08.01., Freitag: Warren River Bushcamp - Wipfelstürmer
Gegen halb 7 hält sich unsere Lust aufzustehen noch stark in Grenzen. Eine halbe Stunde später wird es allerdings so dermaßen heiß im Zelt, dass uns gar nichts anderes übrig bleibt. Während Sarah Sport macht, räumt Cecil ein wenig auf. Die restliche Zeit vertreibt er sich damit ein Kapitel seines Buches zu lesen. Unsere Nachbarn mit dem Apollo-Camper rollen schon früh vom Hof. Aus den Vans direkt neben uns ist noch kein Lebenszeichen zu hören. In den Kisten muss es doch sicher auch schon heiß werden. Wie die das noch da drinnen aushalten, ist uns ein Rätsel.
Unser Frühstück wird heute mit einer Banane abgerundet. Oder besser gesagt mit Nutino auf einer Banane. Eine einfach unwiderstehliche Kombination. Vor der Abfahrt bereitet uns das Zelt eine unangenehme Zeit. Trotz des gestern frisch aufgetragenen Silikonöls will der Reißverschluss an einigen Stellen erst nach mehreren Anläufen schließen. Als hätten wir damit nicht bereits genug zu tun, knallt währenddessen gnadenlos die Sonne auf uns hinab. Eine unglaubliche Hitze, die auch unsere Gemüter ein wenig zum Überkochen bringt. Allerdings schaffen wir es unsere Wut auf die Plane zu lenken und nicht an uns auszulassen.
Der Beedelup NP befindet sich wenige Kilometer vor Pemberton. Eher zufällig haben wir diesen Park bei der Recherche nach Campingplätzen bei Campermate entdeckt. Nach unserer Ankunft besichtigen wir als erstes die Beedelup Falls. Zwar fließt ein wenig Wasser, doch so richtig überzeugen kann uns das kleine Rinnsal nicht.
Da ist der "Walk Through Tree" schon unterhaltsamer. Über einen 1,2km langen Wanderweg, der streckenweise erstaunlich steil bergauf führt, erreicht man diesen Baum. Ein 75 Meter hoher Karri Eukalyptus, in dem sich in Bodennähe ein Loch gebildet hat. Über eine kleine Leiter erreicht man das Innere und kann durch den Baum hindurchlaufen. Das ist mal etwas anderes. Den Rückweg bestreiten wir entlang des Ufers vom Lake Beedelup. Alles in allem ein schöner Rundwanderweg. Wäre die Hitze nur nicht so enorm und die Luft im Wald so drückend. Immerhin spenden die Bäume noch ein wenig Schatten.
Wenig später erreichen wir den kleinen Ort Pemberton. Sicherheitshalber tanken wir hier auf, bevor es weitergeht. Auch unsere Körper verlangen nach neuer Energie und wir lassen uns zu einer Portion Pommes hinreißen, die wir in einem kleinen Diner besorgen. Leider sind die viel zu dick geschnitten und es fehlt, wie eigentlich immer, an Salz. Es scheint nicht so einfach eine gute Portion Pommes zu bekommen. Immerhin haben wir für diese nur 5$ bezahlt.
Wenn man schon einmal in Pemberton ist, sollte man unbedingt den Gloucester Tree anfahren. Dabei handelt es sich um einen stattlichen Eukalyptus, auf dessen Spitze ein Ausguck errichtet wurde. Bis vor wenigen Jahren wurde er dazu genutzt nach Buschfeuern Ausschau zu halten. Heute ist es eine Touristen-Attraktion, die auch uns durchaus reizt. Denn man kann noch immer hinaufklettern.
Noch auf dem Boden fragen wir uns, ob wir den Aufstieg wirklich wagen. Es führt keine Treppe hinauf oder gar ein Aufzug. Auch keine Strickleiter oder ähnliches. Lediglich Eisenstangen, die tief in den Stamm gebohrt wurden und sich in einer Spirale um den Baum winden. Bis auf einen groben Maschendrahtzaun an der Seite gibt es keinerlei Sicherheitsvorkehrungen. Zwischen den Sprossen ist der Weg nach unten frei. Noch dazu gibt es lediglich ein Schild mit wenigen Sicherheitshinweisen. Keiner beaufsichtigt oder reguliert das Geschehen.
Wir nehmen all unseren Mut zusammen und beginnen zu klettern. Auf den ersten Metern hat Sarah noch ordentlich muffensausen. Doch irgendwann schaltet wohl der Körper in den Überlebensmodus. Einfach weiterklettern. Sprosse um Sprosse. Und bloß nicht heruntergucken. Die Stangen sind lediglich 2 cm dick. Manche wippen bedrohlich unter dem eigenen Gewicht. Der volle Fokus liegt auf dem nächsten Schritt oder dem Greifen nach der nächsten Stange. Mit jedem Meter, den wir höher steigen, steigt auch der Adrenalinspiegel.
Kurz bevor wir die vermeintlich rettende Plattform erreichen, kommt uns plötzlich eine Familie von oben entgegen. Sarah ist zunächst völlig entsetzt und verlangt zu wissen, warum sie nicht noch ein paar Minuten hätten warten können, bis wir oben sind. Doch wahrscheinlich haben sie uns schlicht nicht gesehen. Ohne zu viel darüber nachzudenken, ob die Stangen auch mehr als eine Person tragen können, quetschen wir uns an allen vorbei weiter nach oben. Noch ein paar normale Leitern gilt es zu erklimmen, dann stehen wir ganz oben. 53 Meter über dem Boden und mit ordentlich Puls.
Die Aussicht, die einen oben erwartet, ist leider ziemlich enttäuschend. Fast auf allen Seiten wird der Blick von Ästen versperrt. Lediglich ein Dünenfeld können wir in der Ferne erkennen. Dort wollen wir als nächstes hin. Das heißt, wenn wir es unbeschadet auch wieder hier runter schaffen.
Sicher wird das nochmal eine ganz andere Herausforderung. Immerhin muss man jetzt gezwungenermaßen in den Abgrund gucken, um den nächsten Schritt zu platzieren. Abrutschen möchte man sicher nicht. Die Hände sind unweigerlich schwitzig, da ist es umso wichtiger einen sicheren Stand zu haben. Wird schon gutgehen.
Wie erwartet, ist der Abstieg nicht weniger anstrengend als der Weg hinauf. Es wird einem schon leicht mulmig, ständig in die Tiefe zu schauen, die unter einem liegt. Die Stangen sind bis zu einem halben Meter voneinander entfernt. Ohne Probleme könnte man dazwischen hindurchrutschen. Die mentale Herausforderung immer den Fokus zu behalten, überwiegt fast die körperliche Anstrengung. Unbeschadet schaffen wir es wieder festen Boden unter unsere Füße zu bekommen. Das war deutlich aufregender, als wir gedacht hätten. Ein bisschen verrückt vielleicht, aber das ist ja irgendwie unser Ding.
Unterwegs zu den Yeagerup Sanddünen entscheiden wir die Erkundung derselbigen auf morgen zu verschieben. Die Temperatur liegt heute bei 37 Grad im Schatten. Jetzt über ein paar Dünen zu wandern wäre sicher kein Vergnügen. Morgen sollen es noch immer 32 Grad sein, aber immerhin ein bisschen kühler. Wir biegen daher von der Gravelroad, die zu den Dünen führt, auf einen kleinen Feldweg ab. Laut Wiki-Camps befindet sich an diesem Weg ein Platz am Fluss, auf dem man kostenlos kampieren kann.
Wenig später erreichen wir diesen Platz. Leider handelt es sich nur um eine sehr kleine Fläche abseits der Piste und dort ist bereits alles belegt. Die Straße führt zu einer Seite durch den Fluss. Eventuell gibt es am anderen Ufer noch mehr Stellplätze. Cecil entscheidet jedoch gegen eine Durchquerung. Der Fluss an sich sieht machbar aus. Problematisch sind dagegen die Böschungen auf beiden Seiten, die extrem Steil sind und mit großen Steinen durchzogen. Wir lassen Koby daher zunächst stehen und machen uns zu Fuß auf die Suche. Vielleicht findet sich noch irgendwo ein kleines Plätzchen, welches uns für die Nacht ausreicht.
Tatsächlich finden wir genau das. Eine bewachsen aber baumlose Fläche, gerade groß genug für ein Auto. Die Leiter vom Zelt steht sicher ein wenig in der Botanik, wenn wir es ausklappen, doch für eine Nacht wird es gehen. Eine Alternative gibt es nicht. Nicht im Umkreis von 50 km. Ohnehin schon etwas platt von den heutigen Abenteuern und der Hitze, fügen wir uns unserem Schicksal und quetschen uns mit Koby in die enge Schneise.
Wollen doch mal sehen, ob der Fluss für eine dringend nötige Abkühlung sorgen kann.
Das Wasser ist ziemlich flach, doch wir bekommen die ersehnte Abkühlung. Für ein paar Minuten sind wir ungestört, genießen das kühle Nass und die Stille. Dann kommt eine große Truppe, die wohl zu den Autos oben auf dem Platz gehört. Wir sehen lieber zu, dass wir wegkommen. Vielleicht versuchen wir es später noch einmal. Durch das Blätterdach kommt nur gelegentlich ein wenig Sonnenlicht hindurch. Wir bauen das Solarpanel auf, doch viel wird es wohl nicht helfen. Es steht anscheinend der erste Test für die Batterie und den neuen Kühlschrank an. Aktuell zeigt das Display der Batterie noch satte 14,8V. Mal sehen was morgen auf der Anzeige steht und wie weit wir die Batterie anschließend nur mit Solarkraft wieder geladen bekommen.
Koby haben wir rückwärts in die Schneise eingeparkt. Wir sitzen hinten am Kofferraum. Zunächst bemerken wir das Auto, welches vor Koby zum Stehen gekommen ist, daher nicht. Eher zufällig wirft Cecil einen Blick auf die Straße. Ein paar Männer sind ausgestiegen. Der Kleidung nach handelt es sich um Ranger. Wir haben uns schon gefragt, ob wir hier legal stehen oder uns im Gebiet des nahen Nationalparks befinden. Hoffentlich gibt es keinen Ärger.
Die Situation ist allerdings schnell entschärft. Wir werden gefragt, ob wir hier in irgendeiner Art Angeln oder Fischen. Wir verneinen das wahrheitsgemäß und damit hat sich die Sache auch schon erledigt. Die Beamten der örtlichen Fischerei-Behörde scheinen uns zu glauben. Cecil nutzt die Gelegenheit und fragt, ob wir hier legal campen. Die Männer sehen keine Probleme. Solange wir keinen Müll hinterlassen oder sonstigen Schaden anrichten, sollte das in Ordnung gehen. Sehr sicher scheinen sie sich auch nicht, doch uns ist das Bestätigung genug.
Bei einem kleinen Snack zum Mittag, gibt Cecils Stuhl ein besorgniserregende Geräusch von sich. Es knackt einmal deutlich hörbar unter ihm. Ein kompletter Zusammenbruch bleibt aus, doch ein wichtiger Bolzen ist gebrochen. Umgehend macht sich Cecil an die Reparatur. Alle vorhanden Schrauben sind entweder zu kurz oder zu dick. Gegen letzteres können wir jedoch Abhilfe schaffen. Das Problem kennen wir bereits von der Montage des Solarpanels auf dem Dach. Mit einem Schraubenzieher haben wir damals die Bohrungen einiger Lochplatten aufgeweitet. Das klappt bei den Alustangen des Klappstuhl mit ein wenig Mühe genauso. Kurz darauf sitzen Schraube und Mutter. Der Stuhl wirkt stabiler denn je. Ein weiterer Eintrag in Cecils Vita als Busch-Mechaniker.
Am frühen Abend nimmt Cecil das Tablet zur Hand und beginnt mit dem Tagebuch. Sarah startet derweil ihr nächstes großes Strick-Projekt. Sie wagt sich an ein Sommerkleid. Das gestaltet sich von Anfang an als sehr kompliziert. Das verlangte Muster und die Nadeln bringen sie teils an den Rand der Verzweiflung. Am Ende sind dennoch die ersten 2 Reihen geschafft. Das wird sie noch eine Weile beschäftigen.
Die Sonne geht langsam unter und endlich wird es etwas kühler hier im Wald. Wir nutzen die Gelegenheit und bauen das Zelt auf. Mit der Leiter passt es tatsächlich gerade so. Im Hintergrund läuft die Musikbox und die Zufallswiedergabe sorgt heute für einen Hit nach dem nächsten. Es dauert nicht lange, da lassen wir uns mitreißen und singen das ein oder andere Lied lauthals mit. Die Nachbarn sind weit genug entfernt und haben noch dazu dauerhaft einen Generator laufen. Da ist es uns durchaus erlaubt auch ein wenig lauter zu sein.
Nach dem Abendessen klappt Cecil das Tagebuch zu und Sarah legt die Nadeln beiseite. Für ein paar Minuten sitzen wir einfach da und lauschen dem Gelächter der Kookaburras. Oben im Zelt schauen wir das Staffel-Finale von Designated Survivor. Danach heißt es Licht aus. Um der größten Hitze zu entgehen, wollen wir morgen zu etwas früherer Stunde aus den Federn. In diesem Sinne: gute Nacht.
Auch nach 2,5 Jahren immer noch/wieder wunderbar zu lesen und zu bestauen, was ihr erlebt habt.
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