24.02., Mittwoch: Carnarvon Capricorn Holiday Park - Spontane Selbstheilung

Dafür, dass die Nacht verhältnismäßig kurz war, kommen wir erstaunlich gut aus dem Bett. Es ist 06:45 Uhr, als wir aus dem Zelt steigen. Sarah bringt ihr Workout direkt hinter sich. Derweil bereitet Cecil das Frühstück vor. Es ist zwar ein kleiner Fußmarsch bis zur Camperküche nötig, doch der ist es uns wert, wenn wir dadurch ein wenig Gas sparen können. Außerdem geht es mit Hilfe von Wasserkocher und Toaster deutlich schneller. Cecil vergeht allerdings der Appetit, als Sarah fragt, wo wir eine zweite Meinung bezüglich des Transfercase einholen wollen. Dieses Thema bereitet Cecil wirklich Bauchschmerzen.
 
 
Bei brütender Hitze packen wir das Zelt und alles weitere zusammen. In der Hoffnung auf eine kleine Abkühlung gehen wir vor der Abfahrt noch duschen. Allerdings wird das Wasser nicht kalt. Wir schwitzen danach daher fast mehr als zuvor. Unsere Klamotten wurden derweil im Auto aufgewärmt. Es scheint als gäbe es kein Entrinnen. Besser wir arrangieren uns so schnell es geht mit der Hitze. Pünktlich um 10 Uhr rollen wir vom Platz. 
In der Stadt klappern wir so gut wie jede Werkstatt ab. Bei Autopro könnten wir frühestens kommenden Freitag einen Termin bekommen. Repco dagegen hat frühestens in einer Woche freie Kapazitäten. Die letzte Werkstatt bietet keinen Service für Holden-Fahrzeuge an. Die Werkstatt von gestern hat sich noch immer nicht gemeldet und wir sind daher so schlau wie vorher. Dazu kommt die Unsicherheit, ob wir Koby wirklich weiter beschädigen, wenn wir im normalen 2WD-Modus fahren. In unserer Not entscheiden wir erneut die Werkstatt aufzusuchen, die auch gestern bereits unsere erste Wahl war, doch vor April keine Termine mehr frei hat. Trotzdem wirkte der Mechaniker kompetent und hilfsbereit. Vielleicht hat er wenigstens ein paar Minuten und kann Antworten auf unsere Fragen geben.
Tatsächlich finden wir Gehör und kurzerhand nimmt sich der nette Mann die Zeit uns alles zu erklären. Nachdem wir das Problem so detailliert wie möglich geschildert haben, holt er Stift und Papier. Auf dem Zettel skizziert er ein typischen Transfercase und geht auf die Stellen ein, an denen am häufigsten Probleme auftreten. Vieles davon sei reparabel ohne gleich das gesamte Teil auswechseln zu müssen. Er rät uns daher dringend, eine weitere Werkstatt aufzusuchen. Eine bei der sich der Mechaniker hinters Steuer setzt und sich ein eigenes Bild macht. Am Ende kann er uns sogar noch die Sorge nehmen, dass Koby im Zweiradantrieb beschädigt werden könnte. Selbst wenn es ein Problem mit der Kraftübertragung auf die Hinterachse geben sollte, ist es wahrscheinlich, dass Koby ohne zugeschalteten Allradantrieb ganz normal funktioniert. Wir fühlen uns beide anschließend viel besser. Selbst wenn das Transfercase schadhaft ist, bei der Werkstatt, die uns gleich ein neues Teil aufschwatzen wollte, lassen wir nichts machen. Dessen sind wir uns jetzt sicher. Bevor wir den möglichen Termin am Freitag bei Autopro nehmen, wollen wir es darauf ankommen lassen und testen kurzerhand einfach nochmal den Allradantrieb. Unser neuer Lieblingsmechaniker hat uns ein paar Tipps gegeben, worauf man dabei achten kann, um eventuelle Probleme selbst identifizieren zu können. 
Problemlos und innerhalb von sekundenbruchteilen schaltet das System um, nachdem Cecil den 4WD-Knopf gedrückt hat. Ohne zu murren wird die Kraft des Motors jetzt auf alle vier Räder übertragen. Der Schalthebel des Allradantriebs wippt leicht hin und her, doch er springt nicht mehr heraus. Vielleicht hat der Hebel das schon immer gemacht und es ist uns lediglich nie aufgefallen. Nach ein paar Metern auf Asphalt finden wir sogar eine Gravelroad. Selbst bei Geschwindigkeiten jenseits der 60 km/h und heftigen Bodenwellen funktioniert alles so wie es soll. Fast scheint es so, als hätten wir uns das alles nur eingebildet. Wir entscheiden daraufhin, uns zunächst keine weiteren Gedanken über eine Werkstatt zu machen. Koby hat sich offensichtlich selbst geheilt. 
Unsere Besuche beim Schrottplatz und im Spielzeugladen fallen dafür weniger erfolgreich aus. Wir bekommen weder einen neuen Schalter für das Fenster, noch einen Lenkdrachen. Hier im windigen Western Australien wäre das bestimmt der Hit. Doch es kommt noch besser. Als Cecil sein Portemonnaie aus dem Handschuhfach holt, fällt ihm auf, dass das Handbuch von Koby fehlt. Es dauert nur Sekunden, da dämmert es ihm. Die Dame von der Werkstatt hat es gebraucht, um Fahrzeugdaten nach Perth durchzugeben. Eigentlich wollten wir mit der Bande nie wieder etwas zu tun haben, aber wir brauchen natürlich die Unterlagen zurück.
Bei der Werkstatt angekommen, wird Cecil direkt erkannt, doch die Frau hinter dem Tresen hat noch immer keine Neuigkeiten zu dem Transfercase. Ein Glück wollen wir nur das Handbuch abholen. Allerdings willigt Cecil ein, als angeboten wird direkt nochmal in Perth anzurufen. Es wäre schon interessant zu wissen, was für ein Preis für das Teil aufgerufen wird. Allerdings scheint der Gesprächspartner am anderen Ende unter unglaublichem Stress zu stehen und beendet das Telefonat direkt wieder. Offensichtlich hat man in Perth ebenfalls kein großes Interesse an uns. Das alles wird immer kurioser. Cecil beschwichtigt, dass es wirklich kein Problem sei, dass wir noch immer in Ungewissheit gelassen werden und verlässt das kleine Büro. Hoffentlich ist diese unsägliche Verbindung damit beendet. 
 
Der Tag ist damit bereits halb rum. Es macht keinen Sinn mehr heute noch die Stadt zu verlassen. Vor allem nicht, wenn wir noch überhaupt keinen Plan haben, wohin die Reise anschließend geht. Wir buchen uns daher für eine weitere Nacht auf dem Caravan Park von gestern ein. Heute können wir eine “unpowered Site” buchen. Die ist zwar nur 3$ günstiger, dafür aber näher an der Küche und weiter weg von den lauten Zikaden. 
Obwohl es heute schon kühler ist als gestern, zieht es uns trotzdem zunächst in den Pool. Dort klären wir unser weiteres Vorgehen bezüglich der Auslandskrankenversicherung. Besonders schwer ist hierbei zu sagen für wie lange wir diese abschließen wollen. Wir haben noch immer kein neues Visum. Abgesehen davon müsste man auch nicht direkt von Australien zurück nach Deutschland. Bei der derzeitigen Corona-Situation dort, vergeht einem wirklich die Lust darauf. Am Ende finden wir eine Lösung, die uns eine gewisse Flexibilität lässt und trotzdem ohne großartige Mehrkosten zu realisieren ist. 
 
 
 
Obwohl es Koby wieder gut geht, wir die Sache mit der Versicherung klären konnten und wir wieder zu neuen Abenteuern aufbrechen können, hat Cecil weiterhin schlechte Laune. So richtig weiß er selbst nicht warum. Es dauert allerdings nicht lange, bis er einen Grund geliefert bekommt. Dieser kommt in Form einer Email der australischen Einwanderungsbehörde. In dieser wird verlangt, dass Cecil eine Übersetzung des deutschen Führungszeugnisses nachreicht. Dafür wird ihm eine Frist von sieben Tagen gesetzt. Das ist gelinde gesagt eine Frechheit. Im Führungszeugnis sind keine Einträge vermerkt und alle Angaben sind bereits in drei Sprachen angegeben. Deutsch, Englisch und Französisch. Während sich Cecil nach dieser Nachricht zunächst wieder seiner Depression hingibt, beginnt Sarah direkt zu recherchieren. Eine Übersetzung ist wohl bereits ab 25€ zu bekommen. Trotzdem überlegt Cecil zunächst bei der Behörde nachzuhaken. Etwa zwanzig Minuten nach Cecils Email bekommt Sarah ebenfalls eine Nachricht der Einwanderungsbehörde. Ihr Antrag wurde genehmigt. Sie ist völlig baff und weiß vor allem nicht, wie sie es Cecil sagen soll. Wir haben beide die gleichen Dokumente eingereicht, doch ihr Antrag ist jetzt ohne weitere Anforderungen durchgegangen. Um etwas Zeit zu schinden, geht Sarah zunächst auf die Toilette. Als sie wiederkommt, wirkt Cecil etwas gefasster. Er ist bereits dabei seinerseits eine Email zu verfassen, in der er um Aufklärung bittet, warum er eine Übersetzung eines bereits übersetzten Dokuments einreichen muss. In diesem Moment teilt ihm Sarah ihre guten Nachrichten mit. Das bringt das Fass erneut zum Überlaufen. Cecil versinkt nach einer kurzen Phase der Aufregung wieder in Gedanken. 
Wohlwissend, dass sie erstmal nichts machen kann, beginnt Sarah damit Stichpunkte zu schreiben. In diesem Zusammenhang kann vermeldet werden, dass die Tastatur das gestrige Bad im Weißwein gut überstanden hat. Nachdem sie fertig ist, starrt Cecil noch immer mit leerem Blick in das Nichts. Sarah geht nochmal in den Pool. Zu ihrer Erleichterung ist etwas Leben in ihren Verlobten zurückgekehrt, als sie zurückkommt. Der hat das Telefon am Ohr und telefoniert mit der Einwanderungsbehörde. Oder besser einem Callcenter in Indien. Die Kollegen dort sind leider gar nicht zu verstehen. Erst beim dritten Versuch hat Cecil jemanden am anderen Ende, den er halbwegs versteht. Die Frau rät ihm ein Dokument in seinem Immi-Account hochzuladen, in dem er um eine Klärung bittet. Gesagt, getan. Parallel nimmt er Kontakt zu Übersetzern auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich alles in Wohlgefallen auflöst, ist eher gering. 
In der Hoffnung die Stimmung ein wenig heben zu können, stoßen wir auf Sarahs Visum an. Es wird natürlich keine überschwängliche Feier, doch wir schaffen es in die Zukunft zu schauen. Trotz der neu aufgetretenen Herausforderungen entscheiden wir morgen aufzubrechen. Wir wollen die Coral Coast ein Stück nördlich von Carnarvon erkunden. Spätestens Sonntag wollen wir zurück sein, dann bleibt noch genug Zeit, uns um Visum und Krankenversicherung zu kümmern. 
Ein weiteres Mal zieht es uns daraufhin in den Pool. Noch bevor wir einen Zeh im Wasser haben, werden wir von einem älteren Paar in ein Gespräch verwickelt. Ausnahmsweise enießen wir die Konversation und die daraus resultierende Ablenkung. Kurz darauf gesellen sich noch die Dame vom Check-In und ihr Mann dazu. Das wird uns dann doch bald zu bunt und wir entschuldigen uns. Für uns ist es sowieso langsam an der Zeit etwas zu essen. Es gibt erneut Wraps. Das Hähnchen können wir in der Mikrowelle aufwärmen, die Wraps sind auch so warm genug. In Koby herrschen teilweise Temperaturen wie in einem Brutkasten. 
 
 
Nachdem der Abwasch erledigt und das Zelt aufgebaut ist, beschäftigt sich Cecil am Handy. Sarah dagegen ist direkt wieder produktiv und sucht Bilder für ein Geburtstagsgeschenk für Cecils Mutter und einer neuen Postkarte heraus. Gegen 20 Uhr steigt Cecil mit ein. Erst werden Stichpunkte geschrieben und dann Tagebuch. Der 24.01. wird direkt Korrektur gelesen und gepostet sobald Cecil damit fertig ist. Anschließend, es ist bereits elf Uhr, geht Sarah ins Zelt. Cecil dagegen bleibt noch draußen. Um kurz vor Mitternacht ist auch der 25.01. seinerseits bereit gepostet zu werden. 
Anschließend ist es auch für ihn Zeit ins Bett zu gehen. Ein ziemlich ereignisreicher Tag geht damit zu Ende. Es gab Höhen und Tiefen, doch am Ende leben wir weiterhin den Traum. Was auch immer uns für Steine in den Weg gelegt werden, gemeinsam nehmen wir jede Hürde. Morgen geht es mit neuer Kraft auf in neue Abenteuer!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

02.08., Montag: Über den Wolken - Es geht zurück nach Berlin

14.08., Freitag: Leliyn Campground (Edith Falls) – 99% krokodilfrei = Good Enough

14.07., Dienstag: Bedford Weir Camping Area - Die “Empty”-Marke