20.11., Freitag: Burswood Lodge Apartments - Bad timing

Lange bevor der Wecker klingelt werden wir wach. Unsere innere Uhr scheint gehörig aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Dazu scheint die Sonne durch den nur halb zugezogenen Lamellenvorhang. 
 
Die Kids sind auch noch völlig fertig...

So früh am Morgen haben wir noch keine große Lust zu frühstücken und zappen daher ein wenig durch die Programme des australischen Fernsehens. Fast überall werden Nachrichten gezeigt. Natürlich ist die Lage in South Australia das Fokusthema. Es werden Aufnahmen von gespenstisch leeren Straßen in Adelaide gezeigt - Lockdown. Hier könnte man unter anderen Umständen jetzt sicher gut einen postapokalyptischen Film drehen. Wir schalten den Kasten lieber wieder aus. Aber erstmal scheint es, als hätten wir die richtige Entscheidung getroffen.
In der Küche stehen uns Wasserkocher und Toaster zur Verfügung. Alles geht daher um ein Vielfaches schneller als wir es aus unserer Camperküche gewohnt sind. Während wir essen erzählt Cecil von einer schlechten Nachricht, die er von unserem Untermieter erhalten hat. Anstatt den Untermietvertrag zu verlängern, will Lorenzo plötzlich bereits im Dezember ausziehen. Eine komplette Kehrtwende quasi über Nacht. Sein Arbeitsvertrag in Berlin wird wider erwarten nicht verlängert und er zieht zurück nach Italien. Immerhin bietet er uns erneut an, sich um die Suche nach geeigneten Nachmietern zu kümmern. Vor dem Hintergrund unserer möglichen Verlängerung unserer Visa bleibt uns wohl erneut nichts anderes übrig als dieses Angebot anzunehmen. Cecil hat Lorenzo zunächst vertröstet und wir müssen diese Nachricht erst noch sacken lassen. In jedem Fall hat uns das Thema den Appetit verdorben. Macht allerdings nicht viel aus, da wir so oder so jetzt los müssen. Der erste Covid-Test steht an.

Im Auto müssen wir feststellen, dass sich der Riss in der Scheibe ausgebreitet hat. Die notdürftige Reparatur des Steinschlags hat dementsprechend nichts gebracht. Unsere Laune hebt das keinesfalls an. Auf dem Weg zum “Royal Perth Hospital” geht es über teils fünfspurige Autobahnen durch dichten Verkehr. Damit fängt der Spaß jedoch nur an. Am Krankenhaus angekommen scheinen die dortigen Parkplätze dem Personal vorbehalten zu sein. Mit Koby passen wir jedoch in keines der umliegenden Parkhäuser, da er mit dem Dachzelt schlicht zu hoch ist. Erfolglos kreisen wir einmal über den offenen Parkplatz der Feuerwehrstation nebenan. Jetzt haben wir nur noch eine Chance. Hinter dem Krankenhaus haben wir im Vorbeifahren einen zweiten, nicht überdachten, Parkplatz gesehen. Hoffentlich ist dort noch etwas frei. Bereits an der ersten Ampel stehen wir jedoch vor einem völlig ungeahnten Problem. Wir dürfen nicht wie geplant nach rechts abbiegen. Damit startet eine wahre Odyssee durch das Straßengewirr in der Innenstadt von Perth. Bald fragen wir uns nicht mehr, ob noch etwas frei ist auf dem Parkplatz, sondern ob wir diesen jemals erreichen werden. Nach einer gut 30 minütigen Irrfahrt erreichen wir endlich unser Ziel. Am Ticketautomaten muss im Voraus gezahlt werden. Wir ziehen einen Parkschein für zwei Stunden. Ohne Vorstellung wie lange der Test dauert und was passiert, wenn wir die Parkdauer überziehen, machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum Krankenhaus.
Die Klinik erreichen wir nach nur wenigen Gehminuten. Trotzdem empfanden wir den Weg als unangenehm. Das Tragen der Maske ist extrem ungewohnt. Es ist warm und man wird hier und da mit leicht verachtendem Blick angestarrt. In der Schlange vor dem Krankenhaus fallen wir unter den anderen Wartenden zum Glück nicht mehr auf. Eine Mitarbeiterin läuft umher und nimmt von allen die persönlichen Daten auf und stellt kurze Fragen zu Einreise und eventuell aufgetretenen Symptomen. Wir fragen nach ihrer Einschätzung bezüglich der Wartezeit. Mit 1-1 ½ Stunden sollten wir rechnen. Das würde mit unserem Parkticket gerade so hinhauen.
Ursprünglich hatten wir geplant die Wartezeit zu nutzen und unsere Mahlzeiten für die kommenden Wochen zu planen. Allerdings können wir uns nicht wirklich auf dieses Thema konzentrieren. Die Situation ist einfach zu ungewohnt. Dazu wird es langsam knuffig unter der Sonne und Sarah müsste dringend Mal. Kurzum sind die Gegebenheiten nicht ideal. Wir verbringen daher einen Großteil der Wartezeit damit das Geschehen zu beobachten oder unseren eigenen Gedanken nachzuhängen. Vom Rasenplatz vor dem Gebäude verläuft die Schlange über einen Fußweg und verschwindet anschließend in einer Art Tunnel. Nach gut einer Stunde stehen wir vor eben diesem. Am Ende wartet ein weiterer Mitarbeiter, der nach und nach die wartenden “Patienten” hinein lässt. Dahinter vermuten wir die Räume, in denen man getestet wird. Als wir kurz darauf durch die Tür geleitet werden, finden wir uns jedoch in einem Warteraum wieder. Eine Stunde ist vergangen und wir befinden uns jetzt erst im offiziellen Wartebereich. Langsam werden wir doch ein wenig nervös bezüglich des Parkscheins.
Wir sind kurz davor einem Mitarbeiter Bescheid zu geben, damit einer von uns los kann, um etwas mehr Geld in den Automaten zu werfen, als wir in den nächsten Raum gebeten werden. Bei einem Mitarbeiter hinter einem Computer müssen wir unsere Pässe vorlegen sowie Fragen zu unserem Beziehungsstatus und Ähnliches beantworten. Sogar die Frage nach unserer Religion wird gestellt. Wozu auch immer das gut sein mag. Doch erst die Frage nach unserer Krankenversicherung lockt uns schlussendlich aus der Reserve. Da der Test kostenlos ist, sind wir davon ausgegangen unsere Versicherung bliebe bei der Sache außen vor. Wahrscheinlich wird sie aber relevant, wenn wir positiv getestet werden. Da wir die entsprechenden Unterlagen online gespeichert haben, müssen wir zunächst unsere Handys aus dem Flugmodus holen und auf Netz warten. Etwas erschrocken stellen wir fest, dass wir von der G2G Now App aufgefordert wurden uns einzuchecken. Den ersten Aufruf haben wir bereits verpasst und wir müssen eine Erklärung schreiben, warum wir nicht reagiert haben. Der junge Mann uns gegenüber hält uns derweil mit Smalltalk auf Trab. Wo wir schon waren, will er wissen. Wo es demnächst hingeht und wo wir es bisher am schönsten fanden. Wir können uns jedoch kaum auf seine Fragen konzentrieren. Zu hoch ist die Anspannung. Das letzte was wir brauchen, sind Probleme mit der Polizei direkt an Tag zwei unserer Quarantäne. Plötzlich klingelt Sarahs Handy. Die Polizei ist am anderen Ende und möchte wissen, wo sie sich befindet. Sie erklärt die Situation und der Polizist scheint damit nicht erfreut, aber ausreichend zufrieden gestellt zu sein. Wir können uns ein wenig entspannen.
Während weitere Daten von uns im Computer landen, fragen wir nach, wie genau hier in Perth auf einen gültigen Parkschein geachtet wird. Der Mitarbeiter rät uns lieber noch ein paar Dollar nachzuzahlen. Besonders im Zentrum würde peinlich genau kontrolliert werden. Da Sarahs Datenaufnahme bereits abgeschlossen ist, macht sie sich auf den Weg. Unser Ticket ist bereits 10 min abgelaufen. Sie fragt schnell den einen Arzt, ob es eine Abkürzung über das Gelände zur anderen Straßen gebe. Er zeigt ihr den Weg, dann flitzt sie los.
An der Parkuhr angelangt wirft sie hastig etwas Geld nach. Während sie Koby aufschließt, um das Ticket aufs Armaturenbrett zu legen, bekommt sie erneut einen Anruf. Es ist wieder die Polizei und dieses Mal wollen sie Cecil sprechen. Erst ist der Polizist etwas verwirrt über die Telefonnummersituation. Sie steht an der Ampel und versucht dem Polizisten zu erklären, warum Cecil gerade nicht ans Telefon gehen kann. Der Polizist gibt ihr fünf Minuten. Danach wäre es besser, wenn Cecil erreichbar ist, wenn wir weitere Probleme vermeiden wollen. Sobald die Ampel auf grün geschaltet hat, startet Sarah einen Sprint zurück zur Klinik. Völlig atemlos erreicht sie das Wartezimmer und informiert Cecil. Sie ist den Tränen nahe. Der ganze Stress mit der Polizei ist einfach etwas zu viel.
Cecil wird von der App erneut zu einem “Check-In” aufgefordert. Anhand der Standort-Informationen seines Handys wird erkannt, dass er sich nicht an der angegeben Quarantäne-Adresse befindet. Erneut gibt er an, sich zwecks des Tests im Krankenhaus zu befinden. Fast schon glauben wir die Angelegenheit sei damit erledigt, doch kurz darauf klingelt erneut Sarahs Handy. Dieses Mal geht Cecil ran. Der Polizist weist darauf hin, dass wir zu jeder Zeit erreichbar sein müssen. Bei den ersten Versuchen wäre er direkt an die Mailbox weitergeleitet worden. Beinahe hätte er einen Streifenwagen zu unserer Adresse geschickt. Aktuell sieht er keinen weiteren Grund zur Sorge, doch einen weiteren Check-In sollten wir besser nicht verpassen. Das ist wohl gerade noch einmal gut gegangen.

Wenig später sitzen wir im Behandlungszimmer, in dem ein junger Arzt unsere Tests vornimmt. Mit einem Stäbchen wird ein Abstrich im Rachenbereich gemacht. Der folgende Abstrich in beiden Nasenlöchern ist schon ein wenig unangenehm, aber man überlebt es. Lediglich ein paar Tränen schießen einem unweigerlich in die Augen. Sollte der Test negativ ausfallen, werden wir darüber per SMS informiert. Bei einem positiven Befund erhalten wir einen Anruf. Wir bekommen noch ein paar Dokumente in die Hand gedrückt und dann war es das auch schon. Keine 10 Minuten hat der gesamte Vorgang beansprucht.

Der Rückweg verläuft problemlos. Bei einem kurzen Erkundungsgang heute morgen (also natürlich sind wir nicht spaziert, sondern haben einfach die zweite Treppe genommen), haben wir eine alternative Zufahrt auf den hinteren Parkplatz entdeckt. Der Weg zu unserem Apartment ist dadurch nur noch halb so lang. Das wird uns spätestens zu Gute kommen, wenn wir nach abgeschlossener Quarantäne wieder alles einpacken müssen. Wir schnappen uns noch ein paar Sachen aus dem Auto und beenden damit unseren “Freigang”. Um ehrlich zu sein, sind wir froh, als hinter uns die Tür vom Apartment ins Schloss fällt. Hier kann uns hoffentlich nicht so viel passieren, wie heute Vormittag.

Jetzt können wir Koby auch vom Balkon sehen.

Damit wir unsere Quarantäne auch wirklich genießen können, brauchen wir dringend mehr Datenvolumen. Bei Woolworths gibt es eine SIM-Karte, die man online mit einem gewünschten Tarif aktivieren kann. Bei dem Anbieter gibt es sogar aktuell günstige Weihnachtsangebote, sodass wir nicht lange überlegen müssen. Wir brauchen diese SIM-Karte, d.h. wir sollten noch heute bestellen. Somit verbringen wir den frühen Nachmittag damit einen Essensplan aufzustellen und die nötigen Zutaten bei Woolworths online inklusiver der SIM-Karte zu bestellen. Recht früh stellen wir fest, dass es uns absolut nicht liegt Lebensmittel im Internet zu kaufen. Es fehlt die Möglichkeit zu vergleichen und oft ist es unnötig kompliziert, ein bestimmtes Produkt zu finden. Außerdem haben wir das Gefühl das hier und da die Preise etwas höher sind.
Neben Lebensmitteln bestellen wir zudem noch etwas beim Spirituosengeschäft unseres Vertrauens. Hier ist es weniger der Bestellvorgang, der uns fast zur Verzweiflung treibt, als der Bezahlvorgang. Cecil versucht zunächst alles mit Paypal zu bezahlen. Dafür wird jedoch von Paypal eine 2-Faktor-Authentifizierung verlangt. Eine entsprechende SMS könnte an Cecils deutsche Mobilfunknummer gesendet werden. Damit fällt Paypal also weg. Ein anschließender Versuch alles per Kreditkarte zu zahlen gelingt ebenfalls nicht. Angeblich wurde die Zahlung seitens der DKB blockiert. Bei Sarah tritt in beiden Fällen dasselbe Problem auf. Nach einem ewigen Hin und her und etlichen Versuchen legt Sarah kurzerhand einen australischen Paypal-Account an und damit klappt die Bezahlung schließlich.

Danach brauchen wir beide dringend eine mentale Pause. Sarah macht zu diesem Zweck Sport, während sich Cecil den Abwasch vornimmt. Am Abend widmet sich Sarah dann etwas schönem. Sie möchte bei Decathlon neue Wanderschuhe bestellen. Die haben Filialen zwar nur in Victoria und NSW, liefern jedoch auf dem ganzen Kontinent. Und wenn man schon einmal dabei ist, schadet es ja nicht sich auch mal die sonstige Produktpalette anzuschauen ;)
Cecil macht sich derweil daran einen “Invitation letter” zu verfassen. Roseanna hat sich bereit erklärt, uns einen solchen auszustellen, doch uns gebeten ihn zuvor zu verfassen. Ein solcher Brief kann uns bei unserer Bewerbung um ein Touristenvisum behilflich sein. Allerdings gestaltet sich die Sache deutlich komplizierter als gedacht. Das wird mittlerweile irgendwie zum Standard. Den bereits verfassten formlosen Brief kann Cecil direkt in den Papierkorb schieben. Der Brief muss unter anderem Adressen und Geburtsdaten aller genannten Personen enthalten. Zudem unsere Passnummern und den von Roseanna ausgeübten Beruf. Doch am Ende ist ein entsprechendes Dokument verfasst und an Roseanna geschickt. Morgen erhalten wir ein unterschriebenes Exemplar zurück, welches wir an unsere Bewerbungen anhängen können.

Nachdem wir den Rest Pizza von gestern gegessen haben, ist die Luft raus. Gegen halb 10 geht Sarah ins Bett. Cecil schafft es auch nur noch die Stichpunkte von heute zu notieren. Um kurz nach 10 geht das Licht aus und damit ein nervenaufreibender Tag zu Ende.

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