30.09., Mittwoch: Tropic of Capricorn Rest Area - Nachtaktive Tiere
Zur Abwechslung war die vergangene Nacht erstaunlich ruhig. Das selbstgemachte Brot vom Vortag ist nicht schlecht. Etwas zu viel Backpulver vielleicht. Selbst der Reißverschluss an der Plane macht nur wenig Probleme.
Im Foyer des “Alice Springs Desert Parks”, den wir gegen 9 Uhr erreichen, schieben wir stolze 37$ pro Person unter der Plexiglasscheibe hindurch. Die freundliche, aber auf eine Art roboterartig wirkende Frau dahinter, markiert uns die Highlights des Parks auf einer Karte. Immer wieder betont sie dabei die “Bird Show”. Eigentlich wollten wir diese nicht besuchen. Zu viel Trubel, zu viele schreiende Kinder. Jetzt siegt doch die Neugier.
Auf dem Weg zum Ort der Vorstellung treffen wir tatsächlich schon auf mehr schreiende Kinder als uns lieb ist. Wir fragen uns, ob sich die eigene Einstellung demgegenüber tatsächlich ändert, sobald man selber Kinder hat. Es fällt uns schwer, das zu glauben.
Wir passieren ein Gehege mit Dingos. Zwei Tiere können wir entdecken. Eines im Schatten unter einem Baum, eines im Schatten unter einem umgefallenen Baum. Beide mehr oder weniger regungslos. Das mag an der bereits drückenden Hitze liegen. Uns ist trotzdem nicht wohl dabei, diese armen Geschöpfe weiterhin zu beobachten. Es ist nicht lange her, da haben wir einen Artgenossen am hellichten Tag munter durch “Ruby Gap” schlendern sehen. Vielleicht war es doch ein Fehler hier herzukommen und damit das Einsperren von Tieren zu unterstützen.
Ein heller Schrei eines der Kinder reißt uns aus unseren Gedanken. Wir besinnen uns und setzen unseren Weg zur Vogelschau fort.
Wir suchen uns einen Platz etwas abseits der Menge. Ähnlich einer Freilichtbühne umgeben, in einem Halbkreis angeordnete Bänke, eine kleine “Bühne”. Diese ähnelt dem natürlichen Wüstenhabitat im “Red Centre” um Alice Springs. Ein paar Büsche und Bäume säumen den Rand. Die Show an sich ist dann tatsächlich ganz schön. Für einen kurzen Moment vergisst man, dass man sich im Grunde in einem Gefängnis befindet. Ein Adler fliegt dicht über unseren Köpfen hinweg. Aus einem hohlen Baumstumpf schlüpft auf Kommando eine schneeweiße Eule. Wenn man die Augen schließt, fliegt sie völlig unbemerkt an einem vorbei. In der Nacht, ihrer eigentlichen Jagdzeit ist sie so der perfekte Jäger und gänzlich unsichtbar.
Als nächstes wird ein Bussard auf die Bühne gerufen. Der zeigt sein unglaubliches Talent bei der Nahrungsbeschaffung. Zuvor wurde die Attrappe eines Emu-Eis platziert. Der Bussard schnappt sich mit dem Schnabel einen Stein und schleudert diesen mit einer ruckartigen Bewegung auf das Ei, um so an dessen Inneres zu gelangen. Die ersten Male verfehlt er es. Der Bussard wirft dem Publikum einen verachtenden Blick zu, als alle lachen. Dann schafft er es. Ein Stück Fleisch wartet zur Belohnung zwischen der zerbrochenen Schale.
Nachdem in ähnlicher Manier die Jagdkünste eines Falken demonstriert wurden, endet die Aufführung. Wir können nicht anders, als von den Vögel fasziniert zu sein. Einige haben wir davor bereits etliche Male in freier Wildbahn am Himmel kreisen sehen. Den ausgefeilten Ablauf ihrer Jagd aus nächster Nähe zu beobachten, war uns bisher jedoch verwehrt geblieben.
Vom Schauplatz der “Bird-Show” biegt ein Großteil der Menschen im Anschluss zu den Kängurus ab. Wir verhalten uns gewohnt antagonistisch und wählen daher den Weg zum “Nocturnal House”. Hier erwarten uns Geschöpfe, die man sonst nur bei Nacht sieht. Einige davon auch dann nur mit viel Glück.
Die ersten Vitrinen enthalten Skinke, Lizards, Spinnen und Skorpione jeglicher Art. Sogar ein paar Exemplare der tagaktiven “Desert Death Adder”, einer der tödlichsten Schlangen Australiens, sind mit von der Partie. Der letzte Schaukasten in dieser Sektion besteht zunächst nur aus einem gewöhnlichen Strauch. Wir müssen zunächst ganz genau hinschauen. Doch hat man sie einmal entdeckt, springen sie einem förmlich ins Auge. Bis zu 30 cm lang und fingerdick sind die astähnlichen Insekten in der Vitrine. Wirklich bizarre Kerlchen.
Anschließend betreten wir den dunklen Teil der Ausstellung. Gleich hinter dem ersten Fenster liegen zwei Pythons. Eine hat sich eingerollt und macht keinerlei Anstalten sich zu bewegen. Neben ihr wurde ein toter Ast aufrecht platziert. Darum hat sich der Zellengenosse gewickelt und ist deutlich aktiver. Offenbar versucht die Würgeschlange vom Ast aus auf eine der nahen Felskanten gelangen. Für bestimmt 30 Minuten sind wir von diesem Schauspiel wie gebannt. Selbst für andere Besucher machen wir keinen Zentimeter Platz. Wir waren zuerst hier und sind offensichtlich auch die einzigen, die dieses Schauspiel würdigen. Selbst neben uns hätte man noch einen guten Blick, doch alle anderen Menschen gehen fast achtlos an dem Schaufenster der Pythons vorbei.
Immer wieder ragt die Schlange ihren Kopf zur nahen Felskante hinüber. Mit dem hinteren Ende stabilisiert sie sich, doch es will einfach nicht reichen. Immer weiter streckt sie sich. Es muss eine unglaubliche Anstrengung sein. Andererseits besteht das Tier fast ausschließlich aus Muskel.
Sie wagt einen letzten Versuch, doch rutscht plötzlich ab und baumelt kopfüber vom Ast. Wir erschrecken uns ziemlich, müssen jedoch gleichzeitig lachen. Was für eine Darbietung. Gerade so kann die Python ihr eigenes Gewicht am Ast halten. 2-3 mal schwingt sie hin und her, bevor sie zur Ruhe kommt. Im nächsten Anlauf schafft sie es dann endlich auf den Vorsprung. Was für eine Show. Wir hatten ganz schön Glück hier dabei sein zu können.
In den weiteren Schaukästen versuchen wir zunächst ohne auf die Infotafeln zu schauen, die enthaltenen Tiere zu erspähen. Wir sehen noch mehr Schlangen, Mäuse, Ratten, Echidnas, Bilbys und Fledermäuse. Doch das Mala ist definitiv das süßeste Tierchen hier im Haus. Dem Wallaby sehr ähnlich, aber nochmals deutlich kleiner, springen ein paar der Beuteltiere munter durch ihr Revier. In freier Wildbahn fast ausgestorben, werden aktuell Versuche unternommen die Population wieder zu erhöhen. Wir hoffen inständig es gelingt. Sarah hat ein neues Lieblingstier gefunden.
Das Mala ist nicht das einzige Tier, welches, wenn überhaupt, nur noch auf kleineren Inseln vor der Küste Australiens gefunden werden kann. Einrichtungen wie der “Desert Park” helfen dabei, die Arten zu erhalten. Auch wenn wir im Grunde gegen das Einsperren von Tieren sind, unterstützen wir es in diesem Fall gerne.
Am Ende des “Nocturnal House” sind wir positiv überrascht. Eine tolle Erfahrung so seltene und nachtaktive Tiere aus nächster Nähe beobachten zu können. Dazu waren die Informationstafeln nicht zu überladen und prägnant. Eine Frage blieb allerdings unbeantwortet: Machen sie hier in der Nacht das Licht an, um den Tag zu simulieren?
Unterwegs zu den Kängurus passieren wir einige begehbare Vogelgehege. Lange halten wir uns darin nicht auf. Der Anblick der kleinen Flieger ist dann doch zu traurig. Wie sie an den Netzen hängen und sehnsüchtig nach draußen schauen, wo ihre Artgenossen uneingeschränkt umher flattern können.
Die drei roten Riesenkängurus machen gerade Mittagspause. Es ist ganz schön heiß geworden. Da geht nicht viel mehr als unter einem Busch im Schatten zu liegen. Das Alphatier liegt etwas abseits der Gruppe. Arme und Brustmuskeln sind beeindruckend, von den Beinen ganz abgesehen. Im Stand misst es bestimmt knappe zwei Meter.
Unseren letzten Halt legen wir bei einem Perentie ein, die größte Echsenart hier in Australien. Schon lange warten wir darauf ein solches Exemplar endlich zu sehen. Der Anblick macht uns jedoch traurig und lange können wir nicht hinsehen. Der stattliche Waran sitzt am Rand seines Geheges und kratzt mit den langen Krallen einer Hand am Plexiglas. Es ist herzzerreißend. Wir fühlen uns plötzlich doch wieder schlecht. Nur für uns Touristen ist dieses arme Tier gefangen und eingesperrt worden.
Wir verlassen danach den Park. Das “Nocturnal House” hat uns wirklich fasziniert, doch die armen Vögel und der Perentie in ihren kleinen Gehegen hinterlassen einen faden Beigeschmack.
In Alice Springs angekommen, machen wir ein paar Besorgungen und buchen den Campingplatz für die kommenden zwei Tage. Enttäuscht muss Sarah feststellen, dass es bei Woolworths keine “Ooshies” mehr gibt und dabei fehlen uns doch noch so viele coole Exemplare. Nach dem Tanken gibt es dafür eine positive Nachricht: Koby verbraucht “nur” noch 17 Liter auf 100 km. Es geht langsam wieder in die richtige Richtung.
Bei “Supercheap Auto” wollen wir erneut unsere Batterie zum Laden abgeben. Einfach abgeben, ist heute allerdings nicht. Zunächst begleitet uns ein Mitarbeiter zurück zum Auto und testet die Batterie. Da der Test in Ordnung ist, wird uns empfohlen weiter über die Solarpanele zu laden. Wahrscheinlich war es in den letzten Tagen schlicht zu bewölkt und die Batterie daher etwas schwach auf der Brust. Falls es nicht klappt, könnten wir gerne wiederkommen. Wir sind skeptisch, aber können für den Moment wohl nicht mehr machen. Wenn wir jetzt auf eine Ladung der Batterie bestehen, würde das bedeuten, wir vertrauen dem Urteil des Mitarbeiters nicht. Auf diese Konfrontation verzichten wir. Immerhin haben wir Gewissheit, dass mit der Batterie alles in Ordnung ist und unsere Panele im Normalfall genügend Leistung bringen. Wir geben der Sache daher zunächst eine Chance. Auch wenn uns damals der Mitarbeiter in Darwin gesagt hat, dass die Batterie alleine mit Solarpanelen nicht genügend Spannung halten kann.
Auf unserem Weg aus der Stadt, kommen wir bei der Werkstatt vorbei, in der wir vor einigen Wochen unseren “10k-Check” haben machen lassen. Der Mechaniker hatte uns damals angeboten, dass wir gerne nochmal vorbeischauen können, wenn sich das Problem mit dem EGR-Ventil, also der “Check-Engine”-Lampe, nicht nach ein paar Mal tanken von Premium-Benzin gelöst hat. Es hat sich leider nicht gelöst und das Angebot schlagen wir natürlich nicht aus.
Der Mechaniker ist zum Glück vor Ort und erkennt uns auch direkt wieder. Ein erneutes Löschen des Fehlercodes führt zu nichts. Der Computer lässt die Lampe gleich darauf wieder aufleuchten. Eine weitere halbe Flasche “Fuel Doctor” landet im Tank von Koby und wir sollen weiterhin auf Premium-Treibstoff setzen. Wieder kostet uns der Service keinen Penny. “We do it the Aussie-Way”, antwortet der Mechaniker nachdem Cecil gefragt hat, was wir ihm Schulden.
Bevor wir uns wieder auf dem Weg machen, fragen wir ihn noch, was er von unseren abgeklebten Scheiben hält. Vor wenigen Tagen hat uns eine Camperin gewarnt, dass das illegal sei und teils heftige Geldbußen verhängt werden. Von unserem Mechaniker kommt allerdings Entwarnung. Klar, wir blockieren damit die Sicht nach draußen und theoretisch ist es nicht legal. Doch wir schützen damit auch in gewisser Weise unser Eigentum vor neugierigen Blicken von Langfingern. Sollten wir jemals deswegen angehalten werden, sollen wir freundlich bleiben und den Sonnenschutz einfach abnehmen. Die Polizisten würden dafür nur direkt kassieren, wenn sie einen schlechten Tag haben. Wir sind beruhigt. Erneut wurde uns bei “Don Kyatt” mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Man kann diese Werkstatt nur empfehlen.
Unser Stammplatz auf der “Tropic of Capricorn Rest Area” ist noch frei und nur ein weiterer Camper sowie ein Auto sind vor Ort. Leider reist eine der Parteien mit einem großen Hund. Sarah bleibt daher zunächst im Auto, als er zu uns rüber kommt. Nachdem Cecil Tisch, Stühle und Solarpanel aufgebaut hat, ist die Luft rein. Sarah kann mit ihrem Sport-Programm beginnen und Cecil schreibt Tagebuch.
Am Abend stattet uns dann der Besitzer des Hundes inklusive Hund einen Besuch ab. Wir sind gerade dabei unser Zelt aufzubauen, als er uns in einen kleinen Smalltalk verwickelt. Sichtlich über 60 und hörbar starker Raucher, erzählt er uns er sei Goldsucher. Nach seiner Pensionierung hat er sich einen Detektor zugelegt und reist seither durchs Land. Immer mit der Hoffnung auf den großen Fund. Sein bisher größtes Stück hat gute 10 Unzen auf die Waage gebracht. Nicht schlecht, würde er sagen.
Nachdem wir ein wenig von unserer Reiseroute erzählt haben und nach einer Erwähnung des Kakadu Nationalparks zu Krokodilbegegnungen abgedriftet sind, begutachtet unser Nachbar das Dachzelt. Er selbst hätte auch eins. Wir fachsimpeln über die Vor- und Nachteile, den nicht immer leichten Aufbau und die störrischen Reißverschlüsse. Zu letzteren empfiehlt er uns ein Zeug namens “Easy Glide”. So oder so ähnlich würde das heißen und wohl wahre Wunder bewirken. Das klingt interessant und wir werden morgen gleich danach Ausschau halten.
Als wir wieder alleine sind, widmen wir uns erneut dem Tagebuch und den Fotos. Gute zwei Stunden sind wir damit beschäftigt, bevor es hoch ins Bett geht. Noch ein wenig lesen, dann wird geschlafen. Gute Nacht.
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