03.08., Montag: Buschcamp nahe Borroloola - Public Holiday
Nachdem wir ganz gemütlich erst gegen 7 Uhr aus dem Zelt geklettert sind, sitzen wir gerade beim Frühstück als ein Polizeiwagen in Richtung Grenze fährt. Schichtwechsel so wie gestern, denken wir. Doch das Fahrzeug wird plötzlich langsamer und dreht tatsächlich um. Cecil bleibt der letzte Bissen Toast fast im Hals stecken. Wird das jetzt unangenehm? Ist wildes Camping doch nicht erlaubt und wir werden gleich wieder aus dem Northern Territory rausgeworfen?
Zwar hatten wir in letzter Zeit ungewollt viel Kontakt mit der Polizei, doch der Puls geht immer wieder hoch. Wir beruhigen uns etwas, als wir erkennen, dass es sich um die Polizisten handelt, die uns gestern an der Grenze Wilkommen geheißen haben. Der Officer auf dem Beifahrersitz steigt aus und kommt auf uns zu. Wie unsere Nacht war, möchte er wissen. Direkt platzt es aus Cecil heraus. Die Nacht war in Ordnung, aber der vorherige Abend spannender als gedacht, da wir einen platten Reifen hatten, doch der Ersatzreifen ist bereits drauf und gleich fahren wir weiter. Dann fragt er uns, ob außer uns noch jemand hier die Nacht über gecampt hat. Wir verneinen wahrheitsgemäß und dann ist er auch schon auf dem Rückweg zum Auto. “Have a good trip”, ruft er uns noch zu. Dann sind sie auch schon wieder auf der Straße und bald hören wir nur noch das Dröhnen der Reifen auf der Gravelroad. Wir hingegen schauen uns ratlos an. Was sollte das denn jetzt? Die einzige Lehre, die wir ziehen können, ist, dass das “freedom camping” wohl tatsächlich erlaubt oder zumindest gedulded wird.
Um kurz vor halb 10 Uhr setzen wir unseren Weg nach Borroloola fort. Die Gravelroad ist oft in einem ziemlich schlechten Zustand. Um die Corrugations bestmöglich zu überwinden, probieren wir es mit verschiedenen Geschwindigkeiten. 60, 70, 80 und sogar 90 km/h, aber nichts scheint so richtig zu funktionieren. Am Ende sind wir zwischen 70 und 80 km/h unterwegs. Ab und zu ruckelt und knallt es trotzdem noch heftig. Armer Koby.
Gute 100 km haben wir über die ruckelige Straße zurückgelegt. Zeit die Radmuttern nachzuziehen. Kurz darauf steht die erste Flussdurchquerung des Tages an. Ohne groß nachzudenken steigt Sarah aus, um das Ganze zu filmen. Nachdem Cecil die Durchfahrt gemeistert hat, muss Sarah durch das knietiefe Wasser waten. An die mögliche Gefahr von eventuell ansässigen Krokodilen haben wir beide keinen Gedanken verschwendet. Nicht sehr schlau, wie wir uns im Nachhinein einig sind. Es ist dringend Zeit “crocwise” zu werden. In jedem Gewässer des Northern Territory lauert die Gefahr. Und das ist kein Satz aus irgendeinem Horror-Roman. Hier im Top End sollte man sich wirklich vor den tödlichen Reptilien in Acht nehmen.
Die nächste Passage filmt Cecil daher sicherheitshalber mit der Drohne. Als Start- und Landeplatz hat sich mittlerweile die Motorhaube bewährt, die schützt die Drohne vor Sand und Staub.
Die letzten Kilometer überlegen wir, wie wir das Problem mit der “Check-Engine”-Kontrollleuchte lösen können. Völlig unvermittelt ist diese vor kurzer Zeit wieder angegangen. Beim letzten Mal war es das Abgasrückführ-Ventil und wir konnten relativ günstig Abhilfe mit einem Ersatzteil vom Schrottplatz schaffen. Ein wenig hoffen wir daher, dass es wieder “nur” dieses Ventil ist und nichts Aufwendigeres. Auf jeden Fall lässt uns der treue Koby wieder nicht hängen. Kaputter Reifen? Können wir wechseln. Kaputtes Ventil? Wir können weiterfahren bis zur nächsten Werkstatt. Wir haben ihm schon einiges zugemutet, doch er hat uns noch nie komplett den Dienst verweigert.
Drei Stunden nach unserer Abfahrt erreichen wir gegen 12:30 Uhr die Stichstraße nach Borroloola. Im Ort gibt es zwei Tankstellen. Zum Preisvergleich halten wir jedoch nicht sofort an der ersten, sondern fahren weitere 1,5 km ins Zentrum. Hier kostet das Benzin genau so viel. Da jedoch bei der ersten Tankstelle ein Schild auch einen neuen Reifen in Aussichten gestellt hat, entscheiden wir dort zu tanken.
Bevor wir uns auf den Rückweg machen, kaufen wir in einem kleinen Laden ein Dutzend Eier und eine Birne für 6$. Setzt man die Abgelegenheit dieses Ortes in Relation, ein recht akzeptabler Preis. In jeder größeren Stadt würden wir für das gleiche nur gut einen Dollar weniger bezahlen. Abgesehen davon, bietet sich uns ein fast schon gewohntes Bild. Hinter der Kasse werkeln zwei gestrandete Backpacker. Die Schlange davor besteht aus Aborigines, die die Arme voll haben mit Lebensmitteln und Brause.
Auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt kriegt Sarahs Handy ein Signal. Wir nutzen das, um uns genauere Informationen über den Limmen NP zu besorgen. Nach einer ersten Recherche gibt es nur einen Wanderweg. Davor und danach wollen 400 km Gravelroad befahren werden. Wir überlegen, ob es uns das Wert ist. Nach den jüngsten Erfahrungen haben wir eigentlich keine Lust mehr durchgerüttelt zu werden und am Ende des Tages eventuell sogar noch einen Reifen wechseln zu müssen. Doch die Bilder, die wir kurz darauf im Internet entdecken, sehen schon vielversprechend aus. Doch bevor wir dahingehend eine Entscheidung treffen können, müssen wir einen neuen Reifen rankriegen. Ohne Ersatzreifen fahren wir kein Stück mehr über eine Schotterpiste weitab jeglicher Zivilisation.
Zurück bei der Tankstelle am Ortseingang fragen wir nach einem neuen Reifen. Der junge Mann hinter der Kasse, natürlich ein gestrandeter Backpacker (dem Akzent nach Franzose), gibt uns allerdings eine eher unbefriedigende Antwort. Heute sei Feiertag und die Werkstatt daher geschlossen. Wir fahren zurück zur anderen Tankstelle, zu der ebenfalls eine Werkstatt gehört, doch auch hier ist alles zu. Sprit kriegt man nur per Kreditkarte am Automaten.
Im Schatten eines nahen Baumes überlegen wir, wie es weitergeht. Immerhin ist die “Check-Engine”-Lampe mittlerweile wieder ausgegangen. Ob das Problem damit gelöst ist, darf bezweifelt werden. Laut Wiki-Camps gibt es 22 km vor der Ortsgrenze ein Gravelpit. Das wird wohl unser Platz für die Nacht. Morgen kriegen wir dann hoffentlich einen neuen Reifen und die Reise kann weiter gehen.
Um uns im besten Fall ein wenig Fahrerei zu ersparen, halten wir auf dem Weg trotzdem die Augen nach einem geeigneten Buschcamp offen. Kurz vor einer Brücke entdecken wir einen kleinen Platz. Die vielen verstreuten Bierdosen und die unmittelbare Nähe zum Ort bewegen uns jedoch dazu weiterzufahren. Wer weiß, wer sich hier noch am Abend einfindet. Kurz darauf entdecken wir jedoch einen kleinen Abzweig, der vielversprechend aussieht. Am Anfang liegen teils spitze Steine im Weg, doch die können wir umkurven. Einige Stellen sehen so aus, als wäre das hier die inoffizielle Müllkippe von Borroloola. Doch wir haben schon an schlechteren Stellen unser Lager aufgeschlagen. Noch dazu sind wir nur 7 km vom Ort entfernt. Mehr wollen wir nicht.
Nachdem wir das Awning aufgebaut haben und uns so ein wenig gegen die unerbittliche Sonne schützen können, machen wir unsere Plank-Challenge. Und ja, ihr ahnt es schon, Sarah macht danach noch weiter Sport und zum Abschluss Yoga.
Cecil checkt derweil die möglichen Routen für die nächsten Tage aus. Setzen wir unseren Weg durch das Outback fort, und damit durch den Limmen NP, benötigen wir ca. 7:45 Std. für gute 570 km. Wählen wir dagegen den reifenschonenden Weg über den Highway, brauchen wir 8:20 Std. und legen dabei 710 km zurück. Natürlich werden die rauen Pisten im Hinterland am Material zerren. Doch es ist kürzer, schneller und wir sehen sicherlich mehr als auf dem Highway. Außerdem haben wir nicht genau für solche Strecken einen Geländewagen gekauft? Sollten wir einen neuen Reifen bekommen, und davon gehen wir einfach mal aus, ist das die Route unserer Wahl.
Den restlichen Nachmittag verbringen wir recht entspannt. Sarah ist meistens am Stricken und Cecil schreibt Tagebuch. Die Sonne geht langsam unter und der Wind frischt auf. Zeit das Awning wieder einzupacken und das Zelt aufzubauen.
In gewohnter Position beim Zelt auspacken steht Cecil am hinteren rechten Reifen. Ihm fällt auf, dass der ziemlich platt wirkt. Sarah hält die Aussage zunächst für einen Scherz. So richtig kann Cecil es auch noch nicht glauben. Doch es ist wie es ist. Der Reifen verliert Luft. Anscheinend nur langsam, aber stetig. Da stehen wir nun und gucken ungläubig. Keinen Ersatzreifen mehr parat. Schockstarre.
Cecil schafft es als Erster sich aus dieser zu lösen. Irgendwas müssen wir machen. Immerhin müssen wir morgen wohl oder übel mit einem kaputten Reifen die 7,5 km zurück nach Borroloola fahren. Als Erstes holen wir den Kompressor raus. Um keinen größeren Schaden zu riskieren, müssen wir den Druck im Reifen bestmöglich aufrecht erhalten. Während der Motor läuft, um den Kompressor zu betreiben, geht die “Check-Engine”-Lampe wieder an. Darf's sonst noch was sein? Nachdem wieder ordentlich Druck auf dem Reifen ist, sucht Cecil per Hand nach dem Loch. Die Suche bleibt erfolgslos.
Gemeinsam kochen wir das Curry fertig, welches zum größten Teil Sarah zubereitet hat, während Cecil mit dem Reifen beschäftigt war. Unsere Komposition besteht dieses Mal aus Quinoa, Karotten, verschiedenen Bohnen, Mais und Feta. Für einen kleinen Moment ist die Welt wieder in Ordnung. Selbst Cecil schmeckt es sehr gut.
Nach dem Abwasch holt uns ein Blick auf unser Sorgenkind zurück auf den Boden der Tatsachen. 2 ½ Stunden nach dem Aufpumpen ist der Reifen erneut sichtlich platt. Wir starten erneut den Motor und den Kompressor. Nachdem wieder einigermaßen Druck herrscht, sucht Cecil erneut nach dem Loch. Dieses Mal mit Erfolg. Doch was jetzt? Können wir es irgendwie verschließen?
Nur wenige Zentimeter entfernt kriegt Cecil ein scheinbar passenden Steinchen zu fassen. Kurzerhand fixieren wir es mit einem Streifen Klebeband über dem Loch im Reifen. Doch es zischt immernoch hörbar. Zu wenig Druck. Wir lösen die Seile des Zeltes, schaffen alles aus dem Weg und rollen Koby soweit zurück, dass das Loch unten liegt. Dann bleibt uns nur noch zu hoffen, dass dieses Provisorium bis morgen früh hält.
Im weiteren Verlauf des Abends lassen wir das Ganze nochmal Revue passieren. War das jetzt Glück im Unglück? Immerhin sind wir nach australischem Maßstab nur einen Katzensprung von der nächsten Ortschaft entfernt. Genau so gut hätten wir auch irgendwo mitten im Outback liegen bleiben können. In jedem Fall ist der Tipp aus dem Reiseführer wohl nicht so schlecht. Der besagt man soll bei jeder Tour ins Hinterland zwei Ersatzreifen und ein Notfall-Reparatur-Kit dabei haben.
Wir überlegen, was uns ein neuer Reifen wohl kosten wird. Unser bester Anhaltspunkt ist eine Rechnung der Vorbesitzerin. Sie hat 250$ für einen neuen Reifen, Montage, Auswuchten und die Entsorgung des alten Reifens bezahlt. Hier draußen, weit ab der Metropolen, sind wir durchaus bereit 300$ pro Stück zu bezahlen. Doch was wären schon 600$ (ca. 400€) für zwei neue Reifen? Wir allein haben auf diesen Reifen 14.000 km zurückgelegt und das, besonders in jüngster Vergangenheit, über wirklich aufreibende Strecken. Natürlich wollen wir vor solchen Pisten auch nicht zurückschrecken. So oft wartet ein schier unglaubliches Highlight an deren Ende. Dafür sind wir hergekommen. Dafür haben wir ein Allrad-Fahrzeug gekauft. So ein Reifen ist da Kollateralschaden. Das wir nur direkt zwei kaputte gleichzeitig haben, konnte wohl keiner ahnen und muss jetzt auch nicht unbedingt sein.
Gestern hatten wir noch fünf Reifen, dann vier, jetzt haben wir noch drei. Hoffen wir einfach, dass wir morgen mindestens einen neuen Reifen kriegen. Drei sind dann doch einer zu wenig ;)
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