14.09., Montag: John Hayes Rockhole - Ganz allein auf der Welt
Nachdem es gestern Abend zunächst noch fast unangenehm warm im Zelt war, frischte nach und nach der Wind weiter auf. Das sorgte für eine sehr unruhige Nacht. Immer wieder werden wir durch die im Wind schlackernden “Fensterläden” wach. Gegen die Kälte helfen unsere Decken, die wir in letzter Zeit eigentlich nur noch als Nackenstütze gebraucht haben. Als endlich der Wecker klingelt, hat der Wind in keinster Weise nachgelassen. Nur im Schutz von Koby kriegen wir den Gaskocher zum Laufen und können halbwegs normal frühstücken. Unsere einzig verbliebenen Nachbarn auf dem Campingplatz hat es allerdings noch schlimmer erwischt. Ihnen ist das ganze Zelt zwei mal vom Wind weggeweht worden und ist nun reif für die Müllkippe. Puh das muss kein schöner Weckruf sein. Bei uns ist zum Glück alles heil geblieben.
Wir brechen also schnell die Zelte ab und machen uns auf den Weg zum “John Hayes Rockhole”. Dieses ist nur über einen 4 km langen 4WD-Track erreichbar. Doch es verspricht eine einzigartige Szenerie und Wandermöglichkeiten. Nachdem uns die beiden Wanderungen von gestern bereits fasziniert haben, wollen wir uns das nicht entgehen lassen. Auch wenn wir nicht unbedingt heiß darauf sind, Koby wieder über steiniges Terrain zu schicken. Hoffentlich wird die Piste hier nicht ganz so aufreibend, wie die im Judbarra/Gregory NP.
Wir erreichen den Abzweig und zunächst ist der Untergrund nicht von einer normalen Gravelroad zu unterscheiden. Jedoch verengt sich die Straße zu einem einspurigen Feldweg. Die Fahrrinnen liegen gute 40 cm tiefer als das umliegende Gelände. Man wird daher zwangsläufig auf Kurs gehalten. Sollten wir hier auf Gegenverkehr treffen, können wir nur hoffen, dass unser Gegenüber den Rückwärtsgang einlegt. Alle 500 m sind kleinere Ausbuchtungen, an denen ein Vorbeikommen oder Wenden möglich wäre.
Natürlich war das aber noch nicht alles. Wie wir befürchtet haben, gilt es auch hier wieder längere Passagen zu überwinden, die übersät sind von großen und oft scharfkantigen Steinen. Wir haben bereits vorm verlassen des Campingplatzes den Luftdruck geprüft und für gut befunden. Auf beiden Achsen liegt der Druck in den Reifen gut ⅓ unter dem für die Straße empfohlenen Wert. Wirft man einen Blick auf die Reifen, besonders auf die hinten, könnte man meinen sie seien jetzt schon platt. Doch im Gegenteil. Der verringerte Druck sollte uns vor einem Platten bewahren. Anstatt mit einem knallharten Pneu auf die Steine zu prallen, absorbiert der weiche Reifen diese jetzt. Es sieht zwar gruselig aus wie stark sich die Reifen teils verformen, doch wir kommen unbeschadet am Campground an. Gute 45 Minuten haben wir für die 4 km gebraucht. Neben besagten Steinen waren auch die Senken, der lose Sand im Flussbett, welches wir etliche Male überqueren mussten (wir zählen auf der Rückfahrt), und teils beängstigende Schräglage wieder im Repertoire. Wir haben uns von alldem nicht stressen lassen. Trotzdem fällt uns jedes Mal ein Stein vom Herzen, wenn wir nach einer solchen Fahrt aussteigen und kein Reifen platt ist. Mögen sie auch platt aussehen.
Nachdem wir einen geeigneten Stellplatz gefunden haben, machen wir uns schleunigst auf zu unserer Wanderung. Es gilt die Mittagshitze so gut es geht zu vermeiden. Ganz werden wir nicht an dieser vorbeikommen, doch je früher wir unterwegs sind, desto besser. Kurz studieren wir die Wanderkarte, dann entscheiden wir uns den “Chain of Ponds-Walk” gegen den Uhrzeigersinn anzugehen. Der Karte nach führt dieser Weg zunächst direkt durch das Flussbett. Nur wenige Meter nach dem Schild stehen wir vor einem Wasserpool. An der rechten Seite bilden einige Felsen, die den Pool einrahmen, eine Art Weg, der zu einem Plateau hinter dem Wasserloch führt. Ganz sicher sind wir uns nicht, doch wir wagen die Passage. Im Grunde haben wir nichts gegen ein wenig Kletterei. Nur die Kameras, die wir beide mit uns führen, stören dabei etwas. Im Grunde sind wir die ganze Zeit einhändig unterwegs. Das kann durchaus stören, wenn man an steilem Fels hoch oder hinab muss. Auf dem nächsten Level angelangt, stehen wir vor einem weiteren Pool. Kein Weg führt daran vorbei. Anscheinend sind wir hier doch falsch und müssen zurück. Trotzdem schön hier.
Nachdem wir den richtigen Pfad gefunden haben, geht es am linken Rand der Schlucht entlang, in der wir eben noch standen. Auch von hier oben sieht es schön aus. Wie es erst sein muss, wenn Regenfälle den zweistufigen Wasserfall gespeist haben, können wir nur erahnen. Kurz darauf steigen wir wieder in die Schlucht hinab und stehen nun am oberen Rand der zweiten Stufe des Wasserfalls. Diesen Teil haben wir jetzt aus wirklich allen Perspektiven gesehen. Fehlt nur noch eine Aufnahme mit der Drohne. Cecil hat Alli zwar dabei, doch ist das Fliegen hier nicht erlaubt und hier, so nah am Campingplatz, ist das Risiko zu hoch. Schade.
Immer weiter bahnen wir uns einen Weg durch die trockene Schlucht. Es gilt große Felsbrocken zu überwinden und ab und zu führt der schmale Pfad mehrere Meter über dem Boden direkt an der Felswand entlang. Das Ganze ist sehr nach unserem Geschmack. In sicherer Entfernung zum Parkplatz kann sich Cecil an einer geeigneten Stelle nicht mehr zurückhalten. Er muss einfach die Drohne rausholen. Es dauert wieder eine Ewigkeit bis das GPS-Signal stark genug ist. Und nach zwei kurzen Flügen durch die Schlucht, wird auch schon wieder eingepackt. Irgendwie macht es keinen Spaß. Zu groß ist die Angst, dass plötzlich ein Ranger um die Ecke biegt und es eine saftige Strafe zu zahlen gilt. Das flächendeckende Drohnenverbot wurde übrigens aus “kulturellen Beweggründen” verhängt. Jeden Pfad darf man zertrampeln, auf jedem Hügel und Berg herumklettern, doch Aufnahmen aus der Luft sind verboten. So ganz kann Cecil das nicht nachvollziehen. Trotzdem bleibt Alli ab jetzt im Rucksack, auch wenn es oft schwerfällt.
Nach guten 3,5 km zweigt der Weg zum “Ridgetop-Walk” ab. Ein one-way-Pfad, welcher vom “John Hayes Rockhole” zu den Campingplätzen in der Trephina Gorge führt. 4-6 Stunden gilt es für eine Strecke einzuplanen. Danach bleibt nur der Rückweg über den selben Weg oder die Zufahrtstraße. Wir entscheiden daher nur einen Teil des Weges bis zu einem Lookout zu gehen. Noch ahnen wir nicht, dass wir damit auch gut bedient sind.
Zunächst geht es ein weiteres Stück durch das trockene Flussbett, bevor der Pfad in einen Wald aus vertrockneten Bäumen führt. Es geht leicht bergab. Immer wieder verwirrend, wenn man doch eigentlich unterwegs zu einem erhöhten Punkt ist, der eine gute Aussicht verspricht. Aber schon schnell ist unser Weltbild wieder gerade gerückt. Ab jetzt geht es bergauf. Im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal über steil verlaufende Serpentinen, manchmal direkt über unangenehm hohe Stufen.
Immer weiter geht es den Hang hinauf. Schon jetzt ist die Aussicht grandios. Wir sehen Bergrücken, die an einem Ende plötzlich senkrecht über hunderte Meter abfallen. Der Horizont ist gesäumt mit Hügel, die aussehen wie gemalt. Ein eigenartiges Wellenmuster prägt ihr Erscheinungsbild.
Schwer atmend, erreichen wir nach einem aufreibenden Aufstieg den Abzweig zu unserem Ziel, dem “Turners Lookout”. Weitere 400 m laufen wir über den Rücken des Berges. Der Ausblick, der uns hier erwartet, verschlägt einem die Sprache. Die felsige Landschaft, die wir bereits beim Aufstieg teilweise bewundern konnten, erstreckt sich von hier schier endlos. Wie auch schon gestern, sind keine Anzeichen von Zivilisation zu erkennen. “Wir sind allein auf der Welt”, beschreibt Sarah das Gefühl, welches man hier oben für einen kurzen Moment bekommt. Wir lassen uns den Wind um die Ohren pusten, der es hier oben schon fast unangenehm kühl werden lässt und genießen den Moment.
Nachdem wir uns mit einem Riegel gestärkt haben, geht es auf den Rückweg. Ist der Aufstieg auch noch so schwer, runter ist es meistens schlimmer.
Sarah merkt, dass sie im Ü30-Club angekommen ist. Das linke Knie macht Probleme. Aber es wird nicht gejammert. Sie beißt die Zähne zusammen und weiter gehts. Zudem tröstet die Szenerie, die wir immernoch bestaunen können, über so manches Zipperlein hinweg. Spätestens, als wir auf unseren ersten Lizard für heute treffen, ist so oder so alles um uns herum vergessen. Der ist zudem noch recht groß. Und obwohl er direkt neben dem Weg sitzt, verschwindet er auch nicht direkt in seiner nahen Höhle. Wir haben genug Zeit Fotos und Videos zu machen.
Beflügelt von diesem Erlebnis, reißen wir die Kilometer bis zur Gabelung recht schnell ab. Kurz davor stoßen wir noch auf eine kleinere Echse. Die winkenden Pfoten verraten uns schnell, dass auch er zur Familie der Akrobaten gehört, auf deren Vertreter wir bereits gestern gestoßen sind. Heute wird nicht ganz so eine große Show abgezogen, dafür aber umso mehr gewunken. Auch schön.
Auf dem Weg zum Campground haben wir überraschend einen weiteren Blickwinkel auf die Schlucht und die Wasserpools vom Anfang.
Kurz darauf sind wir wieder bei Koby. Gute 4 Stunden waren wir unterwegs. Und die Beine schmerzen überraschend stark. Die Steigung am Berg war extremer als gedacht und das ewige Gehopse über die wackeligen Felsen beansprucht vor allem die Fußgelenke stark. Doch es war jeden Schritt wert. Man muss sagen: die Wanderungen im “Trephina Gorge Nature Reserve” sind definitiv eine Reise wert.
Bevor wir uns entspannen können, bauen wir das Zelt und das Awning auf. Der Boden ist durchzogen von größeren Steinen, doch nach einigen Versuchen sitzen alle Heringe. Da die Batterie dem Controller am mobilen Solarpanel nach voll ist, bauen wir auch noch den Spannungswandler auf und laden den Laptop.
Trotz der anstrengenden Wanderung sind wir heute nicht bereits am Nachmittag total müde. Sarah widmet sich im Anschluss dem Tagebuch. Es warten einige Tage, die Cecil geschrieben hat, auf eine Kontrolle bevor sie veröffentlicht werden können. Cecil gönnt derweil Alli eine lang überfällige Reinigung. Nachdem sie das letzte Mal mitten im Outback geflogen wurde, haben seine dreckigen Hände Spuren hinterlassen. Zum Glück nichts, was ein feuchtes Tuch nicht entfernen kann. Im Anschluss strickt Sarah und Cecil schreibt Tagebuch.
Wir essen erst nachdem die Sonne bereits lange untergegangen ist. Danach geht Sarah bereits ins Zelt. Cecil schreibt noch einen Eintrag im Tagebuch fertig und folgt ihr dann.
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