27.05., Mittwoch: Hallsville - Links Abbiegen verboten
Wir sind spät dran. Wir wollten eigentlich früh los und zum Mount Kaputar und die pinken Nacktschnecken finden. Ausgerechnet heute kommt Russel am Morgen vorbei. So viel zu seinem sechsten Sinn. So richtig verstehen wir nicht, was er uns da anbietet, aber anscheinend hat er die Tage etwas zutun bei dem wir helfen können. Natürlich helfen wir gerne! Nur nicht heute…
Wir erzählen ihm von unserem Ziel und Russel weiß sofort mit ein paar Geheimtipps aufzuwarten. Ob wir eine vernünftige Karte haben, will er wissen. Cecil zeigt ihm die Karten der Reiseführer, aber kann ihn damit nicht überzeugen. Kurzerhand leiht er uns ein “Map-Book” und überzeugt uns zumindest dahingehend mal nach einem eigenen Ausschau zu halten.
Russel meint wir könnten dort in der Nähe auch campen. Wir sind uns dessen aber nicht so sicher. Da wir schon auf der Blacklist der Polizei stehen, wollen wir auch nichts riskieren und planen das ganze weiterhin als Tagesausflug.
Gegen kurz nach 8 Uhr sind wir endlich abfahrbereit. Wenn auf den Straßen alles glattgeht, sollten wir gegen 10 Uhr ankommen. Auch wenn wir bereits später dran sind als geplant, nehmen wir einen minimalen Umweg in Kauf. Statt direkt zum Highway, fahren wir entlang unserer Laufstrecke. Wir wollen schauen, ob das Känguru noch immer auf dem Grundstück an der Ecke steht.
Als wir an besagter Ecke ankommen, blinkt Cecil ordnungsgemäß und fährt an den Straßenrand. Der Blinker bleibt an, während wir erfolglos nach dem Känguru Ausschau halten. Während Sarah anschließend die Navigation am Handy einstellt und sich Cecil mit dem Rückspiegel herumärgert, so ein billiges Ersatzteil mit Saugnapf, der in letzter Zeit einfach nicht mehr halten will, riecht es plötzlich komisch. Es ist dieser markante Geruch von durchgeschmorter Elektronik. Cecil stellt fest, dass der Blinker auch nicht mehr an ist... und nicht mehr angeht. Sarah steigt aus und prüft die Funktion von außen, doch auch da bleibt alles dunkel, während Cecil die Blinker betätigt. Unser gesamter Tagesplan beginnt zu bröckeln.
Trotz minimaler Kenntnisse im Bereich der Mechatronik wagt Cecil einen Blick unter die Haube. Im dortigen Sicherungskasten ist allerdings nichts zu den Blinkern zu entdecken. Im Fahrerbereich fehlt die Abdeckung des Sicherungskastens, auf der normalerweise die Funktionen der verschiedenen Sicherungen aufgelistet sind. Unmöglich also zu sagen, ob hier eine Sicherung durchgebrannt ist. Auch wenn dem so wäre, ist Ersatz aktuell nicht zur Hand.
Kurz überlegen wir einfach ohne funktionierende Blinker loszufahren. Zur Not kennt Cecil die entsprechenden Handzeichen. Arm horizontal nach rechts, heißt rechts abbiegen. Die Hand im 90°-Winkel nach oben, bedeutet links abbiegen. Oder? Am Ende reicht uns dieses Halbwissen nicht aus. Zudem sollte man die Handzeichen wohl nur in Notfällen verwenden und nicht zu einer insgesamt 4-stündigen Fahrt aufbrechen.
Es hilft nichts, wir müssen umdrehen und zurück zur Farm. Eventuell kann Russel uns helfen oder kann uns eine Werkstatt empfehlen. Immerhin entdecken wir noch das Känguru. Doch wieder steht es nur da und schaut uns an.
Zum Glück treffen wir direkt auf Russel und der ist wie immer hilfsbereit. Zunächst werden alle Sicherungen geprüft und eine defekte ersetzt. Das Blinken funktioniert daraufhin wieder, doch es riecht erneut verbrutzelt. Kurz darauf finden wir den Übeltäter. Eine kleine blaue Box versteckt im Fahrerbereich. Diese ist für den Blink-Impuls verantwortlich und sieht arg mitgenommen aus. Der Geruch von verschmortem Plastik und Kabeln ging, dem Äußeren nach, zweifelsfrei von dieser Box aus. Leider hat Russel dafür kein Ersatzteil da.
Mittlerweile ist es fast halb 10 und wir haben unseren Tagesplan längst verworfen. Wendy ist in der Zwischenzeit dazugekommen und erzählt uns, dass ab dem 01.06. die Corona-Restriktionen weiter gelockert werden. Ab diesem Tag sind alle Formen von Reisen innerhalb von New South Wales wieder gestattet. Ob das Campen damit auch wieder erlaubt ist, weiß sie leider nicht.
Zunächst müssen wir eh unseren defekten Blink-Impulsgeber ersetzen. Bei SuperCheapAuto in der Stadt, kriegen wir das Teil, meint Russel. Da er auch in die Stadt muss, bietet er an uns mitzunehmen. So müssen wir nicht mit dem gehandicapten Koby fahren. Ehe wir uns versehen, sitzen wir bei Russel im Auto in Richtung Tamworth. Wir hatten gerade noch Zeit ein Sandwich zu essen. Gerne hätten wir noch Zelt und Awning zum Trocknen wieder aufgebaut, aber das muss jetzt warten.
Bei Supercheap finden wir unser benötigtes Teil leider nicht. Das Personal ist wenig hilfsbereit und so sind wir 5 Minuten später bereits zurück im Auto. Russel kennt noch einen anderen Laden. Dort kriegen wir in jedem Fall Erstatz. Es folgt eine kleine Stadtrundfahrt. Ob für uns, oder ob das wirklich der schnellste Weg ist, können wir nicht ganz sagen. In jedem Fall kommen wir an den verschiedensten Einrichtungen vorbei. Da wäre die Indoor-Pferdesporthalle, riesige Sportzentren, ein Golfplatz und sogar ein Oval für Radfahrer. So richtig mit Steilkurven. Davon gibt es sogar noch ein zweites in Tamworth. Nur sind da laut Russel die Kurven so steil, dass die Leute reihenweise auf die Nase gefallen sind, weil sie nicht schnell genug fahren konnten. Sachen gibts….
Langsam dämmert uns, dass es sich tatsächlich um eine kleine Fahrt durch die Stadt handelt, die Russel dort für uns unternimmt. Das alles, um uns am Ende in eine Sackgasse zu fahren. Dort, auf dem angrenzenden Feld, entdeckt er sie endlich. Drei Kängurus sind dort beim Entspannen zu beobachten. Er wusste doch, dass er uns hier ein paar unserer liebsten Tiere zeigen kann. Hier mitten in Tamworth.
Danach geht es zum Haus von Steward. Im Garten hinter dem Haus hat er kurzerhand einen Zaun errichtet und auf dem so abgetrennten Grundstück damit begonnen ein weiteres Haus zu bauen. Ringsum ist daher alles sehr klein, das Haus an sich macht aber schon im Rohbau einiges her. Bis auf das Fundament hat er alles selbst gebaut. Wie praktisch das er gelernter Tischler ist. Doch um ein ganzes Haus zu bauen, da gehört noch einiges mehr dazu. Sobald es fertig ist, soll es wie das Vorderhaus langfristig vermietet werden.
Nächste Woche kommt Stew aus Newcastle nach Tamworth und bereitet alles soweit vor, dass die Einfahrt aus Beton gegossen werden kann. Zu diesem Zweck entfernt Russel die zuvor ausgelegten Planen. Die letzten Wochen waren so regnerisch, dass die Planen benötigt wurden damit nicht alles in Schlamm versinkt. Damit jetzt die Einfahrt vorbereitet werden kann, müssen die Planen weg und alles bestmöglich trocknen. Wir bieten mehrfach unsere Hilfe an, doch das meiste mach Russel allein.
Kurz darauf stehen wir vor dem Regal mit Blinker-Boxen in einem Elektro-Fachgeschäft. Schnell ist eine Box gefunden, die unserer bis ins Detail gleicht. Nur stehen andere Zahlen drauf. Da brauchen wir Unterstützung vom Personal. Im Gegensatz zu den Kollegen von SupercheapAuto, wird uns hier auch wirklich geholfen. Statt der blauen Box gibt es am Ende eine schwarze, aber mit den richtigen Zahlen. Sagenhafte 50 $ kostet das gute Stück. Hoffentlich geht die nicht auch direkt in Rauch auf.
Bevor wir zurück zur Farm fahren, zeigt uns Russel die Maschinen, die er bei seinem nächsten Job bewegt. Ein Freund hat ihn gebeten bei der kommenden Ernte einen seiner Mähdrescher zu fahren. Bevor es losgeht, muss Russel noch ein paar Ersatzteile einbauen. Dafür nimmt er heute Maß und zeigt uns bei dieser Gelegenheit die riesigen Fahrzeuge.
Riesig ist fast noch untertrieben. Die Reifen sind höher als Sarah groß ist. In der Tat sogar größer als Cecil. Wir dürfen sogar hochklettern und probesitzen. Gute vier Meter über dem Boden schwebt man hier über den Tatsachen. Nur die hunderten Hebel, Schalter, Kontrollleuchten und Drehregler überfordern einen bereits ohne auch nur einen einzigen davon bedienen zu müssen.
Zur Hochsaison ist so ein Gerät von 7 Uhr morgens bis Mitternacht im Einsatz. Ungefähr 60 Liter Diesel pro Stunde werden dabei verbrannt. Der Mäh-Aufsatz ist in der Regel mindestens 10 Meter breit. Modernste GPS-Steuerung erleichtert dem Fahrzeugführer die Arbeit das Feld bestmöglich abzuernten. Ab 800.000 $ geht der Spaß los, sollte man mit dem Gedanken spielen sich so ein Gefährt zuzulegen. Einen speziellen Führerschein braucht man in Australien dafür nicht.
Nach dem Mittagessen verspricht Russel bei uns vorbeizukommen und das neue Teil einzubauen. Wir versuchen in der Zeit mehr über die geplanten Lockerungen ab dem 01.06. herauszufinden. Doch zum Thema Camping finden wir wenig. Lediglich die bezahlpflichtigen Stellplätze öffnen wieder und man muss im Voraus buchen. Für unsere Art des Reisens ist das wenig hilfreich und können wir uns auch auf Dauer auch nicht leisten.
Spontan wollen wir noch heute einkaufen gehen. Der Tag läuft so oder so völlig anders als geplant. So könnten wir ihn wenigstens noch einigermaßen sinnvoll nutzen. Das Zelt ist bereits eingeklappt und wir haben nichts Besseres vor. Doch Russel kommt einfach nicht wieder. Zur Überbrückung dieser ungewissen Zeitspanne fängt Sarah an zu stricken und Cecil räumt Koby etwas auf.
Wir fangen gerade damit an unsere Sandwiches für den zweiten Anlauf auf den Mount Kaputar vorzubereiten, als endlich Russel auftaucht. Das neue Teil ist schnell eingebaut und bis auf das Blinklicht hinten links funktioniert alles bestens. Sicherheitshalber testen wir auch noch die Warnblinker und sofort ist alles wieder tot. Da auch die Hupe nicht funktioniert, und wir die Belegung der Sicherungen langsam auswendig kennen, ist der Defekt allerdings in Sekunden gefunden. Wir ersetzen die kaputte Sicherung und nehmen uns vor die Warnblink-Anlage nie wieder zu benutzen. Ein aktuell gern geschlossener Kompromiss.
Jetzt ist es bereits 15 Uhr. Wir stellen unseren Entschluss, heute noch einkaufen zu gehen, kurz infrage. Man könnte die verbleibenden zwei Stunden Sonnenlicht auch genießen. Doch wir wollen das lästige Einkaufen hinter uns bringen und machen uns auf den Weg. Wie von der Tarantel gestochen, hetzen wir durch den Laden. Spaß macht das so keinen. Als kleines Dankeschön für die vergangenen Tage besorgen wir noch ein 10-Pack Mercury Cider für Wendy und eine Packung Grillanzünder für Russel. Auf dem Rückweg bemerkt Cecil, dass die Anzeige für den linken Blinker, wenn überhaupt nur sehr schwach auf dem Armaturenbrett leuchtet. Am besten beschränken wir das Blinken in Zukunft auf das Minimum. Hier in Australien, außerhalb von größeren Städten, sollte das kein Problem darstellen. Meistens ist innerhalb eines Radius von 100 km kein anderer Verkehrsteilnehmer zu finden.
Ein was Gutes hat dieser Tag dann am Ende doch: durch unsere spontane Einkaufs-Aktion konnten wir frisches Fleisch besorgen. Wir haben uns für Burger entschieden. Dieses Mal peppen wir das ganze mit Halloumi, statt dem gewöhnlichen Käse, und Rucola aus dem Garten von Wendy auf. Gesättigt und erschöpft, gehen wir anschließend sehr früh ins Bett. Wir versuchen noch zu lesen, doch bereits nach wenigen Seiten geben wir uns geschlagen.
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