28.09., Montag: Hugh River Bush Camping - Der Kampf mit der Natur

Die Fliegenplage trifft uns heute bereits am frühen Morgen mit aller Kraft. Es ist erst halb 7, als wir das Zelt verlassen und nach nur wenigen Sekunden werden wir von Hunderten der Biester belagert. Sarah hatte sich vorgenommen, noch vor dem Frühstück Sport zu machen. Aufgrund der aktuellen Lage sagen wir jedoch das Frühstück ab. Sport fällt damit ebenfalls flach. Wir wollen nur noch weg von diesem Ort. Die Fliegen haben gewonnen. Fürs Erste.
In der “Serpentine Gorge”, unserem nächsten Ziel, ist es hoffentlich nicht so schlimm mit den Insekten. Kurz bevor wir die Schlucht erreichen, halten wir an einem Aussichtspunkt. Die Sicht ist nicht schlecht. Das Gegenlicht verbietet es jedoch eine brauchbare Aufnahme davon zu machen. 
 

In der Ferne sieht man den Mount Sonder
 
Das wahre Highlight sind ohnehin die Mülleimer. Endlich können wir unseren Abfall loswerden. Man glaubt gar nicht, wie viel Müll sich in so ein paar Tagen anhäuft. Und Mülleimer sind in den “West McDonnell Ranges” eine Rarität. Selbst unser Reiseführer weist darauf hin, dass sich eine Gelegenheit zur Müllentsorgung lediglich in der “Ormiston Gorge” befindet. Eine absolute Fehlanzeige, wie wir bereits vor ein paar Tagen feststellen mussten. Die Aussichtspunkte, die jedes Mal auch eine Art Rastplatz darstellen, scheinen daher ein echter Geheimtipp zu sein. Sogar ein Wassertank befindet sich vor Ort und wir füllen direkt sechs Flaschen auf. Damit sind wir für den Abwasch der kommenden Tage gewappnet.
Ungeahnt gibt es heute doch noch etwas Frühsport. Wohlgemerkt für uns beide. In der “Serpentine Gorge” angelangt, windet es ebenfalls starkt. Ohne Frühstück machen wir uns daher auf den dortigen Wanderweg. 1,1 km geht es über eine Gravelroad, die nur noch von den ansässigen Rangern genutzt wird, recht eintönig durch das Gelände. 
Das Wasserloch ist nicht mehr als eine schmutzige Pfütze. Wir sind wenig beeindruckt. Unsere knurrenden Mägen legen uns unmissverständlich Nahe, dass es das nicht wert war. 
 

Der Aussichtspunkt in unmittelbarer Nähe muss nun alles wieder ins Lot rücken. Über scheinbar endlose Stufen erklimmen wir die Felswand auf der östlichen Seite der Schlucht. Oben angekommen empfängt uns ein noch harscherer Wind als wir es zuvor schon fast gewohnt waren. Der Blick in die Schlucht, die sich hinter dem Wasserloch erstreckt, entschädigt jedoch für die vergangenen und andauernden Strapazen. Sogar Alli trotzt den Elementen und wir lassen sie ein paar Runden drehen.
 
 




Unter normalen Umständen wäre es nun endlich an der Zeit zu frühstücken. Der Wind pfeift uns allerdings immer noch unbarmherzig um die Ohren. Unserem kleinen Gaskocher gestehen wir dagegen keinerlei Chance ein. Letzte Hoffnung ist das “Ellery Creek Big Hole”, welches ohnehin noch auf unserer heutigen Agenda steht. Mit ein wenig Glück ist es dort weniger windig. 
Unser Traum von einem geruhsamen Frühstück platzt nicht mit einem Mal. Viel mehr wird er Stück für Stück auseinander genommen. 
Wir erreichen den Parkplatz vom “Ellery Creek Big Hole”. Ein paar überdachte Picknicktische stehen nicht weit von uns. Wir hätten sogar noch näher dran parken können, doch wir wählen unseren Stellplatz eher nach dem Stand der Sonne. Wie immer gilt: Das Solarpanel auf dem Dach soll in einem bestmöglichen Winkel stehen. Ohnehin sind es nur ein paar Meter, die wir unser Equipment und die Zutaten für ein gelungenes Frühstück tragen müssen. 
Die folgenden Ereignisse sind nicht erfunden. Wir wollen hier auch nichts überbetonen oder gar von einer Verschwörung sprechen. Es ist allerdings ganz klar, dass “der” Wind etwas gegen uns hat. Persönlich. 
Es herrscht nahezu Windstille. Ungewöhnlich, nach so einem luftigen Morgen. Während Cecil beginnt ein paar Eier in die Pfanne zu schlagen, scheint “der” Wind das auch zu merken. Er nimmt langsam an Fahrt auf. Noch bevor das Rührei verzehrbereit ist, haben wir alle Hände voll damit zu tun alles auf dem Tisch festzuhalten. Für einen kurzen Moment droht alles wegzufliegen. Doch am Ende glückt es.
Während wir unser Rührei essen, weht kein Lüftchen. Das nutzen die Fliegen voll aus. Wir können kaum essen. Die kleinen Insekten sind überall. In den Mundwinkeln, den Augen, den Ohren, auf deiner Gabel. Es ist zum verrückt werden. Dementsprechend steigt das Stressniveau in uns.
Nachdem wir das Rührei endlich geschafft haben (und es zum Glück vegetarisch blieb), machen wir uns ein paar Toasties. Wir versuchen das Ganze so zu zelebrieren wie gewohnt. Frühstück ist für uns wichtig. Die runden Toastscheiben werden sorgfältig mit einem Dip bestrichen, anschließend mit Tomate und Gurke belegt. Zum Abschluss landet noch eine Scheibe Wurst und Käse darauf. Fertig ist das “Super-Sandwich”. Gewissenhaft zubereitet, benötigt man dafür gute 15 Minuten. Eine einzige Böe zerstört das Ganze in einem einzigen Augenblick. 
Die Böe, die kurz darauf Sarahs Teller erfasst, ist im Vorfeld nicht zu erahnen. Trotzdem ist sie stark genug, das fertig belegte Toast-Brötchen innerhalb eines Wimpernschlags im wahrsten Sinne des Wortes wegzupusten. Cecils Laune ist bereits während der Zubereitung des Rühreies in den Keller gerutscht. Dort trifft sie sich jetzt mit der von Sarah. Das kann langsam kein Zufall mehr sein. Was auch immer da zwischen uns und dem Wind steht: Wir nehmen es mittlerweile persönlich. Man muss bedenken, unsere Lebensmittel sind abgezählt. Geht hier war durch solche Angriffe verloren, fehlt das an anderer Stelle.
 
Bevor auch noch bei der Zubereitung von Tee und Kaffee etwas schief geht, verzichten wir lieber und starten unsere Wanderung. Der 3 km lange “Dolomite Walk” ist ein Rundwanderweg, der uns auf einem angenehm zu gehenden Pfad durch bergiges Terrain führt. Laut den Informationstafeln zu Beginn des Weges, wird die Landschaft von allen möglichen Tieren bevölkert, die wir nur zu gerne sehen würden. Leider kriegen wir kein einziges, größeres Lebewesen zu Gesicht. Es gibt wieder nur die gewöhnlichen Ameisen und natürlich Fliegen. Dazu ist es noch immer bewölkt und daher das Licht für Fotos nicht optimal. Trotzdem lassen wir an einer geeigneten Stelle sogar Alli aufsteigen. Versuchen kann man es.
 
 

 
Zurück auf dem Parkplatz schnappen wir nur schnell unsere Schwimmsachen und machen uns auf zum Wasserloch. Wir sind ziemlich gespannt. Heute morgen konnten wir mehrere Menschen beobachten, die nach kurzer Zeit vom Waterhole zurückgekehrt sind. Handtücher und Haare waren eindeutig trocken. Vielleicht ist das Wasser gar nicht tief genug?
Nach wenigen Metern erreichen wir unser Ziel. Wasser ist definitiv genug vorhanden. Aber es ist immer noch bewölkt und ein leichter Wind geht. Es wird definitiv sehr kalt sein. Wahrscheinlich hat das unsere Vorgänger am Ende abgeschreckt. Zugegeben überlegen wir auch einen Moment, ob wir so eine Abkühlung wirklich brauchen. Wir können uns zusammenreißen und ziehen uns um. Wie kalt kann das Wasser schon sein. 
Es ist in der Tat a… abartig kalt. Wir müssen uns fast zwingen immer weiter in den See zu waten. Doch wenn man sich erst einmal an die Temperatur gewöhnt hat, geht es eigentlich. Cecil schnappt sich daher doch noch die GoPro und wir erkunden die Schlucht schwimmend. Ungefähr 150 Meter schwimmen wir. Durch den See und in die Felsspalte hinein. Als Sarah gegen einen unter Wasser verborgenen Stein tritt, beschließen wir es gut sein zu lassen. Von einer kleinen Sandbank mitten im Wasser, die Cecil zufällig mit den Füßen spürt, machen wir ein paar Fotos. Dann geht es schnell zurück. Langsam werden Arme und Beine taub. Genug mit der Erfrischung für heute.
 







 
Auf dem Weg zu unserem heutigen Campingplatz beginnt es tatsächlich zu nieseln. Eine Rarität hier im “Red Centre”. Was für ein Glück wir aber auch immer haben. Bereits 2018 durften wir uns über Regen am Uluru freuen. Wirklich ganz toll. Hoffentlich kommt die Ironie in diesen Zeilen deutlich genug herüber. Immerhin war es nur eine kurze Husche. 
Für die kommende Nacht haben wir uns den “Hugh River” ausgeguckt. Ein 15 km langer 4WD-Track führt entlang des trockenen Flussbettes von der Hauptstraße bis zu einer Gebirgskette. Das Campen ist entlang der gesamten Strecke erlaubt. Toiletten gibt es keine. Wir entscheiden uns daher dafür, so nah wie möglich in der Nähe der Straße zu bleiben. Morgen wollen wir früh los und da ist es wenig hilfreich, wenn wir zunächst im Schneckentempo über lose Steine und Sand gurken müssen.
Wir finden nach ca. 400 m ein nettes Plätzchen ohne zu viele Bäume ringsherum. Falls sich die Sonne doch noch blicken lässt, haben wir hier gute Chancen noch ein wenig Solarenergie abzuzapfen. Beim Aufbau des Zeltes reißt einer der Halteriemen vom Regencover ab. Wir unternehmen direkt einen Versuch den Schaden zu beheben. Allerdings ist unser verfügbarer Faden deutlich zu dünn und verknotet sich durch den Wind ständig. Dazu ist die Position äußerst ungünstig. Der Riemen an der linken vorderen Ecke ist gerissen. Sarah steht auf ungemütlich auf der Leiter und Cecil muss sich ziemlich strecken, um überhaupt heran zu kommen. In der Haltung zu nähen, ist eine wahre Tortur. Wir brechen die Aktion ab. Zunächst muss ein ordentlicher Faden her. Notdürftig hält es zunächst mit den wenigen Stichen, die wir bereits gesetzt haben. Hoffentlich bis wir wieder in Alice Springs sind.
 
 
Den Rest des Tages können wir nur unter unseren Fliegennetzen verbringen. Dazu windet es weiterhin stark. Das Ganze wirkt sich natürlich wieder negativ auf unsere Laune aus. Egal wie sehr man versucht sich von den Biestern oder dem Wetter nicht ärgern zu lassen. Irgendwann bricht jeder ein. Es grenzt an Folter. 
Nach einem kleinen Snack zum Mittag, den wir dank der Fliegen nur wenig genießen konnten, entlädt sich etwas von dem angestauten Frust. Wir sind gerade beim Abwasch. Die Fliegen bedecken große Teile des Tisches auf der Suche nach Nahrungsresten. Mit einem kleinen Schneidebrett erschlägt Cecil zehn auf einen Streich. Sofort kommen ihre Artgenossen. Jedoch nicht um eine Trauerfeier abzuhalten, sondern um sich an den Toten zu laben. Es ist wirklich widerwärtig. Cecil schlägt direkt erneut zu. Sarah steigt mit der Fliegenklatsche mit ein, doch wir werden der Situation einfach nicht Herr. Auf jede tote Fliege kommen drei lebendige nach. Ein aussichtsloser Kampf. 
 

 
 

 
 
Wir probieren alles, um uns vom Wetter und dem Viehzeug nicht den ganzen Tag versauen zu lassen. Sarah kann sich trotz der Fliegen zum Sport überreden. Immerhin hat der Wind ein wenig nachgelassen. Das Workout geht daher verhältnismäßig glatt über die Bühne. Anschließend macht sie sich an die Fotos der vergangenen Tage. Cecil schreibt fleißig am Tagebuch weiter. Von 16-20 Uhr ziehen wir durch.
Gegen 19 Uhr ebbt die Fliegenplage endlich langsam ab. Bis dahin war es purer Psycho-Terror. Mit dem Netz über dem Kopf kann man nur schlecht sehen und kriegt weniger Luft. Sobald man es jedoch abgesetzt hat, wurde man regelrecht von Fliegen überfallen. Augen, Ohren und Nase sind dann wie immer die am häufigsten attackierten Ziele. Es ist so krass, dass wir es sogar in Videos festhalten. 
Um 20 Uhr gibt es Abendessen. Die Fliegen sind danach endgültig weg. Wir haben trotzdem keine Lust mehr draußen zu bleiben. Wer weiß, ob jetzt nicht die Mücken übernehmen. Lieber schnell hoch ins Zelt, noch etwas lesen und dann einfach schlafen. Wir sind irgendwie froh, dass dieser Tag vorbei ist. Morgen sieht die Welt da draußen bestimmt wieder ein wenig freundlicher aus. Zumindest versuchen wir uns das einzureden. 
Wie aufs Kommando, dreht der Wind erneut auf. Es stürmt regelrecht. Das ist nicht unser Tag.
 


 

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