29.09., Dienstag: Mueller Creek Rest Area - Simpsons Gap
Der Sturm in der vergangenen Nacht hat uns nur wenig schlafen lassen. Es wurde stetig schlimmer und hat seinen Höhepunkt gegen 1 Uhr nachts erreicht. Eine besonders heftige Böe hat die Halteriemen der Zeltabdeckplane vom Dach gerissen. Die Metallschnallen an deren Enden schlagen in der Folge wie wild gegen Koby. Cecil quält sich aus dem Bett und verstaut sie wieder bestmöglich auf dem Dach. Alles andere schlackert weiterhin heftig und lautstark im Wind. Kurzum: Wir sind wahrlich froh, als der Wecker um 6 Uhr diese Nacht für beendet erklärt.
Im Freien erwarten uns natürlich bereits die Fliegen sehnsüchtig. Wir packen so schnell es geht ein und fahren erneut ohne zu frühstücken los. Unser heutiges Ziel ist die “Simpsons Gap”. Direkt am Beginn der Zufahrtsstraße stehen ein paar Informationstafeln. Wir halten jedoch nicht an. Bestimmt erwarten uns ähnliche Tafeln, sobald wir den Parkplatz erreicht haben. Dann jedoch passieren wir eine kleine Parkbucht, die ausgeschildert ist mit “Woodland Trail”. Auf dem wollten wir heute unter anderem wandern. Kurz darauf ein weiterer Parkplatz für den “Cassia Hill Walk”. Auch der steht auf unserer Liste. Wir ahnen langsam, wo das hinführt. Bisher starteten die Wanderung in den “West McDonnell Ranges” ausnahmslos von einem zentralen Parkplatz. Hier an der “Simpsons Gap” scheinen die Wanderwege über ein größeres Gelände verteilt zu sein und jeder verfügt über einen eigenen Parkplatz. Und die liegen teilweise Kilometer voneinander entfernt.
Wir lassen diese Erkenntnis zunächst etwas sacken und fahren weiter bis zum Parkplatz der eigentlichen “Simpsons Gap” am Ende der Straße. Es ist noch immer recht früh und wir hoffen ein paar Rock-Wallabies zu erspähen. Kurz vor dem Wasserloch zwischen den beiden Felswänden, die das “Simpsons Gap” bilden, erstreckt sich am Hang zu unserer rechten ein Feld aus Steinen und Fels. Der Anblick lässt einen unweigerlich an einen Erdrutsch denken. Sehr wahrscheinlich ist so der Lebensraum für die possierlichen Beuteltiere entstanden.
Es dauert nicht lange, da kann Cecil das erste Wallaby entdecken. Gut getarnt im Geröll und einige Meter hoch den Hang hinauf sitzt es und werkelt an seinem Beutel herum. Kurz darauf entdeckt Sarah ein weiteres und Cecil ein Drittes. Sobald man sie erstmal entdeckt hat, sind sie gut zu erkennen. Doch schaut man auch nur für einen Augenblick weg, zum Beispiel, um die Kamera rauszuholen, hat man einige Mühe die Tiere wiederzufinden. Wir versuchen so nah es geht heranzugehen, ohne auf die Felsen zu klettern. Es geht einem immer wieder das Herz auf, wenn man diese Tiere in freier Natur zu Gesicht bekommt.
Auf dem Weg zurück zum Parkplatz besprechen wir das weitere Vorgehen. Der ursprüngliche Plan sah vor den “Cassia Hill Walk” und einen Teil des “Woodland Trails” zu wandern. Zusammen würden wir damit auf gute 13 km Strecke kommen. Der “Woodland Trail” führt zunächst zum “Rocky Gap” (10 km return) und dann weiter zum “Bond Gap” (19 km return). Bis zum “Bond Gap” zu laufen erscheint uns zu lang und ist außerdem langweilig. Wir sind keine Freunde davon unseren eigenen Fußspuren zurück zu folgen.
Eine Infotafel am Parkplatz, auf dem wir auf dem Hinweg kurz gehalten haben, hat dann allerdings noch eine weitere Option offenbart. Vom “Bond Gap” aus kann man über den “Larapinta Trail” zurück zum “Simpsons Gap” gelangen. Über die Straße erreicht man dann den Parkplatz vom “Woodland Trail”. Gesamtstrecke: 21 km. Ein ordentliches Pensum, doch der Gedanke will uns nicht loslassen.
Zunächst steht ohnehin der “Cassia Hill Walk” an. Bevor es los geht, frühstücken wir vor Ort Müsli mit Joghurt. Es ist sogar ein Wasserhahn vorhanden, an dem wir direkt den Abwasch erledigen können. Sehr angenehm.
Der 1,8 km lange Rundwanderweg hat hingegen wenig zu bieten. Viele Büsche und Bäume sind mit Schildern versehen. Darauf befinden sich der Name des jeweiligen Gewächses. In Englisch, Latein und der Sprache der Aborigines. Wer soll sich das merken? Trotzdem ist es interessant zu manchen, bereits bekannten Namen, endlich mal eine Pflanze vor sich zu haben. Der Aussichtspunkt auf dem “Cassia Hill” ist ebenfalls ganz nett, aber keinesfalls ein Pflichtbesuch. Wir sind gespannt auf den “Woodland Trail”.
Vom Parkplatz aus starten wir zunächst zur “Rocky Gap”. Dort angekommen können wir immer noch entscheiden, ob wir weiterlaufen wollen oder umkehren. Der Weg ist ausnahmslos flach und das “Woodland” größtenteils tot. Nach ein paar Kilometern überholen wir ein Frauen-Duo. Bereits in der “Simpsons Gap” und auf dem “Cassia Hill Walk” sind wir den zwei begegnet. Wir schätzen sie auf Mitte 60 und wir sind von ihnen ziemlich beeindruckt. Die Wege zuvor waren relativ kurz, doch bis zur “Rocky Gap” und zurück sind es auf diesem Pfad gute 10 km. Noch dazu sind die zwei nicht mit dem Auto unterwegs, sondern auf dem Fahrrad. Wir befinden uns gute 30 km von Alice Springs entfernt. Wirklich beachtlich.
Die 5 km bis zum “Rocky Gap” haben wir in einer Stunde absolviert. Wir sind etwas enttäuscht. Der Weg hat weder schöne Aussichten, noch eine sehenswerte Flora zu bieten. Soll es das wirklich schon gewesen sein? Wir ringen lange mit uns selbst und entscheiden dann, dass es das noch nicht war. Wir gehen den 21 km langen Loop an.
Bereits kurz darauf bereuen wir unseren jugendlichen Leichtsinn. Unsere Beine haben schon am “Rocky Gap” signalisiert, dass es ihnen eigentlich für heute reichen würde. Doch jetzt ist es zu spät. Jetzt ziehen wir die Sache durch. Das wir auch immer jeden Wanderweg absolvieren wollen :)
Das Gelände wird zunehmend hügeliger, der Pfad damit anspruchsvoller. Überall liegt Kot von Wallabies und Kängurus auf dem Weg. Spuren sind ebenfalls deutlich zu erkennen. Wir kriegen jedoch bis zum Ende nichts lebendiges zu Gesicht. Sorry für den Spoiler.
8 km nach der “Rocky Gap”, erreichen wir den Abzweig zum “Bond Gap”. Das liegt jedoch noch 2 km von der Kreuzung entfernt. Und dazu in die falschen Richtung. Es ist ein wenig enttäuschend, doch wir entscheiden uns diese vier zusätzlichen Kilometer nicht auch noch anzutun.
Stattdessen biegen wir nach rechts ab
in Richtung des “Simpsons Gap”. Bis dahin sind es immerhin auch noch 7,3
km und von dort weitere 2 km über die Straße bis zu Koby.
Am
Fuße der Gebirgskette schlängelt sich der Pfad nach Osten und hat ganz
schöne Blicke über die Landschaft. Kurz vor dem “Simpsons Gap” holen wir
sogar eine Wanderin ein, die offenbar den “Larapinta Trail” absolviert.
Darauf schließen wir allerdings nur aufgrund ihres großes Rucksacks.
Allein von ihrem Körperbau her wären wir nie darauf gekommen. Sie
scheint uns nicht bemerkt zu haben. Wir wollen gerade zum Überholen
ansetzen, da stoßen wir auf eine Abkürzung zum Parkplatz des “Woodland
Trails”. Unterwegs haben wir kurz überlegt noch einmal in der Schlucht
nach Wallabies zu schauen. Jetzt sind wir allerdings froh, ein paar
Meter einsparen zu können. Bis zu Koby stehen noch 3 km an.
Die letzten zwei Kilometer müssen wir über den Asphalt der Zufahrtsstraße zurücklegen. Ein kleines Abschiedsgeschenk des “Woodland Trail Loops” an unsere Gelenke. Wir sind heilfroh, als Koby hinter einem Hügel endlich in unserem Sichtfeld erscheint. Geschafft.
Man sollte meinen, dass wir nach den bisherigen knapp 20 km nie mehr laufen wollen. Doch wer uns kennt, weiß auch, dass wir diesbezüglich nicht immer rational handeln. Wir fahren zurück zum “Simpsons Gap”. Nach den vergangenen Strapazen, würde uns die erneute Sichtung eines Wallabies für ein wenig Entschädigung sorgen.
Die paar hundert Meter in die Schlucht verlangen immense Willenskraft von uns. Jeder Schritt tut weh. Die Füße sind platt und die Gelenke verlangen dringend nach Entlastung. Noch dazu ist die Wahrscheinlichkeit jetzt noch ein Wallaby zu sehen nicht sehr hoch. Die Mittagssonne brennt und der Touristenstrom ist noch nicht abgerissen. Wir können es daher kaum glauben, als wir erneut drei Beuteltiere zu Gesicht bekommen. Eines lugt immer wieder hinter einem Stein hervor. Man fragt sich, wer hier wen beobachtet.
Zurück bei Koby, bringen wir seine Reifen mit unserem Kompressor wieder auf einen für Asphalt angemessenen Druck. Ab jetzt sind keine Gravelroads mehr zu erwarten. Kurz vor dem Parkplatz vom “Cassia Hill Walk” sitzt ein großer Waran auf der Straße (Gould's Goana). Cecil erkennt ihn bereits von weitem und beginnt zu bremsen. Genau auf Höhe der Echse, kann er Koby zum Stehen bringen. Sarah steigt direkt aus, Cecil bleibt noch im Auto. Die Gefahr ist zu hoch, dass er den Waran ansonsten verschrecken würde. Als Sarah sich nähert, bleibt er jedoch relativ gelassen. Cecil wagt es daher auch und steigt ebenfalls aus. Er lässt uns jedoch nur so nah heran, wie es ihm passt. Als wir seine imaginäre Grenze übertreten, flitzt er in höllischem Tempo los und verschwindet kurz darauf in seinem Bau etwas abseits der Straße. Das war ein gelungener Abschluss!
Der aktive Tag neigt sich dem Ende. Wir haben wenig Lust auf eine lange Autofahrt, doch die Aussicht am “Hugh River” erneut von Millionen Fliegen begrüßt zu werden, lässt alle Erschöpfung verblassen. Bis zur “Mueller Creek Rest Area”, neben der wir bereits unsere erste Nacht in den “West McDonnell Ranges” verbracht haben, liegt dazu nicht in unerreichbar Ferne. Es ist uns lieber die 56 km bis dorthin zu fahren.
Zu unserem Leidwesen ist der Rastplatz heute gut besucht. Zwei Autos und ein Quad parken an einem der Picknicktische. Uns werden skeptische Blicke zugeworfen, als wir auf den Feldweg einbiegen, der auf die freie Fläche hinter der Rest Area führt. Wir grüßen nett, können jedoch keinerlei Reaktion erkennen, außer dass wir weiterhin fixiert werden.
Wir hatten bisher keinerlei schlechte Erfahrungen. Niemand hat uns bisher blöd angemacht oder sogar Schlimmeres. Trotzdem überlegen wir für einen kurzen Moment, ob wir die kommende Nacht wirklich noch hier verbringen wollen. Die Einheimischen haben uns verunsichert. Jetzt stehen wir hier, nicht erkennbar von der wenig befahrenden Hauptstraße und kein anderer Camper ist zu erwarten. Wir fühlen uns nicht direkt bedroht, aber im Fall der Fälle gäbe es hier keinerlei Hoffnung auf eventuell nötigen Beistand. Die einzige Alternative wäre nochmal 80 km bis zur “Tropic of Capricorn Rest Area” zu fahren. Jeder der den Blog bisher verfolgt hat, weiß dass wir dieser ebenfalls mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber stehen. Zunächst bleiben wir. Es wird schon nichts passieren. Außerdem ist die Fliegenplage hier in der Tat deutlich geringer.
Im Verlauf des späten Nachmittags kommen immer wieder unterschiedliche Kinder auf dem Quad bei uns vorbei. Dazu ein Mann, der für das kleine Motorrad unter ihm deutlich zu dick wirkt. Sie fahren lediglich an uns vorbei. Doch ihre Gesichter wirken freundlich. Oder zumindest desinteressiert. In jedem Fall fühlen wir uns bald deutlich sicherer.
Während wir uns daran machen das Zelt aufzubauen, verdunkelt sich der Himmel bedrohlich. Zum Glück lässt das Wetter nur ein wenig die Muskeln spielen. Sturmartiger Wind oder gar Regen bleiben uns erspart. Lediglich der Kühlschrank leidet zunehmend. Wir hatten deutlich zu wenig Sonne in den letzten Tagen. Wir können nur hoffen, dass uns nichts schlecht wird.
Das Brot wird es bestimmt nicht. Wir haben keines mehr. Daher probieren wir unser eigenes Brot zu “backen”. Eine Abwandlung unseres bewährten Rezeptes für Stockbrot. Die Teiglinge braten wir in etwas Öl. Es riecht zumindest verlockend. Wir sind gespannt auf den Geschmackstest morgen früh.
Zum Abendessen gibt es heute eine Suppe für Sarah und einen Asia-Nudel-Becher für Cecil. Dabei können wir einen herrlichen Sonnenuntergang beobachten.
Danach verschwinden auch die Fliegen wieder, die kurz nach unserer Ankunft wohl doch noch Wind von uns bekommen haben. Anschließend versuchen wir noch einen groben Plan für morgen zu machen. Wir sind bereits ziemlich fertig auf der Bereifung, aber ganz unvorbereitet wollen wir nicht starten.
Als erstes steht der “Alice Springs Desert Park” auf dem Programm. Wir sind zwar keine Fans von eingesperrten Tieren, haben allerdings über diesen Park nur Gutes gehört. Jetzt wollen wir uns eine eigene Meinung bilden. Danach geht es ins Zentrum von Alice Springs. Wir wollen erneut die Batterie zum Laden bei “Supercheap Auto” abgeben. Es ist dringend nötig. Bezüglich Einkauf und Abendessen wollen wir morgen spontan entscheiden. Ab und zu muss man auch improvisieren können.
Es fängt doch noch an zu Tröpfeln. Sarah nutzt die Gelegenheit und verabschiedet sich ins Zelt. Cecil zieht unter das Zelt und schreibt weiter am Tagebuch. Ein Tag wird zu Papier gebracht , dann hat er auch genug. Die Beine schreien förmlich nach einer horizontalen Lage. Ab ins Bett.
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