29.07., Mittwoch: Buschcamp vor dem Budjamulla NP - Frühstück unter Sternen

Aus Angst, dass wir nicht aus den Federn kommen, hat Cecil den Wecker unter Ausschluss der Öffentlichkeit (Sarah, a.d.R.) auf 04:45 Uhr gestellt. Ausgemacht hatten wir 5 Uhr. Die Viertelstunde macht da keinen großen Unterschied. Sollte man meinen. Doch hier, so nah am Südpol, verlaufen Sonnenauf- und -untergang nicht so linear, wie man es vielleicht aus z.B. Deutschland gewohnt ist. Hier herrscht bis zu einem bestimmten Punkt totale Finsternis. Dann, in nicht einmal einer halben Stunde, katapultiert sich die Sonne vom Horizont bis fast auf den Zenit. Die besagten 15 Minuten, hätten also in unserem Fall einen großen Unterschied gemacht. Doch eines muss man dabei positiv hervorheben: ein Frühstück unterm Sternenhimmel… das hat was.

Schon kurze Zeit später, während wir das Zelt einpacken, ist es taghell und die Temperaturen steigen deutlich. Vor wenigen Minuten haben wir noch unsere kühlen Finger an den Tassen mit Tee und Kaffee gewärmt. Jetzt kämpfen wir erneut mit dem störrischen Reißverschluss und es wird langsam unangenehm warm. Erneut muss Cecil mit der Zange dem Reißverschluss seine Aufgabe verdeutlichen. Lange macht der das aber wohl nicht mehr mit und wir brauchen einen neuen. Trotz der leichten Probleme vor der Abfahrt erreichen wir Mount Isa gut eine Stunde bevor unsere Tour startet. Nachdem wir bei Hungry Jacks erfolglos nach Wlan gesucht haben, stellen wir uns gleich vors i-Site, von wo aus die Führung startet. Hier greifen wir auf unser eigenes Datenvolumen zurück. Sarah postet die nächsten Tage und Cecil googelt den bestmöglichen Weg zum Boodjamulla NP (unser nächstes Ziel) und eruiert die möglichen Tankstopps auf unserem anschließenden Weg ins Northern Territory.

Pünktlich um 9 Uhr starten wir mit Ian, unserem Guide, zu der Minen-Tour. Ian schätzen wir auf Mitte 70. 39 Jahre seines Lebens hat er in den Minen von Mount Isa gearbeitet. Zwölf davon Untertage. Anschließend war er hauptsächlich für die Wartung der oft gigantischen Maschinen verantwortlich. In den Minen, in denen Ian gearbeitet hat und die noch immer aktiv betrieben werden, wird hauptsächlich Kupfer und Blei abgebaut. Letzteres ist nicht selten mit Silber versetzt, ein gern gesehenes Nebenprodukt der Förderungen. Die Tour starten im, an das Visitor-Center angrenzende, Museum. Hier sind allerhand Gerätschaften und Mineralien ausgestellt. U.a. stehen wir vor einem Brocken aus massivem Kupfer. Der etwas wasserballgroße Klumpen, nicht mal annähernd glänzend, wie man es zum Beispiel von Draht aus diesem Material gewohnt ist, wiegt satte 3,5 Tonnen. In seiner Form erinnert er an eine Träne. Oder eine Schildkröte. Manche, darunter Ian, würden sagen er ähnelt einem Krokodil mit etwas eingedrückter Schnauze. Wie ein echter Minenarbeiter werden wir mit Overall, Gummistiefeln, Gehörschutz und Helm ausgestattet. An letzteren bekommen wir eine passende Lampe und es kann losgehen. So ausgerüstet wären wir zwar bereit unter die Erde zu gehen, doch es folgt zunächst ein wenig Theorie über den Prozess des Abbaus und der Gewinnung der wertvollen Mineralien. In einem über Jahrhunderte optimierten Prozess wird aus dem Gestein mit einem Kupfergehalt von ca. 3,5% am Ende ein massiver Block gegossen der zu 99% aus dem rötlichen Edelmetall besteht. Auf dem Weg zur Mine passieren wir einen wahren Fuhrpark aus alten Maschinen und Fahrzeugen. Besonders faszinierend sind die riesigen Kipplader mit einem Eigengewicht von 30t und einer maximalen Zuladung von 50t. Schon seit den 80ern werden diese Giganten von Elektromotoren betrieben. Kaum zu glauben, dass man erst im neuen Jahrtausend damit begonnen hat diese Technologie markttauglich zu machen. Noch dazu erstaunt uns, dass viele der Gerätschaften, die auch mal bis zu 1,6 Mio. $ gekostet haben, aus Schweden und Finnland kommen. Zumindest uns war es nicht bewusst, dass sie große Bergbau-Nationen sind. Endlich geht es unter die Erde. Die Minenbetreiber vor Ort bieten selbst keine Touren in den aktiven Schächten an. Ein sehr engagierter Mitarbeiter des hiesigen Visitor-Centers hat daher in einem gigantischen Projekt eine Mine gleich neben dem Besucherzentrum nachgebaut. Ungefähr 1,6 Kilometer Tunnel wurden innerhalb von 4 Jahren gegraben. Etliche Maschinen und Materialien wurden dafür von namhaften Firmen der Branche gespendet. Unter anderen ein Fahrstuhl samt Maschinenhaus. Vor diesem können wir Fotos machen, bevor wir gute 10 Meter hinab fahren. 
 

Der Schacht, in dem wir kurz darauf stehen, wirkt nicht nur authentisch, er ist es. Die gesamte Decke ist mit einem Metall-Gitter überzogen. In alle Richtungen schauen jeden halben Meter Metallstangen aus dem Gestein, an deren Ende eine Metallplatte wie eine Mutter an die Decke gedreht ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, hält die tausenden Tonnen Erde und Stein über uns davon ab zu kollabieren und uns alle hier unten zu begraben. Während wir uns im Schein der Kopf-Lampen fortbewegen, halten wir in regelmäßigen Abständen in Kammern, in denen alte Maschinen aufgebaut sind. Manche zeigen wie es damals gemacht wurde. Schienenfahrzeuge mit simplen Mechanismen zum Auskippen ihrer Ladung an einem bestimmten Punkt der Strecke. Etwas aktueller bzw. fast schon überirdisch wirken die moderneren Maschinen mit ihren Meter langen Armen mit etlichen Schläuchen, an denen Bohrer befestigt sind. Alles wird mit Elektromotoren und Druckluft betrieben, um den Kohlenmonoxid-Gehalt in der Luft möglichst gering zu halten. 
 


In einer der folgenden Kammern ist eine Wand für eine Sprengung präpariert. Gut 80 Löcher werden dafür in den Fels gebohrt. Bei einem Durchmesser von nur 2,5 m sind dafür zwei Mann rund eine Stunde beschäftigt. Noch nicht eingerechnet ist dabei die komplizierte Verkabelung. Alle Sprengladungen müssen präzise getimed werden, um das Material in einem konzentrischen Kreis ins Zentrum zu sprengen. Eine letzte Sprengung am Boden lockert alles auf. Nachdem sich der Staub gelegt hat, kann der Abraum weggeschafft werden und der Tunnel ist ungefähr 2,5 m tiefer. 
 

Den Bohrer, mit dem man die Löcher für den Sprengstoff bohrt, können wir kurz darauf selbst betätigen. Nachdem wir die Ohrstöpsel eingesetzt haben, schmeißt Ian den Kompressor an und los gehts. Das Loch ist zwar bereits vorgebohrt, doch der Lärm und die Vibration ist dennoch immens hoch. Für ein Loch mit der nötigen Tiefe von 2,5 m benötigt man im Normalfall 3-4 Minuten. Uns reichen ein paar Sekunden. Eine ganze Schicht lang möchten wir das sicher nicht machen.


Die Arbeit Untertage ist in jedem Fall ein Knochenjob, nicht nur das bedienen der schweren Maschinen und der Lärm. Dazu kommt die Umgebung. Es ist oft heiß hier unten und stickig. An einer Stelle schalten wir alle unsere Lampen aus und es herrscht im wahrsten Sinne totale Finsternis. Könnte man im Dunkeln sehen, würde man jetzt 10 Menschen sehen, die mit weit aufgerissenen Augen versuchen die eigene Hand vor sich zu sehen. Das “Schichtsystem” macht es nur bedingt besser. Typische Modelle sind 4/4 und 7/7. Ersteres bedeutet vier Tage Arbeiten, anschließend vier Tage frei.

Ian zeigt uns als letztes Exponat einen Sicherheitsbunker. Hierhin darf man sich nur auf Anweisung hin zurückziehen. Die gut 4x2m große Kapsel mit massiven Stahlwänden ist mit Sauerstoff, Wasser und Nahrung für den Notfall ausgestattet. Sollte mal etwas schiefgehen, kann man hier Unterschlupf suchen. Die Kammer ist für bis zu 12 Personen ausgelegt und verfügt, in der neueren Version, sogar über einen dünnen Vorhang vor der Toilette in einer Ecke des Bunkers. Während seiner gesamten aktiven Zeit hat Ian keinen Fall miterlebt, in dem eine solche Kammer genutzt werden musste.

 
Zum Ende unserer Zeit im Untergrund landen wir passenderweise im Pausenraum. Bei einem Becher Kaffee und einem kleinen Snack (Blätterteigtasche mit Spinat-Frischkäse-Füllung) können wir verschiedenen Gesteinsproben in die Hand nehmen. Manche Stücke sind wirklich extrem schwer. Das Gewicht überrascht einen oft, selbst wenn man weiß, dass Blei und Kupfer eine hohe Dichte aufweisen. Wie es auch im echten Leben Praxis ist, wird gesprengt, sobald sich alle Kumpel im sicheren Pausenraum befinden. Heute darf Sarah den entsprechenden Hebel umlegen. Zwar kommt der Sound aus der Konserve, doch es wirkt sehr real. Der Knall ist beeindruckend laut und der folgende Bass lässt alles ordentlich vibrieren. Nach guten 3 Stunden endet die Tour. Auf der Ladefläche eines Pritschenwagens werden wir aus der Mine gefahren. Das gleißende Tageslicht lässt unsere Augen unangenehm schmerzen.

Bevor wir Mount Isa und das Visitor-Center verlassen, fragen wir noch nach dem besten Weg zum Boodjamulla NP. Der Weg sei bedenkenlos befahrbar. Wir sollten lediglich auf “currogations” achten und spitze Steine. Da der Mann am Tresen sehr nett scheint (übrigens der Sohn von dem Mann, der das Minen-Projekt angestoßen und größtenteils umgesetzt hat), fragen wir noch nach Trinkwasser. Er meint direkt am Parkplatz könnten wir uns gerne am Hahn bedienen. Wir parken kurzerhand zu besagtem Hahn um und füllen alles auf, was geht. Zugegeben schmeckt das Wasser nicht sehr gut (chlorig), aber besser als nichts. Damit auch Koby versorgt ist, tanken wir erneut auf. Zwar sind wir nur 100km seit der letzten Füllung gefahren, doch wir wollen auf Nummer sicher gehen. Im Outback wird es zudem bestimmt nicht günstiger. Daher füllen wir auch den 20-Liter-Kanister auf.

Kurz nachdem wir unseren Campingplatz von letzter Nacht passiert haben, erreichen wir den Abzweig zum Boodjamulla NP. Nachdem der Asphalt zur Gravelroad wurde (später als gedacht), treffen wir auf eine riesige Rinderherde, die von mindestens zehn Cowboys und bestimmt doppelt so vielen Hunden angetrieben wird. Da ein Durchkommen zunächst unmöglich scheint, schaltet Cecil den Motor aus und wir beobachten in Ruhe die Szenerie direkt vor unserer Motorhaube.
 

In der Gewissheit noch ein Buschcamp zu finden, lassen wir zwei von Wiki-Camps vorgeschlagene Plätze links liegen. Wir wollen morgen bereits zu unserer ersten Wanderung starten, da können wir uns keine lange Anfahrt leisten. Gut 90 km vor dem NP (ca. 1 ½ Std. Fahrzeit) stoßen wir auf einen kleinen Abzweig. Kurz vor einem Gatter können wir abseits der Sandpiste unser Lager aufschlagen.
 
 
Nachdem wir das Solarpanel aufgestellt haben und das Zelt ausgeklappt ist, machen wir uns an die tägliche Plank-Challenge. Mittlerweile sind wir bei einer Minute in der Liegestützposition angelangt. Während Sarah weiter Sport macht, begibt sich Cecil in eine Art Unterarm-Stützposition und füllt den 20-Liter-Kanister Benzin um. Je nachdem wie man sich dabei anstellt, ist das auch nicht ganz ohne.

Nach einer wohltuenden Portion Nudeln mit Bolognese-Sauce widmen wir uns dem Plan für die kommenden Tage. Ein letztes Mal gehen wir die Tankstellen auf dem Weg ins Northern Territory durch. Bis nach Borroloola, dem ersten Ort im “NT”, sind es noch gute 700 km über Gravelroads durch das schiere Outback. Da wollen wir sicher nicht mit leerem Tank versanden.

Im Anschluss planen wir die Tage im Boodjamulla NP. Da der Campingplatz vor Ort bezahlpflichtig ist, wollen wir die Zeit bestmöglich nutzen. Fragen bezüglich, welche Wanderungen wir machen, wann wir ein Kanu ausleihen und ob man manche Punkte auf den Wanderwegen auch per Kanu erreichen kann, versuchen wir bestmöglich im Vorfeld zu klären. Da vor allem die Kanus sehr beliebt, aber auch begrenzt sind, wollen wir bereits morgen früh versuchen eines zu kriegen. Alternativ haben wir uns einige Wanderwege ausgewählt und sind dann Übermorgen garantiert die ersten beim Verleih.

Während Cecil Stichpunkte fürs Tagebuch schreibt, strickt Sarah Stulpen. Die sollen weniger gegen die Kälte als gegen Mückenstiche an den Knöcheln schützen. Eine ist kurz darauf fertig. Etwas zu eng vielleicht, aber das leihert bestimmt noch aus.






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