15.12.; Dienstag: North Fremantle - Bürokratie ohne Grenzen
Der heutige Tag steht ganz im Zeichen unserer Visa-Verlängerung. Da sonst aber nichts auf dem Plan steht, gönnen wir uns ein bisschen mehr Schlaf. Erst gegen halb 9 steigen wir aus dem Bett. Um uns ausreichend für den anstehenden Tag zu stärken, landet heute eine Portion Schinken im Rührei. Das ist eine willkommene Abwechslung, verursacht beim Anbraten jedoch eine ganz schöne Sauerei. Ordentlich gesättigt, beginnen wir mit der Arbeit.
Zunächst widmen wir uns dem australischen Führungszeugnis. Um dieses beantragen zu können, gilt es eine Reihe an Dokumenten hochzuladen, die die eigene Identität bestätigen. Natürlich kommt einem dabei sofort der Reisepass in den Sinn. Der wird auch akzeptiert und bringt einem ganze 70 Punkte. Insgesamt werden 100 Punkte benötigt. Mit dem Reisepass scheinen wir zwar einen Großteil der Punkte im Sack zu haben, doch ab jetzt wird es wirklich kompliziert. Es werden diverse “sekundäre” Dokumente zugelassen, die zwischen 20-40 Punkte einbringen. Handelt es sich jedoch um ein fremdsprachiges Dokument, muss eine beglaubigte Übersetzung mitgesendet werden. Wir gehen etliche Kombinationen durch, bis wir eine passende finden. Zumindest hoffen wir das. Neben dem Reisepass laden wir den Führerschein, inklusive internationalem Führerschein, Kreditkartendaten und den Personalausweis hoch. Auf letzterem sind alle wichtigen Angaben auf deutsch, englisch und französisch angegeben. Insgesamt kommen wir damit auf 135 Punkte. Sofern alle Dokumente anerkannt werden. Daher planen wir sicherheitshalber einen gewissen Puffer ein.
Das war schwieriger als gedacht. Immerhin konnten wir alles online abwickeln. Diese Option steht uns beim deutschen Führungszeugnis nicht zu. Oder doch? Vielleicht kann uns die Online-Funktion des Personalausweises retten. Doch haben wir diese damals freigeschaltet? Wir beide sind uns dahingehend ziemlich unsicher. Schleunigst laden wir eine entsprechende App herunter. Über den eingebauten NFC-Reader im Telefon prüfen wir unsere Persos. Sarah hat die Funktion leider nicht aktivieren lassen. Cecil dagegen bekommt eine positive Rückmeldung von der App. Doch das nächste Problem bahnt sich an. Es werden natürlich entsprechende Zugangsdaten verlangt.
Eine gefühlte Ewigkeit zermartert sich Cecil das Hirn. 2016 hat er seinen neuen Personalausweis bekommen und zeitgleich Zugriff auf dessen Onlinefunktion erhalten. Dazu wurde ihm en Aktivierungs-PIN per Post geschickt. Nach erstmaliger Registrierung legt man dann ein eigenes Passwort fest. Nach ein paar Versuchen wird klar, dass eine erstmalige Registrierung mittels PIN nie stattgefunden hat. Dieser muss daher irgendwo in Cecils Unterlagen schlummern. Eine Anfrage an die Familie geht raus. Wer auch immer den entsprechenden Ordner gelagert hat, möge bitte nach dem PIN suchen. Jetzt heißt es Daumen drücken . Hoffentlich taucht das entsprechende Schriftstück auf.
Für Sarah bleibt nur Option B: der Termin bei der deutschen Honorarkonsulin in Perth. Mit etwas Glück kann sie die Online-Funktion ihres Persos dort nachträglich freischalten lassen. Wenn nicht bleibt die Möglichkeit eines schriftlichen Antrags, der dann von der Konsulin beglaubigt wird. Da es auch bei Cecil noch unsicher ist, füllen wir beide einen solchen Antrag aus.
Zwar vergehen nur Minuten seit Cecil die Familie nach dem nötigen PIN gefragt hat, doch es kommt uns vor wie eine Ewigkeit. Dann endlich eine Nachricht. Sarahs Papa Gerd hat den entsprechenden Brief gefunden. Allerdings ist der Zahlencode nicht zu entziffern. Die Lagerung scheint der anfälligen Folie arg zugesetzt zu haben. Es ist eine Achterbahn der Gefühle. Nur der PUK ist noch zu erkennen. Der wird allerdings erst benötigt, wenn der PIN zu oft falsch eingegeben wurde. Offensichtlich muss auch Cecil den Weg über den schriftlichen Antrag wählen. Diesen wollen wir bei “Officeworks” ausdrucken lassen. Wir sitzen bereits im Auto, da erhält Cecil erneut eine Nachricht von Gerd. Einen Teil des Codes kann er anscheinend doch entschlüsseln. Wir geben Gerd noch ein wenig Zeit, auch wenn es schwer fällt, und machen uns ungeachtet auf den Weg zu “Officeworks”. So oder so muss der Antrag von Sarah ausgedruckt werden. Auf dem Parkplatz angekommen, ist es Gerd mit feinstem Fingerspitzengefühl gelungen die ersten drei sowie die letzte Zahl zu entziffern. Damit fehlt nur noch eine. Bei Eingabe des PINs hat man drei Versuche, bevor der Vorgang gesperrt wird. Mit Hilfe des PUKs jedoch kann man sich selbst ganze zehn Mal wieder entsperren. Bei nur einer fehlenden Ziffer können wir es daher wohl einfach auf gut Glück probieren. Bereits im zweiten Anlauf gelingt es. Cecil kann den Online-Antrag starten.
Da das Netz auf dem Parkplatz zu schlecht ist, wechseln wir in den Laden. Zwischen den neuesten Notebooks und Handys gibt Cecil sein Bestes die Bürokratie schnellstmöglich hinter sich zu bringen. Allerdings zickt die Verbindung auch hier ziemlich rum. Schon kurz davor abzubrechen, entdecken wir unvermittelt ein Schild: “Free WiFi in Store”. Die Rettung scheint nah.
Nachdem sich auch das Wlan bei den ersten Verbindungsversuchen quer gestellt hat, gelingt es schließlich den Antrag abzusenden. Für eine Verwendung des deutschen Führungszeugnisses in Australien wird eine zusätzliche Gebühr für die Apostille/Beglaubigung fällig. Die Kosten dafür werden nicht ausgewiesen und erst im Nachhinein gesondert berechnet. Egal, Augen zu und durch. Bei der abschließenden Bezahlung kommt es zu einem Problem. Es wird ein Sicherheitscode aus der DKB-App benötigt. Da der Login per Fingerabdruck nicht funktioniert, muss Cecil seine Zugangsdaten zunächst heraussuchen. Nach erfolgreichem Login ist allerdings kein Sicherheitscode zu finden.
Nachdem der Vorgang abgebrochen wurde, wagt Cecil einen neuen Versuch. Die Logindaten hat er nach einer kurzen Auffrischung wieder auswendig drauf. Dieses Mal kann der die 13€ bezahlen. Das nächste Fenster im Browser öffnet sich. Wieder hat es wenig gute Neuigkeiten. Die Zahlung war zwar erfolgreich, doch konnte diese Information aus technischen Gründen nicht an den “Shop” weitergeleitet werden. Laut ihrer Website wartet das Bundesamt für Justiz daher weiterhin auf Zahlung. Kurz davor zu platzen, schafft es Cecil sich gerade so zusammenzureißen. Die gute Nachricht ist, es scheint im Grunde bei ihm online zu funktionieren. Die schlechte: es steht unweigerlich Schriftverkehr ins Haus, um die Situation zu klären und ein Führungszeugnis zu erhalten.
Vor Cecils Hintergrund ist die Einfachheit bei Sarahs Vorgang schon fast beneidenswert. Bei “Officeworks” lässt sie ihr ausgefülltes Dokument für 0,70$ ausdrucken. Damit geht sie morgen zu ihrem Termin bei der Honorarkonsulin in Perth, bezahlt den Preis, schickt den Brief ab und damit ist das Thema erledigt. Danach muss sie nur noch warten, bis das Zeugnis an die von ihr angegebene Adresse geschickt wird. Aber natürlich will auch das erst noch erledigt werden und der Postweg nach Deutschland kann dauern.
Wir versuchen diese Probleme beide für heute hinter uns zu lassen. Als nächstes steht Einkaufen auf der Liste. Neben Woolworths und Aldi legen wir außerdem einen Stop beim Reject-Shop ein. Unsere guten Vorsätze in den Wind geschossen, gibt es zwischendurch ein paar Reibereien zwischen uns beiden. Amtsangelegenheiten bringen wohl zwangsläufig das Schlimmste im Menschen zum Vorschein. Da hilft es offensichtlich auch nichts, dass wir uns in Fremantle befinden, wo dir an jeder Ecke der lockere Beach-Lifestyle entgegen schlägt. Dabei sollten wir Deutschen doch in Sachen Bürokratie ein etwas dickeres Fell haben. Wohl wieder nur ein Vorurteil.
Zurück im Haus legt Sarah mit ihrem Sport los. Offensichtlich noch nicht genug vom Stress des Tages, setzt sich Cecil weit anderen Qualen aus. Erneut widmet er sich dem Führungszeugnis. Offensichtlich wurde die Gebühr für die deutsche Ausführung von seinem Konto abgebucht, doch es gibt keinerlei Anzeichen darauf, dass der Vorgang abgeschlossen wurde und er tatsächlich mit dem Erhalt eines Zeugnisses rechnen kann. Trotzdem storniert er seinen Termin bei der Honorarkonsulin in Perth. Das wird sich bestimmt aufklären lassen. Nebenbei gilt es sich noch mit neuen Problemen bei der Untermiete der Wohnung herumzuschlagen. Völlig überraschend behaupten die zukünftigen Mieter, dass die Wohnung erhebliche Mängel bezüglich der Sauberkeit aufweise. Kann denn nicht einmal etwas glatt laufen?
Mit letzter Energie fangen wir an unser Abendessen zu kochen. Auf der Speisekarte stehen Blätterteigtaschen gefüllt mit Hackfleisch, Feta, Tomate und Spinat. Schnell wird klar, dass es wohl nicht nur für heute, sondern für etliche Abende ausreichen wird. Als sogar noch Teig übrig zu bleiben droht, füllen wir diesen kurzerhand mit Würstchen und Käse. Roseanna und Mitch waren unterdessen Sushi essen. Gegen halb 9 kommen sie wieder, da fangen wir gerade erst an zu essen. Irgendwie dauert heute alles länger als gedacht.
Dafür schmeckt es umso besser. Langsam können wir uns etwas entspannen. Morgen ist auch noch ein Tag. Bevor wir es erneut vergessen, fragen wir Rose nach dem Verbleib von Brisket. Das kleine Kätzchen vermuten wir mittlerweile in einem Tierheim. Doch offenbar kam alles ein wenig anders. Roseanna hat vor ihrer Abfahrt bei einigen Tierheimen angerufen und keines konnte Brisket aufnehmen. Am Ende haben sie das Tier bei den Camp-Hosts gelassen. Jemand anderes würde es dann mit in die Stadt nehmen. Sofort plagen uns Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen. Wir bezweifeln offen gesagt, dass die Camp-Hosts einer Katze viel Sympathie zeigen. In Australien ist das nur verständlich. Immerhin sind Katzen importierte Räuber, die der hiesigen Fauna arg zusetzen. Doch wir hoffen trotzdem, dass es Brisket gut geht.
Gegen 22 Uhr ist die Küche wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt und alle übrigen Blätterteigtaschen im Kühlschrank verstaut. Trotz der fortgeschrittenen Stunde zieht es Cecil noch nicht ins Bett. Die letzten Tage haben wir das Schreiben vom Tagebuch arg schleifen lassen. Das gilt es jetzt nachzuholen. Im australischen Fernsehen wird American Football gezeigt, doch nur selten lässt er sich ablenken. Gegen kurz nach Mitternacht ist alles wieder auf Stand. Zeit fürs Bett.
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