16.09., Mittwoch: N'Dhala Gorge Nature Park - Rrrrüttelpiste
Der Wind in der Nacht war heftig. Sagt zumindest Sarah und sie hat deswegen sehr schlecht geschlafen. Cecil hat nichts mitbekommen und ist daher um einiges ausgeruhter. Zunächst verhindern noch Wolken, dass wir einen schönen Sonnenaufgang genießen können. Doch als sich diese verzogen haben, wird die Felswand gegenüber unseres Camps spektakulär in Szene gesetzt. Das Schauspiel halten wir mit Hilfe von Alli und Sarahs Kamera fest.
Nachdem wir alles zusammengepackt haben, starten wir die Wanderung durch das Flussbett. Kurz geht es durch den weichen Sand, doch danach ist der Untergrund recht fest und gut begehbar. Trotzdem ist es beachtlich, was Koby da gestern geleistet hat.
Kurz nach der Stelle, an der wir gestern gewendet haben, wird der Track wieder besser. Wir kommen an den Platz, ab dem ein weiterfahren nicht mehr empfohlen wird. Zwei Camper haben es bis hierhin geschafft, doch einer wohl nicht ganz unbeschadet. Anscheinend gab es einen platten Reifen, der aktuell versorgt wird. Vom dritten Fahrzeug, welches uns gestern nach Sonnenuntergang passiert hat, ist nichts zu sehen. Offensichtlich hat sich der Fahrer noch weiter getraut. Und das ist wirklich mutig. Selbst zu Fuß haben wir teilweise Schwierigkeiten, die bis zu 30 cm hohen Felskante zu erklimmen. Man muss sein Auto hassen, wenn man es freiwillig durch dieses Gelände treibt. Noch dazu ist die Aussicht hier schlechter als von unserem Schlafplatz.
Wir wandern einen guten Kilometer weiter, bis uns tatsächlich das Auto von gestern entgegen kommt. Für einen Teil des Weges beobachten wir den Wagen. An einer der hohen Felskanten setzt das Fahrzeug deutlich hörbar auf. Selbst aus den 200 Metern Entfernung klang das böse. Er hat es nicht anders gewollt. Immerhin können sie weiterfahren und verschwinden langsam aus unserem Sichtfeld.
Kurz darauf treffen wir auf einen recht aufgeweckten Lizard. Mit gut 20 cm Körperlänge ein ansehnliches Exemplar. Ab und zu winkt er sogar für die Kamera.
Nach einer ausgedehnten Fotosession, setzen wir unseren Weg fort bis wir die “Glen Annie Gorge” erreichen. Kurz steigen wir hinab ins Flussbett und genießen die Aussicht auf die Schlucht. Im Grunde kann man noch weiter bis zum “Fox's Grave” laufen. Nochmal zur Erinnerung: Dort hat sich einer der damaligen Glücksritter erschossen, als herauskam, dass die Steine in der “Ruby Gap” keineswegs Rubine sind, sondern wertlos Granate. Wir entscheiden uns allerdings dagegen. Die Aussicht darauf mehrere hundert Meter durch den weichen Sand im Flussbett zu watscheln, schreckt uns ab. Außerdem wird die Sicht bestimmt nicht besser, je näher man den Felswänden kommt. Die gut 4 km Rückweg zu Koby reichen uns für heute.
Schon während unserer Planung in Berlin stand für Cecil fest: Dieses Mal müssen wir uns einen Allradwagen besorgen. Die Enttäuschung wäre zu groß, wenn wir ein Gebiet auslassen müssten, welches mit einem 2WD nicht erreichbar ist. Allerdings hatten wir keine Ahnung, was ein echter 4WD-Track von einem abverlangt.
Mittlerweile wissen wir es das nur zu gut. Doch eine Fahrt durch tiefen Sand stellt noch immer eine Herausforderung für Cecil dar. Zu gut kann er sich vorstellen, jederzeit stecken zu bleiben. Als wir uns allerdings gestern in das trockene Flussbett gestürzt haben, sind wir mit Koby förmlich durch den losen Untergrund “gesurft”. Ein absolut unvergessliches Gefühl. Man spürt das gesamte Gewicht des Wagens, eiert von links nach rechts. Ein Moment völliger Anspannung. Das alles findet in einer fast absoluten Stille statt. Lediglich der Motor ist zu hören und ein leises Rauschen des Sandes, der von den Reifen verdrängt wird.
Nachdem wir den Sand bereits gestern bezwungen haben, ist er uns schon heute lieber als jede Gravelroad. Der Todfeind wird zum besten Freund. Im Sand gibt es kein dauerndes Geruckel und keinen dröhnenden Lärm. Wir haben die Angst vor dem Sand bezwungen.
Der Rückweg aus der “Ruby Gorge” ist daher ein Klacks.
Die Corrugations der Gravelraod im Anschluss sind allerdings so heftig, dass wir schon bald wieder gespannt sind wie ein Flitzebogen. Es rüttelt und dröhnt extrem. Auf der anderen Seite, hat eine solche Gravelroad auch immer eine einschläfernde Wirkung. Das ständige Gerüttel, das Schaukeln von Koby. Man kann sich maximal darauf konzentrieren, auf dem Weg zu bleiben und zu hoffen, dass es irgendwann wieder besser wird.
Kurz nach einem Viehgitter wird Koby derart aufgeschaukelt, dass dem Geräusch nach, alles im Kofferraum durcheinander fliegt. Cecil ist fast am Verzweifeln. Aus einem Impuls beschleunigt er, um die Wellen auf der Piste auszugleichen. Bei knapp 80 km/h taucht urplötzlich ein Feld mit spitzen Steinen vor uns auf. Vollbremsung! Roo und Hermann purzeln aus ihrem Korb. Auch im Kofferraum ist erneut zu hören, wie einige Kisten durcheinander geraten. Aber es geht gerade nochmal gut.
Für die nächsten Kilometer lassen wir es zunächst wieder langsamer angehen. Bis das Gerüttel unerträglich wird und Cecil beschleunigt. Kurz darauf treffen wir fast immer auf spitze Steine oder unvorhersehbare Kuhlen im Boden. So geht es noch für etliche Kilometer weiter.
Bis hinter einer Kuppe plötzlich ein weiteres, bisher ungeahntes, Hindernis auf uns wartet. Eine gut 30 cm große Bart-Agame liegt mitten auf dem Weg. Im letzten Moment kann Cecil ausweichen und Koby ein paar Meter weiter anhalten. Im Seitenspiegel taucht der “Dragon” aus dem Staub auf, den Koby zuvor aufgewirbelt hat. Es scheint, als wäre er keinen Zentimeter von seiner Position abgerückt, obwohl wir nur Sekunden zuvor haarscharf an ihm vorbeigebraust sind. Das scheint ein wirklich entspanntes Exemplar zu sein. Oder es ist in eine Art Schockstarre eingetreten.
Während wir uns im Anschluss, mit unseren Kameras bewaffnet, immer weiter heranpirschen, stellen wir fest, dass die Bart-Agame in der Tat ganz relaxt ist. Sie lässt sich von unserer Anwesenheit kaum stören. In aller Ruhe können wir unsere Aufnahmen machen. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei diesem Exemplar um einen “Central Bearded Dragon” (Pogona vitticeps). Diese, bis zu 25 cm großen Tiere sind in Australien nicht selten, aber selten so lässig. Bei der Größenangabe handelt es sich übrigens um eine Maßangabe von der Schnauze bis zum After, da Echsen (mit Ausnahme von Waranen) über einen nachwachsenden Schwanz verfügen. Präziser ist daher die Angabe der Körperlänge ohne Betrachtung der Schwanzlänge.
(Wer jetzt ein verschmitztes Lächeln im Gesicht hat, sollte langsam mal erwachsen werden ;D )
Am “Arltunga Hotel” legen wir eine kurze Pause ein. Die Reifen haben anscheinend die vorangegangenen Strapazen gut weggesteckt. Es ist eher Cecil, der den kurzen Stopp nötig hat. Es ist immer wieder eine enorme Anstrengung über Gravelroads zu fahren, die in einem so schlechten Zustand sind. Unablässig gilt es den Untergrund auf etwaige Gefahren zu scannen. Obwohl wir bereits seit einigen Minuten stehen, erscheint es Cecil noch immer so als würde sich alles auf ihn zu bewegen. Eine Art optische Täuschung durch das ständige Starren auf die Piste vor uns.
Nachdem dieser Effekt wieder halbwegs abgeklungen ist, geht es weiter. Nochmals müssen wir ein paar unschöne Kilometer zurücklegen, dann stehen wir endlich vor einer asphaltierten Kreuzung. Wir biegen links in Richtung des “Ross Resorts” ab. Bis dort sind es 7 km und anschließend weitere 11 km zur “N'Dhala Gorge”. Die angepriesene 4WD-Strecke dorthin ist nicht wirklich als solche zu bezeichnen. Allerdings sind die Corrugations wieder nervtötend.
Im Park selber gibt es nur einen bezahlpflichten Campingplatz. In der Hoffnung uns die Gebühren sparen zu können, suchen wir auf dem Weg dorthin nach einem geeigneten Platz fürs Busch-Camping.
Allerdings ist nichts zu finden und, obwohl das freie Campen wohl im Allgemeinen geduldet wird, schwingt immer ein Hauch Illegalität mit, sollten wir jetzt einfach so im Gelände campen. Also geht es weiter zum offiziellen Campingplatz. Wir sind die einzigen vor Ort und der Blick auf die umliegende Landschaft ist wirklich schön. Wir zahlen daher brav und verbringen die kommende Nacht hier.
Während Sarah, diszipliniert wie immer, Sport und Yoga macht, widmet sich Cecil der ledierten Drohne. Sie hat beim letzten Flug etwas rumgezickt und meinte, ein Arm sei beschädigt. Zum Glück war bei Alli wohl nur eine Schraube locker. Der anschließende Testflug verläuft in jedem Fall zufriedenstellend. Es bleibt noch ein wenig Zeit fürs Tagebuch. Dann bauen wir das Zelt auf und essen Abendbrot.
Am Abend schreibt Cecil noch weiter Tagebuch. Doch irgendwann wird er der immer größer werdenden Schaar von Viehzeug nicht mehr Herr. Und das obwohl er bereits auf die Stirnlampe verzichtet hat und quasi blind auf der Tastatur getippt hat. Immerhin sind dabei noch die Stichpunkte vom heutigen Tag auf dem Papier gelandet und zwei “alte” Tage wurden ausformuliert. Kein schlechter Abschluss für diesen aufreibenden Tag.
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