17.09., Donnerstag: Buschcamp am Corroborree Rock - Scherben bringen Glück
Ein kurze Warnung vorweg: Zu viel gute Laune und großartige Abenteuer können heute nicht erwartet werden. Die ganze Welt scheint sich an diesem Tag gegen uns verschworen zu haben.
Die erste unerfreuliche Begegnung wartet bereits am frühen Morgen auf uns. Cecil ist gerade dabei den Tisch aufzuklappen, da entdeckt er eine große Spinne an der Unterseite. Die Versuche sie mit einem Stock zu verjagen, scheitern zunächst kläglich. Nachdem es endlich geglückt ist, flüchtet sich der Achtbeiner in den hinteren rechten Radkasten von Koby. Schauen wir mal, wann wir sie das nächste Mal zu Gesicht bekommen :/ Während Sarah Sport macht, liest Cecil am Tablet. Den Radkasten hat er dabei immer im Augenwinkel.
Beim anschließenden Frühstück sorgt der heftige Wind dafür, dass es fast eine halbe Stunde dauert, bis unser Wasser für Tee und Kaffee aufkocht. Die fast leere Gaskartusche macht es natürlich nicht gerade besser.
Beim Abwasch werden leichtere Gegenstände wie die Teller, Becher und Schalen immer wieder vom Tisch gepustet. Natürlich nachdem sie bereits abgespült waren. Die ganze Aktion zieht sich daher und ist unnötig nervig.
Fast schon nicht mehr erwähnenswert, aber trotzdem noch immer belastend, zickt mal wieder der Reißverschluss an der Zeltplane rum. Langsam sind wir es Leid jeden Tag diesen Stress zu haben. Allerdings bleibt uns nichts anderes übrig als jeden Tag aufs Neue zu probieren, den Zipper so gut es geht zu schließen. Der Gedanke daran frustriert fast noch mehr als das aktuelle Gerupfe am defekten Schließmechanismus.
Der Wind nimmt währenddessen noch mehr Fahrt auf. Alles was nicht gerade massiv ist, wird früher oder später weggeweht. Das kleine Solarpanel fliegt plötzlich mehrere Meter weit weg. Unschöne Kratzer auf ein paar der Zellen sind die Folge des ungeplanten Ausflugs. Zudem werden immer wieder lose Gegenstände aus dem offenen Kofferraum geweht, denen wir anschließenden hinterhereilen.
Wir versuchen uns nicht weiter davon beeindrucken zu lassen und machen uns fertig für die Wanderung, die hier, vom Platz aus, startet. Der Wind lässt uns allerdings nicht so einfach ziehen. Erneut trifft uns eine heftige Böe. Die Campingstühle fliegen mehrere Meter weit. In den Getränkehaltern befanden sich bis vor wenigen Sekunden noch unsere Handys. Die liegen jetzt auf dem Schotterplatz. Cecils Telefon scheint unversehrt, doch das von Sarah offenbart eine arg ledierte Ecke auf dem Bildschirm. Der Sprung zieht sich bis über die Frontkamera.
Zum Zeitpunkt des Unglücks war Sarah auf der Toilette. Cecil weiß gar nicht, was er sagen soll. Immerhin ist das Handy ein wichtiges Utensil zur Dokumentation unserer Reise. Und jetzt ist die Frontkamera nicht mehr benutzbar. Kein Selfies mehr, so viel steht fest. Sarah nimmt es allerdings erstaunlich gelassen. Wahrscheinlich der Schock.
Gar nicht erwähnt haben wir bisher die tausenden Fliegen, die uns bereits begrüßt haben sobald wir den ersten Zeh aus dem Zelt gestreckt haben. Von dort an haben sie auch nicht mehr von uns abgelassen. Sie tragen zu diesem perfekt-unperfektem Morgen ihren Teil bei. Alles in allem geht der Tag wirklich nicht gut los, kann man sagen.
Die kurze Wanderung, auf der wir uns kurz darauf befinden, ist nicht wirklich spannend. Ab und zu können wir Malereien und Gravuren entdecken, die hier von den Aborigines hinterlassen wurden.
Abgesehen davon bietet der Pfad jedoch wenige Highlights. Immerhin sorgt der überwiegend strahlend blaue Himmel für einen starken Kontrast zu den rötlichen Felswänden, die uns umgeben. Ein paar Schäfchenwolken flitzen dazu über das Firmament.
Zurück am Parkplatz kommen wir mit einem Wanderer ins Gespräch. Schnell stellen wir alle fest, dass wir uns auch gut auf deutsch unterhalten können. Er stammt ursprünglich aus Berlin, wohnt allerdings jetzt mit Frau und zwei Töchtern in London. Alterstechnisch nähern sich die Eltern den 40ern. Noch bevor der ganze Wahnsinn mit Corona losging, haben sie sich entscheiden für 12 Monate ein Sabbatical einzulegen. Mit einem 4WD-Auto und Campervan Touren sie seitdem durch Australien. Eines der Kinder beginnt noch lauter zu schreien. Der durchaus sympathische Ex-Berliner erkennt das Zeichen und begibt sich zurück zu seiner kleinen Familie.
Auf unserem Rückweg zum Highway erscheint uns der Untergrund deutlich gewellter als gestern. Unsere Nerven werden weiterhin auf die Probe gestellt. An einer besonders fotogenen Stelle halten wir trotzdem und lassen Alli aufsteigen. Nach dem kurzen Rundflug möchten wir noch ein “Drohnen-Selfie” machen. Kurz nach dem Bild wird Sarahs Hut von einem Windstoß erfasst. Im Versuch ihn noch in der Luft aufzufangen, stößt sie sehr unsanft mit der offenen Autotür zusammen. Der Schmerz ist so groß, dass ihr sogar kleine Tränen in den Augen stehen. Dazu kommt noch, dass ihr geliebter Hut, die ersten Schmutzspuren erhält. Ein weiterer Beweis, dass das nicht unser Tag zu sein scheint.
In der Hoffnung auf einen Kompressor halten wir am “Ross River Resort”. Leider ist nichts zu finden. Für normales Benzin wird ein Preis von 2,30$/Liter aufgerufen. Ein Glück haben wir noch genug Reserve. Mit Hilfe unseres eigenen Kompressors bringen wir die Reifen wieder auf einen asphalt-tauglichen Druck. Das Solarpanel haben wir währenddessen gegen die Kofferraumklappe gelehnt. Eine Raste sorgt im Normalfall dafür, dass die Klappe nicht ohne Fremdeinwirkung einklappt. Heute allerdings stellt der Wind eine derartige Fremdeinwirkung dar, dass sich die Klappe löst, einklappt und das Panel umwirft. Der Tag will anscheinend nicht besser werden.
Auf dem folgenden Rückweg nach Alice Springs nehmen wir noch den kurzen Wanderweg um den “Corroborree Rock” mit. Die teils zweidimensionale wirkende Felsformation ist ganz nett anzusehen, aber mehr auch nicht.
Cecil hat unterwegs einen Pfad gesehen, der abseits des Highways über einen Bergrücken geführt hat. Dort schauen wir nach einem Schlafplatz für die kommende Nacht. Ansonsten bliebe uns nur die “Tropic of Capricorn Rest Area” und die liegt am anderen Ende der Stadt.
Der Weg scheint als wäre er in jüngster Zeit nicht befahren worden. Daher entscheiden wir spontan, hier zu bleiben für die Nacht. Wir finden eine kleine Bucht neben der Piste und schlagen dort unser Lager auf. Der kleine Hügel, auf dessen Rückseite wir uns jetzt befinden, schirmt uns vom Highway ab.
Abgesehen von der unkomplizierten Suche nach einem Schlafplatz, fehlt es uns heute an positiven Ereignissen. Sarah wird noch weiter frustriert, als sie beginnen möchte zu stricken. Für alle verbleibenden Projekte aus ihrem Heft fehlen ihr die passenden Nadeln. Cecil stößt unvermittelt auf die Seifenblasen, die wir vor ewigen Zeiten gekauft haben. Doch die Qualität der Lösung ist schlecht und so kann nicht einmal das für ein wenig Zerstreuung sorgen.
Dessen ungeachtet, bietet sich der Platz hier sehr gut für eine Rasur an. Cecil geht zu Werke und probiert ein wenig rum. Am Ende bleibt ein Bart stehen, der wohl am ehesten dem von Edward Norton oder Doctor Strange gleicht. Immerhin damit kann er Sarah ein kurzes Lächeln ins Gesicht zaubern. (Fotos folgen!)
Nachdem wir einen groben Plan für die kommenden Tage geschmiedet haben, widmen wir uns Tagebuch und Fotos. Die Fliegen sind weiterhin omnipresent und mehr als nervig. Es fällt einem schwer, sich auch nur für einen kurzen Moment zu konzentrieren. Die Biester steuern immer wieder gezielt Nasenlöcher, Ohren, Mund und Augenwinkel an. Im Grunde ist man permanent damit beschäftigt, die penetranten Viecher abzuschütteln.
Gegen Abend setzt unerwartet Regen ein. Wir flüchten ins Trockene. Das Dachzelt bietet auf Koby's linken Seite einen kleinen Schutz vor dem Nass. Ab und zu treibt der Wind eine Husche zu uns, nachdem wir uns auf dem einem Quadratmeter zusammengekauert haben, der noch halbwegs Schutz vor den Elementen bietet. Für einen ausgedehnten Moment baden wir im Selbstmitleid.
Sarah bricht als Erste ein. Der Wind legt noch eine Schippe drauf. Der Regen fällt nicht mehr, sondern fliegt waagerecht über die Lande. Als auch noch eine Gruppe Spinnen versucht Zuflucht in einem von Cecils Hosenbein zu finden, reicht es ihm auch.
Was für ein bescheidener Tag …
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