22.04., Donnerstag: Turkey Bush Camp Site - 1. Etappe
Wir ignorieren die ersten zaghaften Versuche unserer Wecker und stehen erst gegen 05:45 Uhr auf. Draußen scheint die Sonne bereits in all ihrer Pracht. Der letzte Morgen in Western Australia begrüßt uns, wie wir es seit Wochen gewohnt sind.
Bevor wir abfahren, machen wir noch ein paar Fotos von uns vor dem imposanten Boab. Dann geht es auf zur Grenze, die WA vom Northern Territory trennt.
Die Fahrt dauert nur wenige Minuten. Spontan halten wir für ein Abschiedsbild vor einem großen Schild an der Grenze.
Kurz darauf überqueren wir diese. Es erfolgt keine Kontrolle oder Sonstiges. Völlig frei und ohne Schranken führt der Highway direkt von einem Staat in den nächsten. Letztes Jahr wurden wir auf unserem Rückweg aus dem Keep River NP noch von einem Polizisten angehalten. Die Situation hat sich ganz offensichtlich entspannt.
Da ein Grenzübergang heutzutage uns jedes Mal unter Strom setzt, fällt anschließend jegliche Anspannung von uns ab. Wir legen etwas Musik auf und beginnen die Kilometer abzuspulen. Bis nach Timber Creek sind es 170. Die Zeit vertreiben wir uns damit, in den Erinnerungen zu schwelgen, die entstanden sind als wir 2020 in der Region unterwegs waren.
Im Ort halten wir nur kurz. Neben der Tankstelle reizt uns hier lediglich die recht gute Mobilfunkverbindung. Wir checken unsere Mails, doch es gibt nichts Neues. Ein paar Kleinigkeiten recherchieren wir im Anschluss, doch dann kann es auch schon weitergehen. Der Liter Premium Benzin schlägt in Timber Creek mit 1,69$ zu Buche. Zum Glück schluckt Koby lediglich knappe dreißig.
Bis zum Abzweig auf den Buchanan Highway sind es vom Ort aus nur noch 25 km. Wir haben noch sehr lebhafte Erinnerungen an diesen “Highway”, der im Grunde nur eine bessere Gravelroad ist. Als wir das letzte Mal diese Abkürzung zum Stuart Highway genommen haben, der anschließend weiter nach Alice Springs führt, sahen wir beide danach ziemlich wild aus. Von Koby wollen wir gar nicht erst anfangen. Unsere Klimaanlage war derzeit defekt. Um vor Hitze nicht zu sterben, mussten wir daher mit offenen Fenstern fahren. Wahrscheinlich transportieren wir heute noch immer Staub herum, der damals hineingekommen ist. Und das, obwohl wir anschließend fünf Stunden lang geputzt haben.
Heute funktioniert die Klimaanlage einwandfrei. Wir lassen etwas Luft aus den Reifen, nachdem wir auf den Buchanan Highway eingebogen sind. Es folgt eine recht steinige Gravelroad, die dazu oft mit ausgewaschenen Stellen und kleineren Gräben aufwarten. In der Folge ist es kein entspanntes Gleiten, sondern ein ständiges Abbremsen und wieder Anfahren. Cecil fährt so vorsichtig wie es geht, doch kann trotzdem nicht allen Gefahrenquellen ausweichen. Es rumpelt gelegentlich ordentlich. Das wird wieder ein paar Minuten dauern alle Kisten zurück an ihren angestammten Platz zu bringen. Doch es könnte schlimmer sein. Wir sind froh über die neuen Hinterreifen. Die alten hätten sicher bereits nachgegeben.
Für den Fahrer bedeutet so eine Piste keine Sekunde Ruhe. Man muss durchgehend hellwach sein, um jeden Stein so gut es geht auszuweichen und vor den tieferen Gräben möglichst frühzeitig abzubremsen. Es ist sowohl mental, als auch physisch ganz schön aufreibend. Gegen 12 Uhr ist es höchste Zeit für eine Pause. Doch es ist gar nicht so leicht eine geeignete Stelle zum Halten zu finden und das, obwohl wir uns mitten im Nirgendwo befinden. Aktuell befahren wir etwas, dass eher einem einspurigen Feldweg als einem Highway gleich kommt. Rechts und links verhindert eine hohe Böschung jegliche Ausweichmanöver. Schließlich halten wir in der Zufahrt einer entlegenen Rinderfarm. Sogar ein bisschen Schatten finden wir.
Cecil ist sichtlich fertig mit den Nerven. Das ist mit eine der aufreibensten Fahrten, die er mit Koby bisher auf sich genommen hat. Immerhin scheint Koby nicht die gleichen Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Es hilft auch nichts. Wir müssen Strecke machen, wenn wir es noch vor dem endgültigen Wintereinbruch nach Tasmanien schaffen wollen. Zur Stärkung gibt es unsere übliche Jausenplatte: Salami, Käse, Cracker und etwas Dip. Danach geht es ohne weitere Umschweife weiter.
Ein Schild am Wegesrand sorgt plötzlich für extreme Unsicherheit. Demnach ist das Dashwood Crossing wegen Überflutung gesperrt. Wir wissen, dass uns noch eine Flussdurchquerung bevorsteht, doch damit muss ein anderer Fluss gemeint sein. Am Anfang des Highways stand auf einer großen Anzeigetafel, dass alle Sektionen der Straße für den Verkehr freigegeben sind. Wir sind trotzdem aufgebracht. Wenn wir jetzt umdrehen müssen, haben wir nicht nur Zeit, sondern auch eine Menge Benzin sinnlos verbrannt.
Wenig später folgt ein weiteres Schild, welches eine Straßensperrung in einem Kilometer voraussagt. Doch wir geben jetzt nicht auf. Davon wollen wir uns mit eigenen Augen überzeugen. Bei unserer letzten Fahrt über den Buchanan Highway haben wir an dem selben Fluss direkt am Ufer kampiert. Tatsächlich steht das Wasser jetzt deutlich höher, doch die Fahrbahn ist unter der Oberfläche deutlich zu erkennen. Cecil steigt sicherheitshalber aus und inspiziert alles aus der Nähe. Zu nah heran wagt er sich jedoch nicht. Wir befinden uns noch immer in Krokodil-Gebiet. Selbst aus gebührendem Abstand ist zu sehen, dass das Wasser maximal zehn Zentimeter hoch steht. Kein Problem für Koby. Es sollte dringend jemand vorbeikommen und die irreführenden Warnschilder abdecken.
Kurz vor dem Roadhouse Top Springs verengt sich die Fahrbahn erneut von einer großzügigen Gravelroad auf einen schmalen Feldweg. Auf beiden Seiten ist dieser von hohem Gras begrenzt. Hoffentlich kommt uns jetzt keiner entgegen. Wir schaffen es zum Glück ohne Gegenverkehr zur Tankstelle. Der Stopp dient jedoch lediglich einer kleinen Dehnpause. Benzin ist noch genug im Tank, doch wir brauchen eine weitere Pause. Seit dem Mittag liegen immerhin schon wieder fast drei Stunden Autofahrt hinter uns.
Der Zustand der Piste bessert sich im Anschluss zunehmend. Bis zu 80 km/h sind ab sofort ohne große Bedenken machbar. Eigentlich hatten wir geplant maximal bis 15 Uhr zu fahren. Bis dahin bleiben uns nur noch fünfzehn Minuten. Jetzt haben wir die Wahl. Die nächste Rest Area liegt 40 km vor uns. Danach sind es weitere hundert bis zur nächsten. Doch es ist noch hell und wir schätzen, dass die Sonne hier erst gegen 18:30 Uhr untergeht. Wir entscheiden uns daher für den weiter entfernten Rastplatz. Besser wir spulen jeden Tag so viele Kilometer ab wie möglich.
Im weiteren Verlauf beginnt es nicht nur am Horizont, sondern auch uns zu dämmern. Wir haben eine neue Zeitzone erreicht. Im Northern Territory gehen die Uhren 1 ½ Stunden vor. Unsere gesamte Rechnung im Bezug auf den Sonnenuntergang erweist sich damit als fundamental falsch. Mit den neuen Parametern kommen wir wohl gerade noch so im letzten Licht des Tages auf dem Campingplatz an. Doch jetzt gibt es kein Zurück mehr. Immerhin ist die Straße mittlerweile so gut, dass Cecil sogar bis zum Limit auf 110 km/h beschleunigen kann. Die Staubwolke, die Koby hinterlässt, ist massiv. Eine Drohnenaufnahme davon wäre sicher der Wahnsinn. Doch dafür bleibt keine Zeit. Wir wollen es nicht riskieren im Dunkeln zu fahren. Bevor wir ein unschuldiges Wildtier überfahren, verzichten wir lieber auf atemberaubende Videos. Man muss Prioritäten setzen.
Die letzten Kilometer werden auch so schon aufregend genug. Ein sehr kleines Schild fliegt innerhalb von Millisekunden bei voller Fahrt an uns vorbei. Wir versuchen noch zu rekonstruieren, was wohl darauf gestanden hat, da taucht vor uns ein Graben auf. Gut einen halben Meter lang und mindestens 30 cm tief. Cecil geht sofort in die Eisen, doch es hilft alles nichts. Es gibt einen Schlag, der so heftig ist, dass wir froh sind, dass Koby daraufhin nicht direkt in zwei Teile zerbricht. Im Gegensatz zu uns scheint er davon unbeeindruckt geblieben zu sein. Ein Glück. Das war heftig.
Als wäre es damit nicht bereits genug, spielen dazu noch die Vögel verrückt. Der Straßenrand ist voll von ihnen und sobald wir kurz davor sind sie zu passieren, flattern sie auf. Teilweise steigen sie so knapp vor Koby auf, dass wir schon fast damit rechnen später einen unter dem Dachzelt zu finden. So langsam kriechen wir wirklich auf dem Zahnfleisch. Es reicht für heute. Die Erleichterung ist daher groß, als wir gegen 16:30 Uhr die Rest Area erreichen.
Bis zum Sonnenuntergang bleiben vermutlich noch dreißig Minuten. So ganz wissen wir es nicht. Durch die Zeitumstellung sind wir total neben der Spur. Besser wir denken nicht weiter darüber nach. Wir werden es schon merken, wenn die Sonne weg ist. Sarah beginnt daher direkt mit ihrem Sportprogramm. Für Cecil wird es nicht weniger anstrengend. Er macht sich daran, den Kofferraum wieder zu ordnen. Der Buchanan Highway hat wieder ganze Arbeit geleistet. Immerhin den Staub konnten wir dieses Mal weitestgehend draußen halten. Der durch die Klimaanlage erzeugte Überdruck im Innenraum hat ganze Arbeit geleistet.
Nachdem wir beide fertig sind und das Zelt aufgebaut ist, welches übrigens noch immer von Käfern besiedelt wird, ist es endlich Zeit für das Abendessen. Der Hunger ist mittlerweile groß und wir freuen uns schon sehr auf das heutige Gericht. Es gibt Pitataschen gefüllt mit Feta, Gurke, Tomate, Salat, Hähnchen und einem Spiegelei. Getoppt natürlich mit der sagenhaften Aioli von Woolworths. Die Pitataschen sind recht löchrig und instabil, es wird daher eine ganz schöne Sauerei. Doch es schmeckt trotzdem hervorragend.
Angenehm gesättigt, schauen wir uns erneut die Strecke an, die wir heute zurückgelegt haben. Für die 430 km über den Buchanan Highway haben wir gut sechs Stunden gebraucht. Die alternative Strecke über Katherine wäre zwar durchgehend asphaltiert gewesen, hätte am Ende aber genau so lange gedauert. Zudem hatten wir den Zustand der Gravelroad deutlich besser in Erinnerung. Die Regenzeit hat wohl auch hier ihre Spuren hinterlassen. Trotzdem haben wir heute 600 km hinter uns gebracht. Bis nach Alice Springs sind es jetzt nur noch 900. Somit könnten wir unser Ziel ohne großartigen Stress schon übermorgen erreichen. Das klingt gar nicht so schlecht.
Es ist 19 Uhr, als sich Cecil daran macht die Stichpunkte von heute einzutippen. Sarah löst derweil ein Sudoku am Handy. Wir müssen schnell feststellen, dass das Gebiet voller Mücken ist. Das Spray von Bunnings hilft erstaunlich gut uns gegen Stiche zu schützen. Trotzdem werden es bald zu viele Viecher für Sarahs Geschmack und sie zieht sich ins Zelt zurück. Dort angekommen, liest sie noch ein bisschen.
Cecil dagegen ist heute voll motiviert, wie immer nachdem der Tag schon extrem anstrengend war. Irgendwie paradox, aber mittlerweile schon fast normal. Ohne Pause formuliert er drei Einträge im Tagebuch aus. Kurze Tage zugegeben, aber trotzdem keine schlechte Leistung.
Bei Sarah ist gegen 22 Uhr Zeit zu schlafen. Cecil wird in etwa diesem Dreh mit dem Schreiben fertig. Quasi zur Belohnung, schaut er noch einen Film. Die Wahl fällt heute auf den vierten Teil von “Men in Black”. Ihm steht der Sinn nach leichter Kost. Doch was da produziert wurde, grenzt an Schwachsinn. Trotzdem recht zufrieden mit dem Tag, geht es danach auch für Cecil ins Bett.
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