06.05., Mittwoch: Barkala Farmstay - Innere Revolution

Das Frühstück heute ist sogar noch anstrengender als es gestern bereits war. Wir betreten das Café und Belen ist bereits da. Laptop aufgeklappt und vertieft in einem lauten, aber unverständlichen Video-Anruf. Kai erzählt uns, dass er sich gestern bei der Arbeit vermutlich einen Splitter im Auge eingefangen hat. Daher geht es für ihn nach dem Frühstück nach Coonabarabran ins Krankenhaus. Er befürchtet zwar deswegen wieder Stress mit Maria zu kriegen, aber wir ermutigen ihn. Mit Sachen am Auge ist nicht zu spaßen. Er erzählt uns, dass in Australien bei Arbeitsunfällen der Arbeitgeber für einen Teil der Behandlungskosten aufkommen muss. Es folgen einige, teils unglaubliche, Geschichten über Arbeitsunfälle auf der Farm, die er selbst miterlebt hat. Am ehesten im Gedächtnis bleibt uns die Geschichte einer jungen Wwooferin, die beim Arbeiten auf der Farm von einer Schlange gebissen wurde. Als die Notärzte sie auf einer Trage zum Rettungswagen bringen, kommt Maria angerannt. Doch statt ihr alles Gute zu wünschen, bläut sie ihr ein, dass sie in keinem Fall sagen darf, dass es während der Arbeit passiert sei. Die Behandlung mit einem Gegengift hat die Wwooferin am Ende ca. 120 $ gekostet. Die Farm lediglich eine billige Arbeitskraft, denn die Frau hat verständlicherweise kurz nach dem Vorfall ihre Koffer gepackt.
Das alles erfahren wir, während Belen immernoch in unsozialer Lautstärke telefoniert. Kurz darauf kommen Brenda, Franco, Leeloo und Stan. Unsere Laune ist daher jetzt schon auf einem Tiefpunkt. Um dem ganzen die Kirsche aufzusetzen folgen weitere 5 Minuten später Regina, Johannes und die Kids. Wofür werden wir hier eigentlich bestraft. Nicht nur, dass wir beide keine ausgesprochenen Morgenmenschen sind, wir sind halt auch irgendwie keine Menschen-Menschen. Wir mögen es unsere Ruhe zu haben. Besonders morgens. Wenn man nun also am Toaster und der Kaffeemaschine anstehen muss, verlangt das eine immense mentale Stärke unsererseits. In einer Welt ohne Konsequenzen würden wir höchstwahrscheinlich amoklaufen. Wir bringen die Sache aber schnellstmöglich und ohne Blutvergießen hinter uns und sind wieder im Studio.
Kurz bevor wir das Café fluchtartig verlassen haben, bekommen wir zufällig einen kleinen Disput zwischen Regina und Johannes mit. Irgendetwas im Pub läuft nicht wie geplant und jetzt weiß man nicht, wie man die ganzen Leute einsetzen soll. Belen soll daher doch nicht mit in die Stadt kommen. Stattdessen wäre es doch gut, wenn sie weiterhin an den GPS-Koordinaten der Wanderwege arbeitet. Im Grunde bedeutet das, dass sie die Tracks abläuft und dabei eine Handy-App aktiviert hat, die die Koordinaten aufnimmt. Um es noch deutlicher zu sagen: Sie wird fürs Wandern “bezahlt”. Das ist doch mal ein Job, den man gerne macht.

Für uns dagegen sieht die Welt ein wenig anders aus. Cecil verbringt alleine 2 ½ Stunden damit die Flaschen in seinem Fenster zu putzen. Am Ende lassen sich Zement und Bond-Crete nur mit einem Spezial-Reiniger entfernen. Das Fenster ist endlich komplett fertig :)




Sarah muss nach Marias Order unbedingt in der Töpferei die Schalen fertig beschichten. Ursprünglich war geplant, dass sie mit Franco die Wanderwege pflegt.
Nachdem Cecil die Flaschen geputzt hat, macht er damit weiter den Ventilator zu putzen. Sarah ist auch noch vor dem Mittag mit dem Bemalen fertig und kann weiter das Beet im “White Garden” bearbeiten: Unkraut zupfen und mit Mulch zu belegen.

Beim Mittag sitzen wir mit Cathy und Cole an einem Tisch und haben wieder sehr nette Unterhaltung. Die beiden sind echt in Ordnung. Cathy, mitte 30, ist Lehrerin und ursprünglich aus Frankreich. Vor 15 Jahren kam sie als Backpackerin nach Australien, ist irgendwann auf der Farm gelandet und geblieben. Hier hat sie dann vor 10 Jahren Cole kennengelernt. Ihn schätzen wir auf Ende 30 und er ist Kanadier. Mit beiden werden wir die kommenden Tage noch öfter Kontakt haben. Sei es arbeitstechnisch oder privat, es macht immer großen Spaß mit den zweien.
Den Rest der Pause verbringen wir damit einen zweiten Instagram-Post abzusetzen und in der Postkarten-App nach einer geeigneten Grußkarte für den bevorstehenden Muttertag zu schauen.

Anschließend widmet sich Cecil wieder dem Ventilator und Sarah dem “White Garden”. Sarah bekommt dabei Unterstützung von Franco. Der hat, ohne Absprache, ab 14 Uhr bereits wieder gearbeitet. Wir sollten auch wieder unser Ding machen. Wenn wir erwischt werden, kann doch nicht viel passieren. Wir sind mal wieder die blöden, die sich an die Regeln halten, während alle anderen machen was sie wollen. Oft genug kommt es uns genau so vor. Ab und zu regt sich dann ein kleines Revoluzzer-Gen in uns. Schauen wir mal, ob es sich durchsetzen kann. Cecil geht gleich mit gutem Beispiel voran und holt in den letzten Minuten seiner Arbeitszeit Feuerholz für unseren Ofen im Studio. Der traut sich was ;)

Schnellstmöglich schmeißen wir uns nach Feierabend in unsere Sportsachen und gehen laufen. Wir schaffen die 5km-Runde vom Montag und hängen noch 2 km auf der Zufahrtsstraße ran. Danach ist selbst bei Cecil noch genug Kraft für eine 5-Minuten Plank-Challenge übrig. Zumindest denkt er das. Bei einer sogenannten Plank, hält man den Körper für eine gewisse Zeit unter Spannung. Zum Beispiel im Unterarm-Stütz, die der Ausgangsposition für den Liegestütz ähnelt, nur das man den Körper auf den gesamten Unterarm stützt und so längstmöglich verharrt. Nach diversen Varianten dieser “Planks”, genauer nach 5 Minuten mit diversen Varianten, ist Cecil dem Tode nahe. So anstrengend hätte er es nie erwartet. Aber ist es erst einmal durchgestanden, fühlt man sich unweigerlich gut. Sarah hat sie schon etliche Male gemacht und ist daher etwas unbeeindruckter, aber freut sich, dass Cecil sich der Herausforderung gestellt hat.
Nach dem Duschen kommen wir ein wenig mit den Franzosen ins Plaudern. Vor allem interessiert und Stan's Arbeitstag im Pub. Der Pub ist wohl riesig und erstreckt sich über zwei Etagen. Unter anderem sind dort ein Restaurant, ein Pub, ein Café und im Obergeschoss Unterkünfte geplant. Bei dem hier auferlegten Sparzwang, versteht man da nicht ganz wie man solch eine riesige Baustelle über Jahre finanzieren kann bzw. teilweise brach liegen lässt.

Gegen 18:20 Uhr wird die Glocke am Café geläutet. Zum Dinner gibt es Mungo-Bohnen-Suppe mit frischen, selbstgebackenen Brötchen. Diese sind das wahre Highlight und das Essen im Allgemeinen daher in Ordnung. Die Mungo-Bohnen hat Sarah einige Tage vorher in Wasser eingelegt und täglich gewaschen. Die Bohnen sprießen dann nach einigen Tagen und dann heißt es sie eher trocken zu halten.


Dafür das “lediglich” eine Bohnen-Suppe zubereitet und Brötchen gebacken wurden, sieht die Küche danach katastrophal aus. Noch nie haben wir so lange für das Reinigen benötigt wie heute. Cecil wischt sämtliche Oberflächen ab und muss teils ordentlich schrubben.
Zu der völlig verdreckten Küche kommt aber noch ein weiteres Problem hinzu: Wir sind zu viele Helferlein. Bei Sarah kommt es soweit, dass sie gar nicht mehr weiß, was sie jetzt noch machen soll. Prompt fängt sie sich von Charlotte einen pampigen Spruch ein. Anstatt nur rumzustehen, solle sie lieber die Küche wischen. Dort sind zwar gerade vier Personen mit Abwaschen, Abtrocknen und sonstigem beschäftigt, aber sie tut wie ihr befohlen.

Es ist bereits halb 8, als wir wieder im Studio sind. Auffällig war nicht nur der extreme Putzaufwand nachdem eine einfache Suppe zubereitet wurde, sondern auch das gewisse Personen wieder wenig bis gar nicht beim Aufräumen geholfen haben. Auch hier sollten wir also zusehen in Zukunft mehr auf uns selber zu achten.
Genervt von dem Abend und dem sich erhärtenden Verdacht, dass wir hier deutlich mehr machen, als so manch anderer und trotzdem gleich behandelt werden, ändern wir unsere Pläne. Eigentlich wollten wir zurück ins Café, um dort das bessere Wlan für ein paar Tagebuch-Posts zu nutzen. Wir haben aber absolut keine Lust mehr auf die anderen Nasen hier.
Stattdessen liest Sarah etwas Korrektur und bereitet weitere Posts vor. Cecil schreibt weiter am Tagebuch und liest danach noch ein Kapitel.

Kommentare

  1. Wielange hat Cecil an diesen tollen Flaschenfenstern insgesamt gearbeitet?

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    1. Das ganze Projekt zog sich aufgrund etlicher Unterbrechungen über mehrere Wochen, wie du gelesen hast ;) Insgesamt stecken wohl gute 40 Arbeitsstunden in dem großen und den beiden kleinen Fenstern.

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  2. 40h für ein Lebenswerk, ncht schlecht

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