31.03., Mittwoch: Port Hedland Gulf Club - Wieder vereint
Cecils Sicht
Keine vier Stunden Schlaf waren heute Nacht drin. Trotzdem ist bei Cecil kaum ein Zeichen der Müdigkeit zu erkennen.
Um kurz nach sieben ist er unterwegs in Richtung Port Hedland. Etwas mehr als vier Stunden wird die Fahrt dauern.Bereits auf der Straße fällt ihm ein, dass er zwar daran gedacht hat, den Kühlschrank von der Batterie an die Stromversorgung von Koby umzustecken, allerdings hat er ihn nicht wieder eingeschaltet. Auf einer Rest Area wird daher nochmals ein Stopp eingelegt. In diesem Zuge kann gleich noch der Müll entsorgt werden. Abgesehen davon wird der Weg bis zum Auski Roadhouse lediglich von einer kurzen Pinkelpause unterbrochen. Doch die Gedanken in Cecils Kopf rasen wie verrückt. Was ist, wenn Sarah bereits im Flieger weiter nach Perth transportiert wurde? Dann wäre es besser direkt zu wenden. Doch obwohl er immer wieder das Netz checkt, bekommt er kein ausreichendes Signal, um eine entsprechende Nachricht empfangen zu können.
Am Auski Roadhouse wagt er einen neuen Versuch. Die Verbindung scheint unzuverlässig, aber vorhanden. Trotzdem kann Cecil keinen Kontakt herstellen. Weder zum Krankenhaus, noch zu Emily, der netten Rettungssanitäterin von gestern. Es bleibt ihm nichts weiter übrig als aufzutanken und weiterzufahren.
Heute scheinen besonders viele Roadtrains unterwegs zu sein. Diese haben nicht selten drei oder gar vier Anhänger dabei und teils auch noch Überbreite. Ein Laster hat einen riesiges Fahrzeug geladen, eines dieser Teile, die in den Minen mehrere Tonnen Material mit einer Ladung von A nach B schaffen. Das hintere Begleitfahrzeug blockiert über eine weite Strecke die Straße, so dass Cecil nicht zum Überholen ansetzen kann. Dann endlich erreichen wir im Konvoi eine lange Gerade. Die Reifen des Minenladers, den Cecil kurz darauf passiert, sind allein so groß wie Koby. Zudem scheint die Maschine so schwer, dass zwei LKW nötig sind, um es zu ziehen. Das vordere Begleitfahrzeug zieht kurz darauf unerwartet auf die rechte Spur. Cecil zögert einen Moment, überholt dann aber einfach auf der linken Spur.
Am Straßenrand liegen nicht selten verendete Kühe. Offensichtlich laufen diese hier in großen Zahlen auf nicht eingezäunten Weiden umher. Nicht jede hat es geschafft dem Verkehr auszuweichen. Cecil dagegen schafft es nicht immer rechtzeitig die Lüftung auf Umluft zu stellen. Der Gestank ist teils bestial. Erinnerungen an unseren Stammplatz nahe Katherine kommen auf. Nicht ohne Grund haben wir diesen “Tote Kuh” getauft. An den Geruch gewöhnen werden wir uns wohl trotzdem niemals.
Zum Frühstück und auch während der gesamten Fahrt gibt es lediglich Wasser und Kaffee. Mit starker Tendenz zu letzterem. Kurz vor der Stadtgrenze klingelt das Handy. Cecil ist gerade mit 110 km/h unterwegs und schafft es daher nicht mehr rechtzeitig anzuhalten, um den Anruf entgegenzunehmen. Doch der Anrufer hat eine Nachricht hinterlassen. Sarahs Stimme ertönt kurze Zeit später vom Band. Sie scheint noch im Krankenhaus von Port Hedland zu sein und fragt wo Cecil sich befindet. Sobald es geht solle er zurückrufen. Das wird nur leider nicht möglich sein, da die Rufnummer unterdrückt ist. Aber immerhin ist Cecil auf dem richtigen Weg und auch schon fast da.
Fünf Minuten, bevor das Krankenhaus erreicht ist, klingelt erneut das Handy. Dieses Mal befindet sich Cecil bereits in der Stadt und zieht direkt links rüber. Die Stelle ist zwar total ungeeignet, doch das ist im ersten Moment nebensächlich. Es ist erneut Sarah. Sie versichert, dass es ihr soweit gut geht und freut sich zu hören, dass Cecil gleich da ist. Gegen 12 Uhr trifft Cecil am Krankenhaus ein.
Nachdem er die Fragen zu eventuellen Corona-Symptomen am Empfang allesamt verneint hat, darf er die Notaufnahme betreten. Recht nahe des Eingangs wird er zu einer kleinen Kabine geleitet. Im typischen Krankenhaus-Kittel und lediglich mit einer dünnen Decke versehen, liegt Sarah im nächsten Moment vor ihm. Ihr schießen sofort Tränen in die Augen und auch Cecil ist sehr froh, endlich wieder bei ihr zu sein.
Sarahs Sicht
Selbst mit der der Decke über dem Gesicht, ist es Sarah kaum möglich gewesen zu schlafen. Es ist trotzdem einfach noch zu laut und hell. Am frühen Morgen taucht ein Arm in ihrem Augenwinkel auf, der sie auch kurz berührt. Wieder eine Schwester die Blut abnehmen will oder etwas in der Art. Sarah ist aber noch nicht in der Stimmung und tut weiter so als würde sie schlafen.
Gegen sieben Uhr ist sie das Schauspiel leid. Erneut stellt sich ihr eine neue Krankenschwester vor. Wieder folgen die üblichen Fragen. Geht es ihr gut? Wie stark sind die Schmerzen? Aber am wichtigsten: möchte sie Frühstück bekommen? Endlich mal eine Frage, die Sarah gerne und voller Enthusiasmus beantwortet. Frühstück wäre ihr jetzt sehr willkommen.
Etwa eine halbe Stunde später bekommt sie ein ganzes Tablet voller Essen vorgesetzt. Es gibt Toast mit etwas Aufstrich. Marmelade, Butter und Vegemite stehen zur Verfügung. Außerdem findet sie Porridge mit Obst in einer kleinen Dose sowie einen Joghurt. Da dieser allerdings in der Geschmacksrichtung Rhabarber geliefert wurde, verzichtet Sarah darauf wohl eher. Genau wie auf das Vegemite.
Sie nimmt gerade den ersten Bissen von einem gebutterten Toast, da wird ihr von einer der Schwestern obendrauf noch eine Rechnung serviert. Ohne weitere Erklärung, einzig mit dem Kommentar, dass Sarah unterschreiben soll. Es werden fünf Preise aufgelistet und Sarah geht davon aus, alle bezahlen zu müssen. Damit kommen satte 5.000$ zusammen. Und dabei handelt es sich nur um die Kosten die im Krankenhaus hier in Port Hedland entstanden sind. Die Rechnungen aus Tom Price und vom RFDS fehlen da noch. Der Appetit ist Sarah in jedem Fall erst einmal gehörig vergangen. Zunächst füllt sie aber gar nichts aus. Ein paar Fragen zu der Rechnung hätte sie da schon noch.
Bevor es so weit ist, wird erneut Blut abgenommen. Der vorangegangene hat keinerlei Anzeichen auf eine Vergiftung gegeben, und zu Sarahs Erleichterung fällt auch dieser negativ aus. Kein Gift befindet sich in ihrem Körper. Nachdem dieser Stress abgefallen ist, bemerkt Sarah, dass sie sich tatsächlich mal erleichtern müsste. Nachdem gestern Nacht noch der Katheter entfernt wurde, muss sie ihre Notdurft heute in eine Schale verrichten. Der Urin wird ebenfalls gestestet und offenbar hat der Katheter keinen bleibenden Schaden hinterlassen.
Die nächsten Stunden über langweilt sich Sarah regelrecht. Außer an die Decke zu starren und zu warten, bietet sich ihr keine Gelegenheit zur Abwechslung. Ihr Handy oder ein Buch wären jetzt schon schön. Sie lenkt sich mit Erinnerungen der letzten Monate ab. Aber aktuell fühlt sie sich ziemlich einsam. Sie möchte einfach nur noch zu Cecil.
Gegen 08:30 Uhr erfolgt ein weiterer Bluttest. Wieder war der vorherige negativ. Aus einem Impuls heraus, fragt sie eine der Schwestern, wie lange es mit dem Auto von Tom Price nach Port Hedland dauert. Ungefähr vier Stunden, lautet die Antwort. Eine schnelle Rechnung genügt, um folgendes Angebot ihren Verlobten direkt anzurufen, abzulehnen. Es ist gerade einmal halb neun. Selbst wenn er früh losgefahren ist, wird er sicher noch ein bisschen unterwegs sein. Das er unterwegs ist, daran besteht kein Zweifel.
Es ist fast zehn Uhr, da hat Sarah das Gefühl fast zu verdursten. Endlich bekommt sie eine Krankenschwester dazu an ihrem Bett anzuhalten. Kurz darauf erhält sie auch tatsächlich etwas zu trinken. Wie es der Zufall will, drückt wenig später die Blase. Nachdem ewig keine Schwester vorbeikam, ist Sarah gerade eigenmächtig dabei sich die ganzen Kabel vom Körper zu reißen. Genau in diesem Moment, betritt eine Schwester den Raum. Kurz werden Blicke ausgetauscht, doch dabei bleibt es. Sie ist nur hier, um wieder Blut abzunehmen. Sollte diese Probe ebenfalls negativ getestet werden, kann Sarah das Krankenhaus verlassen. Hurra! Und jetzt endlich auf Toilette.
Um kurz vor zwölf versucht Sarah doch noch Cecil telefonisch zu erreichen. So langsam macht sie sich Sorgen. Allerdings wird ihr Anruf nicht entgegen genommen. Stattdessen bleibt ihr nichts weiter übrig als eine Nachricht zu hinterlassen. Eine Viertelstunde später probiert sie es erneut. Dieses Mal nimmt Cecil ab. Wie gut es tut seine Stimme zu hören. Ein unbezahlbarer Moment. Noch besser ist die Aussage, dass er in fünf Minuten hier ist.
Es vergehen nur wenige Momente, da zieht eine Krankenschwester den Vorhang beiseite. “Guck, wen ich gefunden habe”, sagt sie und in diesem Moment taucht Cecil auf. Sein braungebranntes Gesicht erscheint hinter dem weißen Stoff. So vertraut und doch so sehr vermisst. Noch nie war Sarah so erleichtert Cecil wieder zu sehen.
Wir sind wieder vereint.
Wieder vereint
Eine ganze Weile lang liegen wir uns in den Armen, bevor wir uns sicher sind, den anderen wirklich wieder zu haben. Nachdem wir uns voneinander gelöst haben und uns gegenseitig in die freudigen Gesicher schauen, löst sich auch endlich etwas von der Anspannung, die wir nun seit mehr als 15 Stunden verspürt haben. Dann müssen wir direkt wieder alle Sinne zusammen suchen. Sarah erzählt von der Rechnung, die ihr ohne weitere Erklärung vorgesetzt wurde. Bis die Ergebnisse des finalen Bluttests vorliegen, bleibt noch etwas Zeit. So gut es geht versuchen wir uns derweil online zu informieren, was in Sarahs Fall eine gerechtfertigte Summe wäre. Vor allem aber gilt herauszufinden, was unsere Auslandskrankenversicherung benötigt, um den Schadensfall abzudecken.
Gegen halb eins schwirrt uns von dem ganzen Versicherungsgeschwafel so sehr der Kopf, dass Sarah aktiv auf eine Schwester zugeht und nach ihren Testergebnissen fragt. Diese liegen bereits vor, danke für die Info. Nur Minuten darauf, wird Sarah entlassen. Alles ohne viele Worte. Anscheinend ist alles überstanden und jegliche Gefahr auf eine Vergiftung gebannt. Eine Krankenschwester kümmert sich noch darum sämtliche Nadeln und aufgeklebten Messpunkte abzunehmen, dann scheint dieses Kapitel beendet. Doch noch sind wir nicht raus aus der Sache.
Am Empfang der Notaufnahme stoppen wir widerwillig auf unserem Weg in die Freiheit. Doch es gilt noch ein paar wichtige Fragen zu stellen. Und diese erweisen sich als durchaus sinnvoll. Unter anderem bekommen wir heraus, dass Sarah nicht alle fünf Kostenpunkte der zuvor ausgehändigten Liste übernehmen muss. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Tabelle. Sarah landet nach der vorliegenden Rechnung in Kategorie 2 und muss damit “nur” 850$ zahlen. Laut der Mitarbeiterin uns gegenüber wird das vielleicht sogar direkt von der Krankenversicherung übernommen. Von Sarah werden in jedem Fall zunächst keine Zahlungsinformationen benötigt. Auf Nachfrage erhält sie eine Kopie der Entlassungspapiere. Anschließend wollen wir nur noch hier raus. Seite an Seite verlassen wir das Krankenhaus.
Sarah hatte bisher nur eine halbe Scheibe Toast, Cecil hat bisher noch gar nichts Festes zwischen die Zähne bekommen. Unser Hunger ist so groß und der Geist so schwach, dass wir bei McDonalds landen, gnädigerweise gleich um die Ecke des Krankenhauses. Neben einer schnellen Stärkung gibt es dort außerdem kostenfreies Wlan. Wir sind allerdings beide so fertig mit der Welt, dass wir dieses kaum nutzen. Die große Frage lautet: wie geht es von hier aus weiter.
Unsere Gedanken wirbeln für eine Weile wahllos umher. Zwischendurch tauschen wir immer wieder ein paar Worte aus. So richtig sind wir beide nicht bei guten Sinnen. Das Beste wird sein, die kommende Nacht hier in der Nähe von Port Hedland zu verbringen. Blöd nur, dass alle Caravan-Parks nicht nur sehr teuer sind, sondern dazu auch noch durchgehend schlecht bewertet. Am Ende entscheiden wir uns für einen Platz, der an den örtlichen Golf-Club angrenzt. Dieser befindet sich gut gelegen, ist relativ günstig, gut bewertet und verfügt über heiße Duschen, die im Preis inbegriffen sind. Sarah möchte unbedingt duschen.
Die Fläche, auf der wir keine zehn Minuten später ankommen, wirkt eher wie ein normaler Parkplatz. Hier und da sind “No Camping”-Schilder angebracht worden. Wir sind kurz davor wieder abzufahren, doch im Grunde ist uns klar, dass es keine Alternative gibt und wir eine weitere Strecke nicht mehr schadlos überstehen würden.
Hinter der Bar des kleinen Golf-Clubs steht uns eine eher plumpe, aber wohl herzliche Frau gegenüber. Nachdem 15$ ihren Besitzer gewechselt haben, zeigt sie uns die sanitären Einrichtungen und weist uns an, wo wir heute Nacht stehen können. Zu unserer Freude befindet sich diese Fläche nicht auf dem offiziellen Parkplatz des Golf-Clubs. Stattdessen finden wir einen Platz in dem Dreieck zwischen dem Hauptgebäude und der Zufahrtsstraße. Dort sollte nicht zu viel los sein und selbst wenn handelt es sich nur um Durchgangsverkehr.
An jeder Tür an den Toiletten sind große Schilder angebracht. Niemals ohne Lampe und niemals ohne festes Schuhwerk unterwegs sein. Es ist gerade Schlangen Saison. Das ist im Grunde die Kernaussage. Wir haben unsere Lektion definitiv bereits gelernt.
In der ganzen Zeit brennt eine gnadenlos heiße Sonne auf uns hinab. Nicht zuletzt deswegen bauen wir direkt Zelt und Awning auf. Tisch und Stühle sind ebenfalls schnell aufgeklappt.
Danach sitzen wir für eine ungesunde Weile einfach nur da und starren in die Gegend, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. So ganz können wir beide noch nicht verstehen, was die letzten Stunden passiert ist. Wir sind im Grunde nur froh wieder vereint zu sein und das Sarah gesund ist.
Als wir uns endlich aus unserer Starre lösen können, macht sich Sarah auf, eine heiße Dusche zu genießen. In der Zeit nimmt sich Cecil sein Buch vor. Wahrscheinlich gibt es gerade hunderte Dinge die sinnvoller wären, doch danach steht ihm momentan nicht der Sinn. Frisch geduscht und weitestgehend wieder gefestigt, ruft Sarah ihre Eltern an. Wir haben hier ausnahmsweise Netz und warum die Sache noch weiter hinauszögern? Bei der Geschichte, die Sarah daraufhin erzählt, bleibt ihrer Mutter fast das Herz stehen. Wer kann es ihr verdenken.
Leider gibt es aus der Heimat ebenfalls schlechte Nachrichten. Daraufhin fallen wir zurück in unser emotionales Loch. Es steht sogar zur Diskussion, ob wir an dieser Stelle abbrechen und nach Hause fliegen. Aber zunächst wollen wir keine voreiligen Schlüsse ziehen. In einem weiteren Telefonat, zwischen Sarah und ihrer Schwester, wird ihr versichert, dass es keinen Sinn machen würde Hals über Kopf abzureisen.
Noch während Sarah am Telefon ist und gerade ihre Geschichte vom Schlangenbiss schildert, taucht plötzlich keine zehn Meter von ihr entfernt ein weiteres Exemplar auf. Aus hohem Gras schlängelt sich eine gut zwei Meter lange, braune Schlange an ihr vorbei. Das alles wirkt wie ein schlechter Scherz. Cecil dagegen wirft ohne nachzudenken alle Sorgen über Bord und verfolgt die Schlange mit der Kamera im Anschlag. Allerdings hält er gebührenden Sicherheitsabstand und lässt von dem Reptil ab, nachdem es unter einem Busch verschwunden ist.
Dem üppigen Mittag geschuldet, verzichten wir heute auf das Abendessen. Auf die Toilette gehen wir nur noch gemeinsam und mit mehreren Taschenlampen bestückt. Sarah geht recht früh ins Zelt. Cecil bleibt noch kurz unten und beantwortet ein paar Nachrichten auf dem Handy. Mit einer Chips-Tüte unter dem Arm, gesellt er sich bald darauf mit ins Zelt. Wir schaffen noch eine Folge unserer Serie zu gucken, dann muss Sarah kapitulieren. Sie hat aber auch einiges an Schlaf nachzuholen. Mit Roo im Arm und Cecil und Hermann neben ihr, geht das Einschlafen heute ganz schnell.
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