04.06., Donnerstag: Hallsville - Oxley Wild Rivers NP
Zu einer Unzeit klingelt uns der Wecker aus dem Bett. Es ist gerade einmal 06:10 Uhr. Gegen 06:30 Uhr schaffen wir es uns aufzuraffen. Draußen ist alles bis auf den letzten Grashalm gefroren. Sogar feinste Spinnennetze glitzern im Sonnenlicht, wie die hundertfache Vergrößerung einer Schneeflocke.
Trotz der klirrenden Kälte machen wir uns daran, alles für unsere Abreise zu präparieren. Wie gewohnt stellen wir das schwere und sperrige Zeug, wie Wasser-Kanister, Tisch und Stühle, am Zaun ab. Das Zeltinnere wird mit einer Plane aus Plastik ausgelegt, um es bestmöglich gegen die Feuchtigkeit zu schützen. Diese wird zwangsläufig entstehen, sobald wir das Zelt eingeklappt haben, auf dem sich noch eine ordentliche Schicht Raureif befindet.
Nachdem wir den Reißverschluss der Schutzhülle endlich geschlossen haben, drohen uns vor Kälte fast die Finger abzufallen. Wir wollen nur noch losfahren. Da wäre nur noch eine Kleinigkeit: Wie kriegen wir die Eisschicht von der Frontscheibe? Wir haben es ja mittlerweile eingesehen, in Australien kann es auch bitter kalt sein. Aber das wir jetzt auch noch einen Eiskratzer brauchen? Damit haben wir nicht gerechnet. Zum Glück reicht es aus den Motor zu starten und für kurze Zeit die Lüftung volle Lotte laufen zu lassen. Gegen kurz nach halb 8 sind wir auf dem Weg.
Bis auf zwei kleinere Baustellen und einer kurzen Phase ohne GPS-Signal legen wir die Strecke bis zu unserem auserkorenen Startpunkt ohne weitere Störungen zurück. Bis auf den Platz den unser Koby okkupiert, ist alles frei. Kurz studieren wir die Karte vor Ort, finden aber das Entfernungen und die dafür veranschlagten Zeiten nicht ganz zusammenpassen. Da alle Wanderwege lediglich Abstecher eines Hauptweges darstellen, beschließen wir einfach loszulaufen und uns unterwegs zu überlegen, welchen Abzweig wir mitnehmen und welchen wir links liegen lassen.
Kurz bevor wir starten, fährt ein weiteres Auto auf den Parkplatz. Wir sehen uns direkt in Konkurrenz. Auf keinen Fall wollen wir eine andere Gruppe Wanderer vor uns, die laut schnatternd den Weg entlang stolpern und alle Tiere verscheuchen. Zu unserer Erleichterung steigt eine 3-köpfige Familie aus. Die vermeintliche Tochter ist bereits über 30 und genau so übergewichtig wie ihre Eltern. Direkt steuern sie auf den nur 300 Meter entfernten Waterfall-Lookout zu. Danach geht es bestimmt direkt zurück zum Auto und zur Belohnung für diese Anstrengungen gibt es bei nächster Gelegenheit einen extra großen Burger. So lange es genau so abläuft und sie mit ihren volunimösen Hinterteilen nicht unseren Blick auf die Wasserfälle versperren, stören wir uns nicht weiter daran.
Das als “teils bewölkt” angekündigte Wetter präsentiert sich als durchaus flächendeckend bewölkt. Den ersten Lookout auf unserer Strecke lassen wir direkt links liegen, da wir hoffen auf dem Rückweg besseres Licht zu haben. Wir passieren ein eisernes Tor. Den sogenannten “dog fence”, der die Verbreitung und die Schandtaten der Dingos und verwilderten Hunde eindämmen soll. Lämmer und Kälber stehen regelmäßig auf deren Speisekarte, wenn sie nicht ausreichend geschützt sind. Welche Seite des Zaunes wir dabei betreten, ist im Grunde gleichgültig. Der Zaun wurde bereits vor gut 100 Jahren errichtet und ist ungefähr genau so lange nutzlos.
Nur kurz darauf befinden wir uns an den Ausläufern eines überraschend gut etablierten Aussichtspunkts. Der Blick auf den Wasserfall ist grandios. Leider haben wir auf jedem Foto und jedem Video die dicke Familie auf der gegenüberliegenden Aussichtsplattform drauf. Auf einer dieser sinnlosen Plattformen direkt an der Stelle, an der der Fluss in die Tiefe stürzt. Das Interessanteste, was man wohl von dort sieht, sind wahrscheinlich wir zwei, die verzweifelt versuchen ein Foto des Wasserfall ohne die nervigen Menschen auf der anderen Plattform zu kriegen.
Wir machen uns schleunigst auf den Weg, die weiteren Wege zu erkunden. Obwohl wir, der Körperfülle nach zu urteilen, wohl keine weitere Konkurrenz fürchten müssen. Nach 20 Minuten erreichen wir den Abzweig zum McDirtys Lookout. Neben dem lustigen Namen, ist es durchaus erwähnenswert, dass wir laut der Angabe auf der Karte eigentlich 2-3 Stunden für diesen Weg hätten einplanen sollen. Würden wir jetzt umkehren, wären wir lediglich eine Stunde gewandert. Dem entgegen stünden 4 Stunden Autofahrt. Das wäre etwas enttäuschend. Wir setzen daher unseren Weg fort. Am östlichsten Punkt des Parks erwartet uns der Mihi Falls Lookout. Teils können wir den Pfad nur schwer ausmachen. Einen Großteil führt er entlang eines Weidezauns. Oft sind wir nicht sicher, ob dieser Weg tatsächlich offiziell ist oder wir lediglich einer Spur folgen, die die Tiere der Umgebung im Gras hinterlassen haben. Tatsächlich entdecken wir nach einem guten Kilometer den parallel zu unserem Track führenden Wanderweg. Immerhin sind wir nicht falsch.
Die Mihi Falls, laut Wanderkarte soll man für Hin- und Rückweg 3-4 Stunden einplanen, erreichen wir nach 55 Minuten. Vom Wasserfall ist allerdings nichts zu erkennen. Lediglich ist ein kleiner Pool zu sehen und dem Geräusch nach plätschert etwas Wasser das nasse Gestein hinab.
Unsere Wanderlust ist noch lange nicht befriedigt. Kurzentschlossen setzen wir unseren Weg in Richtung “Salisbury Waters” fort, welches am Ende des Hauptweges liegt. Dort angekommen, entscheiden wir uns allerdings dagegen zu besagtem Gewässer ins Tal abzusteigen. Stattdessen nehmen wir den Abzweig zum Sorum Hill Lookout.
Entgegen unserer Annahme führt der Weg dorthin größtenteils bergab. Als wir den vermeintlichen Lookout erreichen, haben wir insgesamt 8 Kilometer zurückgelegt. Vermeintlich daher, da kein Schild uns anzeigt, dass wir richtig stehen. Der Weg könnte auch noch weiter den Hang hinab führen. Sicher sind wir uns nicht. Doch wir finden eine steinerne Bank und können uns nur schwer vorstellen, dass weiter unten die Aussicht besser wird. Mit Blick über bewaldete Hügel und Täler essen wir ein Sandwich, das vom Frühstück noch übrig geblieben ist, und gönnen unseren Füßen eine kleine Pause.
Auf dem Rückweg treffen wir auf zwei Lyrebirds. Schon von weitem haben wir den auffälligen Gesang wahrgenommen. Leider können wir sie erst ausmachen, als sie bereits auf der Flucht vor uns sind. Wir hoffen noch auf eine bessere Sichtung. Die Chancen scheinen hier in jedem Fall nicht schlecht zu stehen.
Mit bereits leicht schmerzenden Beinen erreichen wir gegen 13 Uhr erneut den Abzweig zu McDirtys Lookout. Der Name macht so neugierig, dass wir uns einen Ruck geben und die zusätzlichen 3 km angehen. An der Aussichtsplattform angelangt, bietet sich uns ein sehr ähnlicher Blick, wie der den wir bereits vom Sorum Hill Lookout genießen konnten. Sehr schön, aber es haut uns auch nicht aus den Wanderschuhen. Dem Namen nach haben wir uns etwas mehr erhofft. Zudem bleibt die Herkunft desselbigen ungeklärt. In Deutschland gibt es viele Nachnamen, die auf Berufe zurückzuführen sind. Müller und Fischer sind da nur die offensichtlichen Beispiele. Ob das im Englischen ebenso ist? Und wenn ja, was sagt uns das über einen Menschen mit dem Namen McDirty? Wir werden es wohl nie erfahren… und aktuell ist unser Empfang zu schlecht zum Googeln, falls ihr euch fragt, warum wir das nicht einfach machen ;)
Die nötige Energie für den Endspurt ziehen wir aus einem Oat-Riegel, den wir uns teilen. Kurz vor dem Falls Lookdown, an dem unsere Wanderung mehr oder weniger begonnen hat, kommen wir am letzten unerkundeten Abzweig vorbei. Zum Rock Wallaby Lookout sind es lediglich 100 Meter. Das schaffen wir jetzt auch noch.
Die besagten Meter kommen uns zwar ewig vor, doch wir werden mit dem besten Ausblick des heutigen Tages belohnt. Aus dem Wald heraus betritt man eine Aussichtsplattform, die uns einen atemberaubenden Blick über mehrere Schluchten bietet. Fast senkrecht fällt das Gelände direkt vor unseren Füßen ab. Im gut 200 Meter tiefen Tal verläuft der Fluss in einer Art V-Form. Trotz einer steifen Brise verbringen wir mindestens 10 Minuten damit diese grandiose Aussicht zu genießen und etliche Fotos und Videos aufzunehmen.
Minuten später stehen wir erneut am Waterfall Lookdown. Die Sonne ist so weit herumgekommen, dass wir jetzt Gegenlicht haben. Der Wasserfall ist dadurch perfekt in Szene gesetzt. Nur unsere Kameras tun sich schwer damit, das Ganze einzufangen. Noch dazu kommt in diesem Moment eine kleine Gruppe Touris an, die tatsächlich die 100 Meter bis zur Plattform auf sich genommen haben. Wir versuchen uns zunächst nicht davon beirren zu lassen, setzen dann aber doch unseren Weg zum Parkplatz fort.
Unterwegs haken wir noch den Waterfall Lookout ab, der wie erwartet langweilig ist. Diese Aussichtsplattformen direkt am Wasserfall werden wir wohl nie verstehen. Man sieht lediglich einen Fluss, dessen Wasser über eine Abbruchkante in ungeahnte Tiefen stürzt. Davon abgesehen kann man, wenn überhaupt, den Blick in das sich dahinter erstreckende Tal genießen und auf die gegenüberliegende Plattform, von der aus man den Wasserfall in all seiner Pracht genießen kann. Während man also dort oben steht und verzweifelt versucht sich weit genug über das Geländer zu lehnen, um eventuell doch noch ein Stückchen des Wasserfalls zu erblicken, versaut man den Leuten gegenüber jedes einzelne Foto. Ein ausgemachter Schwachsinn.
Wir erreichen Koby gegen halb 3 Uhr am Nachmittag. Heutige Wander-Bilanz: 16,2 km in knappen 4 ½ Stunden. Neben dem Wasserfall, der uns die positive Erfahrung geboten hat, dass australische Wasserfälle mehr sein können als ein trauriges Rinnsal, hat uns der Rock Wallaby Lookout sehr gut gefallen.
Die Fahrt zurück nach Hallsville wird durch Baustellen extrem verzögert. Bereits an der ersten stehen wir zunächst 10 Minuten an. Als es endlich losgeht, müssen wir einem Baustellenfahrzeug folgen. Statt der üblichen 40 km/h sind wir mit lediglich 20 km/h unterwegs. Zumindest schätzen wir das. Wir fahren so langsam, dass sich die Nadel des Tachos kaum bis gar nicht bewegt. Keine 300 Meter nach der ersten folgt die zweite Baustelle und die Geschichte wiederholt sich. Cecil neigt dazu, etwas mit dem daraus resultierenden Zeitverlust zu übertreiben, aber es waren mindestens 20 Minuten (“Eher 30-40 Minuten”, Anmerkung von Cecil). Einziges positives Ereignis während der Fahrt: Der Blinker links scheint, der Anzeige auf dem Armaturen-Brett nach, ab und an ordnungsgemäß zu funktionieren. Betätigt man den Hebel mit einem gewissen Elan, scheint er zu gehen. Ist wohl doch nur ein Wackelkontakt… wir bleiben skeptisch.
Um 17 Uhr erreichen wir die Farm. Immerhin bleibt uns noch ein schwindender Rest Sonnenlicht, während wir das Zelt aufbauen. Noch während wir die Sachen vom Zaun wieder einräumen, kommt Wendy vorbei und lädt uns zum Barbecue an ihrer Feuerstelle ein. Das Angebot nehmen wir dankend an. Aufs Kochen verzichten wir heute nur zu gern.
Mit Steward und Wendy sitzen wir kurze Zeit später am Lagerfeuer. Wir berichten, wie uns heute morgen fast die Finger abgefallen sind, als wir bei eisiger Kälte und Frost das Zelt eingepackt haben. In Newcastle, generell an der Küste, ist es laut Stew im Durchschnitt locker 5-10 Grad wärmer. Er wiederholt sein Angebot an seinem Haus dort zu stehen. Die Stadt an sich finden wir weiterhin eher unattraktiv. Die Aussicht auf etwas wärmeres Wetter dagegen klingt sehr verlockend.
Wir essen Würstchen vom Gas-Grill und eine selbstgemachte Quiche von Wendy. Ziemlich geschafft, aber satt und zufrieden, liegen wir gegen 22 Uhr im Bett.
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