine Umarmung oder tröstende Worte. Noch ist das alles nicht real. Schweigend laufen wir zurück zum Campingplatz. Das was von Alli übrig trägt Cecil vor sich. Die ersten Gedanken schießen ihm durch den Kopf. War es das jetzt mit dem Abenteuer “Drohne”? Undenkbar. Aber direkt eine neue kaufen? Immerhin kostet so ein Gerät 400€. Vor allem aber: Hätte er es verhindern können? In einem Moment hat sie noch fröhlich gesurrt und im nächsten liegt sie in Trümmern am Boden. Natürlich ist der Pilot daran Schuld. Die Gedanken überschlagen sich. 
Noch immer schweigend, machen wir uns daran das Zelt einzubauen. Wir fürchten wohl beide, dass es noch realer wird, wenn wir darüber reden. Doch es hilft nichts. Ein weiteres Mal brechen die Tränen aus. Es ist fast schon komisch, doch Alli war ein Teil von uns geworden. Ihre unglaublichen Aufnahmen haben uns bereits so viel Freude bereitet. Und jetzt ist es von einem zum anderen Moment damit vorbei. Wir können es einfach nicht glauben. Sarah hat gestern noch mit ihr ein lustiges Ja-Nein-Gespräch geführt und vergessen es aufzunehmen. Jetzt ist es zu spät. 
Nachdem wir uns wieder einigermaßen zusammenreißen können, fahren wir los. Die Dünen und selbst die erneute Überquerung des steilen Berges, lösen kaum eine Emotion aus. Trauer und Ratlosigkeit übertönen alles. Kurz bevor wir den Abzweig zum “Stuart Highway” erreichen, schlägt Sarah vor weiter geradeaus zu fahren. Auf diesem Weg führt die Straße weiter nach Alice Springs und wir könnten eine neue Drohne kaufen. Cecil lehnt ab. Er möchte ihr nicht diesen Umweg antun. Wir haben einen Plan gemacht. Er möchte nicht auch noch dafür verantwortlich sein, dass dieser über den Haufen geworfen wird. 
Nachdem wir also abgebogen sind, werden Cecil jedoch die Konsequenzen erst wirklich klar. Der nächste Ort, an dem man eine Drohne kaufen kann, ist höchstwahrscheinlich Adelaide. Und Adelaide ist noch über 1.500 km entfernt. Zuvor geht es in den “Kings Canyon”, nach “Kata Tjuta” und zum “Uluru”. Von den bisher ungeplanten Stationen mal ganz abgesehen. Die Vorstellung dort keine Drohnenaufnahmen machen zu können, ist wie ein erneuter Schlag in die Magengrube. Es fühlt sich zwar falsch an Alli so schnell zu ersetzen, doch Cecil ändert daraufhin seine Meinung. Er will nach Alice Springs und eine neue Drohne kaufen. 
Sarah hat ihre Meinung zum Glück nicht geändert. Sie ist mit dem Umweg einverstanden. Wir stehen daher kurz darauf erneut an der Kreuzung und wählen dieses Mal den Weg, der nach Alice Springs führt. Für einen kurzen Moment vergessen wir unterwegs unsere schlechte Laune. Eine grünliche Echse sitzt auf der Gegenfahrbahn. Bestimmt 80 cm lang von Kopf bis Schwanz. Wir wenden direkt, doch sie wird von einem vorbeidonnernden LKW verschreckt. Trotzdem war da für einen kurzen Moment mal etwas anders als unsere dunklen Gedanken.
 
In der Stadt angekommen, geht es direkt zu “Harvey Norman”. Womit wir allerdings nicht gerechnet haben, ist, dass sie die “Mavic Mini” nicht auf Lager haben. Es war schwer genug die Entscheidung zu fällen, unverzüglich weitere 400€ für eine neue Drohne auszugeben, nachdem man eine andere gerade gegen eine Felssäule gesteuert hat. Doch Cecil war bereits das Geld in die Hand zu nehmen. Nur wird er es jetzt nicht los. 
Cecil erinnert sich daran, dass “Jaycar”, wo wir unseren MP3-Kassetten-Adapter besorgt haben, ebenfalls Drohnen im Sortiment hat. Es dauert nicht lange, da stehen wir bei “Jaycar” an der Kasse und ein Mitarbeiter zieht eine der begehrten Drohnen unter dem Tresen hervor. 
Beim anschließenden einscannen des Artikels gibt es offensichtlich Probleme. Nach mehren Anläufen scheint es jedoch zu glücken. Unvermittelt fragt der Verkäufer, ob eine Versicherung gewünscht ist. Für 90$ würde man ein Jahr lang bis zu zwei Ersatzmodelle im Falle eines Crashs stark vergünstigt erhalten. Cecil hakt nach. Würde diese Versicherung auch aus Deutschland heraus gültig sein? Auf diese Frage hin, muss ein anderer Mitarbeiter zu Rate gezogen werden. Der stellt schnell klar: Die Versicherung gilt nur in dem Land, in dem die Drohne aktiviert wurde. Das ist dann wohl Australien. Die Versicherung fällt damit aus. Sollte Cecil seine Meinung ändern, kann er selber noch bis zu 48 Stunden eine Versicherung nachbuchen. Als es endlich ans Bezahlen geht, steht plötzlich nochmal ein neuer Verkäufer vor uns. Allem Anschein nach der Vorarbeiter. Zumindest ein Erwachsener Mann im Gegensatz zu den zwei Jünglingen davor. Ein kurzer Blick auf dem Kassenbildschirm. Alles gut, alles bezahlt und er schiebt Cecil die Drohne über den Tresen. Sichtlich verblüfft, wirft er Sarah einen fragenden Blick zu. Dann setzt sein Unterbewusstsein ein. Cecil hört sich sagen, dass das wohl die billigste Drohne aller Zeiten wäre. Er hätte noch gar nicht gezahlt. 
Kurz darauf ist Cecil um 600$ ärmer und wird sich noch tagelang mit diesem Moment beschäftigen. Er hätte die Drohne kostenlos bekommen. Es hätte so sein können, als wäre nie etwas passiert. Manchmal tut es weh eine so ehrliche Haut zu sein. Cecil glaubt zwar nicht an Karma, aber wenn es doch so etwas gibt, dann ist sein Konto jetzt erstmal prall gefüllt. Wenigstens das eine.
Wir begeben uns in die Fußgängerzone. Cecil braucht Internet, um die Drohne zu aktivieren und hier gibt es kostenloses Wlan. Die App schlägt ihm vor eine Versicherung abzuschließen. Doch es würde wohl wenig Sinn machen. Selbst wenn hier in Australien ein weiteres Unglück geschieht, wäre der Aufwand wohl zu hoch. Wir sind dauernd unterwegs. Die kaputte Drohne muss eingeschickt werden, bevor eine neue zugesendet wird. Wer weiß, ob so ein Vorgang überhaupt ohne feste Adresse in Australien möglich wäre. Da man bekanntlich aus Fehlern lernt, geht Cecil fest davon aus, dass ab jetzt alles gut geht. Die Versicherung wird erneut abgelehnt.
Während sich Cecil mit der neuen Drohne beschäftigt, nutzt Sarah die Zeit anderweitig. Heute ist der Geburtstag ihrer Mutter und Sarah kann ihr am Telefon persönlich gratulieren. Am Ende hat es also auch etwas Gutes, dass wir zurück in Alice Springs sind. 
Weiterer positiver Nebeneffekt: Wir können bei “Woolworths” erneut einkaufen. Nachdem unser letzter Einkauf etwas planlos verlief und wir, dem schlechten Wetter geschuldet, deutlich hinter unserem ursprünglichen Zeitplan hängen, müssen wir an fast allen Fronten Lebensmittel nachkaufen. Voll bepackt und bereit nach vorne zu blicken, machen wir uns wieder auf den Weg. 
Wir begutachten die Rest Area, die wir beim letzten Mal verpasst haben. Diese liegt nur wenige Meter abseits des Highways. Da fahren wir doch lieber wieder zum “Redbank Waterhole”. Unterwegs dorthin erinnert sich Cecil jedoch, dass er gegenüber des Abzweigs dorthin einen Schotterplatz gesehen hat. In der Tat stellt sich dieses “Gravel Pit” als ausreichend für die kommende Nacht dar. Ein gutes Stück vom Highway entfernt, schlagen wir unser Zelt auf. 
 
 
Trotz dieses turbulenten Tages gestaltet sich unser Abend wohltuend normal. Sarah macht Sport, während Cecil Tagebuch schreibt. Allerdings widmet er sich zunächst bereits vergangenen Tagen. Bis er die Ereignisse von heute in Worte fassen kann, wird es noch eine Weile dauern. 
Am Ende ist knapp ein Monat vergangen, bevor diese Zeilen entstehen. Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Doch ihr werdet sehen: Die neue Alli ist auch klasse! 

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