26.06., Freitag: Lilydale Camping Area - Koby's Heilung

Die Kälte am Morgen ist lähmend. Wie bereits am Vorabend wirft Sarah erneut einen Blick auf den Wetterbericht. Draußen erwarten uns knackige -3°, die sich durch eine leichte Brise wie -8° anfühlen sollen. Da bleiben wir doch lieber noch etwas liegen. Wir nutzen die Zeit, um nach Schrottplätzen in der Umgebung zu googeln. Tatsächlich scheint Grafton eine gute Adresse zu sein. Gegen kurz nach 8 Uhr trauen wir uns das Zelt zu verlassen.


Nach dem Frühstück hört sich Cecil ein wenig rum. Bei drei Schrottplätzen hinterlässt er Telefonnummer und Name. Alle versprechen nach dem Teil zu schauen und sich anschließend zurückzumelden. 
Während wir im Anschluss zusammenpacken und Sarah gerade oben im Zelt verschwunden ist, um dort alles für die Abreise vorzubereiten, wird Cecil von unserem Camper-Nachbarn in ein Gespräch verwickelt. Ob es in unserem Dachzelt nicht viel zu kalt sei, möchte er wissen. Es folgt ein Gespräch über Gott, die Welt und natürlich Corona. Das heißt es ist eher ein Monolg. Nach den ersten 10 Minuten steht Cecil irgendwann nur noch höflich lächelnd da und nickt wo es sein muss. Laut dem Camper, etwa 65 Jahre alt mit langem weißen Haar und Bart, ist das alles eine große Verschwörung der Politiker, dass die Grenzen immer noch zu sind. Aber wir sollten es positiv sehen. So haben wir eine einzigartige Geschichte zu erzählen. Tja danke, auf die würden wir gerne verzichten und einfach ganz langweilig unsere ursprünglich geplante Reise antreten. 
Nach gut einer Stunde haben wir von noch keinem Schrottplatz eine Rückmeldung erhalten. Wir machen uns trotzdem auf den Weg in Richtung Küste. Sollte das Teil in Grafton nicht zu finden sein, müssen wir es in Coffs Harbour oder Lismore probieren. So oder so, müssen wir nach Osten zurück. Kurz vor Glenn Innes erhalten wir einen Anruf und der erste Schrottsammler teilt uns mit, dass er leider kein entsprechendes Ventil finden konnte.

Im Ort kaufen wir Ersatzbirnen für das Standlicht und die Kennzeichen-Beleuchtung. Gegenüber, auf dem Parkplatz von Woolworths, werden wir unseren Pfand los. Ausgerechnet hier ist die Pfandrückgabe direkt vor dem Supermarkt. Doch jetzt schon einkaufen macht keinen Sinn, da wir dann nur unnötig Gewicht zur Küste kutschieren. Außerdem gibt es in Grafton einen Aldi, bei dem wir planen einen Großteil des Einkaufs etwas günstiger zu erledigen.
Unsere Vorräte an Chips und Schokolade dagegen füllen wir bereits hier in Glenn Innes bei einem “The Reject Shop” auf. Die Preise sind oft unschlagbar. Eigentlich wollte Sarah nur eine neue Zahnbürste kaufen. Immerhin landet diese ebenfalls für 1 $ im Einkaufskorb.
Bei einem Tankstopp, bevor wir uns auf den Weg nach Grafton machen, entdecken wir auf einer angrenzenden Wiese eine Herde Alpacas. Endlich mal wieder ein paar Tiere, wenn auch keine wilden. Trotzdem sorgen Alpacas allein durch ihr drolliges Aussehen immer wieder für gute Laune bei uns beiden.


Eher zufällig kommen wir an der Stadtgrenze von Grafton an einem der Schrottplätze vorbei, bei denen wir heute morgen angerufen haben. Nachdem Cecil den Laden, oder eher die Garage, betreten hat, wird ihm ein junger Mitarbeiter zur Seite gestellt. Kurz darauf sitzen sie in einer alten Karre, die hoffentlich nur noch hier auf dem Schrottplatz gefahren wird. Bei einem roten Jackaroo, Baujahr 2001, kommen wir mit quitschenden Bremsen zum Stehen. Das Ventil hat zwar eine andere Farbe, scheint aber ansonsten exakt gleich. Während der junge Schrauber das Teil ausbaut, erinnert sich Cecil an die fehlende Abdeckung des Sicherungskastens im Innenraum. Tatsächlich ist sie bei dem Wagen hier noch da und kurzerhand nimmt Cecil sie mit. Mehr als ein paar Dollar wird das Ding nicht kosten.
Am Ende kriegen wir die Abdeckung kostenlos obendrauf und bezahlen für das Ersatzteil nur 60 $. Eine Garantie, dass es nicht ebenfalls defekt ist, gibt es nicht. Einen Computer haben sie hier nicht. Ansonsten hätte Cecil das Teil schnell selber gewechselt und getestet. So müssen wir wohl oder übel noch eine Werkstatt aufsuchen. Natürlich könnten wir das Ventil selbst wechseln, doch würde die “Check-Engine”-Leuchte wohl weiterhin leuchten. Sollte anschließend erneut ein Defekt auftreten, würden wir es nicht mitbekommen. Das finden wir doch eher subobtimal.
Ähnlich unserer Irrfahrt in Glenn Innes entdecken wir die Werkstatt am Ortseingang von Grafton in einem Hinterhof. Wieder wird uns sofort geholfen. Der Einbau geht schnell. Dann kommt der Computer zum Einsatz. Cecil witzelt, dass alleine das anschließen dieses Teils ihm bei der letzten Werkstatt 50 $ gekostet hat. Der Witz kommt allerdings nicht an, da es hier genauso ist. Immerhin würde dieses Wunderding stolze 4000 $ kosten und zwei Mal im Jahr ein Update für je 500 $ benötigen. 
Die gute Nachricht ist, dass unser günstig erstandenes Ventil seinen Dienst tut und nach dem Einbau die Warnleuchte nicht erneut aufblinkt. Noch dazu werden uns hier “nur” die 50 $ für das anschließen des Computers in Rechnung gestellt. Zusammen landen wir so bei 110 $ und ein paar Minuten Zeitaufwand. Gegenüber den 800 $, die ein neues Ventil gekostet hätte plus Computeranschluss, ein wirkliches Schnäppchen. Gewohnt pessimistisch, behält Cecil das Armaturenbrett weiterhin unter genauester Beobachtung, doch die Lampe bleibt aus.

Wie geplant, erledigen wir einen Großteil unseres Einkaufs anschließend bei Aldi. Etwas Alkohol landet auch auf dem Band. Doch da haben wir die Rechnung ohne die Kassiererin gemacht. Diese verlangt, zum ersten Mal während unserer bisherigen Reise, unsere Ausweise zu sehen. Sichtlich überrascht, findet Cecil glücklicherweise immerhin seinen Führerschein, doch Sarah hat nichts dergleichen dabei. Sie wirft ein, dass sie gar nichts kauft, sondern im Grunde nur Begleitung ist. Doch die Kassiererin zeigt keinerlei Einsicht. Sichtlich genervt macht sich Sarah auf dem Weg zum Auto, um ihren Ausweis zu holen, während die Dame an der Kasse Wein und Bier vom Band nimmt und derweil bei sich im Fußraum verstaut. Da das Scannen der Erdbeeren unerwartet lange dauert, ist Sarah mit ihrem Ausweis zurück, noch bevor der restliche Einkauf bezahlt ist. Im Nachhinein war es ja doch ein Kompliment mit ihren fast 30 Jahren ;) Lustigerweise entdeckt Sarah am Auto, dass sie ja für den Notfall immer die Pass-Kopien in der Tasche hat, die möglicherweise auch ausreichend gewesen wären. Egal, Ende gut, alles gut.
So war zumindest unsere Hoffnung. Doch es geht weiterhin bergab. Im Folgenden finden wir erst die Einfahrt zum Parkplatz von Woolworths nicht. Als wir endlich das Shopping Center, in dem sich der Supermarkt befindet, betreten haben, finden wir den Eingang zum Markt nicht. Mehrfach passieren wir den Food-Court und fahren die Rolltreppe runter und direkt wieder hoch, da diese lediglich zum Parkhaus im Untergeschoss führt. Dann an der Selbst-Scann-Kasse von Woolworths sorgt hauptsächlich ein Pfirsich dafür, dass wir insgesamt drei Mal darauf warten müssen, dass das Markt-Personal unsere Kasse entsperrt. Als wird endlich wieder auf der Straße sind, ist es bereits halb 5 und die Sonne fast untergegangen.

Mangels Alternativen und weil der Platz beim letzten Besuch sehr schön war, fahren wir wieder zur Lilydale Camping Area. Sogar unsere Stelle ist noch frei. Nur die Sonne ist bereits weg. In Erwartung einer weiteren kalten Nacht geht Cecil direkt los und sucht die Umgebung nach Feuerholz ab. In dieser Zeit baut Sarah das Zelt auf und bereitet das Abendessen vor. Nachdem wir in den letzten Tagen etlichen Versuchungen widerstanden haben, machen wir heute selber Burger. Dekadenterweise gönnen wir uns je einen Chicken- und einen Beef-Burger. Beide Varianten gelingen uns ausgesprochen gut. Doch es ist viel zu viel. Während Cecil glücklicherweise kurze Zeit später aus dem Fresskoma erwacht, hat Sarah noch den ganzen Abend mit dem Völlegefühl zu kämpfen. 
Das Lagerfeuer läuft eher schlecht als recht. Anscheinend sind die gefundenen Äste noch zu feucht gewesen. Ist aber auch nicht schlimm, da wir beide recht platt sind und das Bett ruft. Wir haben uns schon so gut wie darauf geeinigt den morgigen Tag noch hier zu verbringen. Nach der Aufregung der letzten Tage hätten wir nichts gegen ein wenig Müßiggang einzuwenden. 
Aus Angst vor schlechten Nachrichten beschließen wir erst morgen zu checken, was die heutige Parlament-Sitzung in Queensland zur Grenzöffnung ergeben hat. Immerhin ist es bereits halb 10 und wir sind reif fürs Bett. Dem teils erstaunlich lautem und frenetischem Muhen der Kühe auf einer nahen Weide zum Trotz, fällt es uns nicht schwer in den Schlaf zu finden. 

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