30.03., Dienstag: Wie es weitergeht aus Cecils Sicht
Vor wenigen Sekunden war der Platz noch voller Leben. Alles wurde von dem blau-rotem Licht des Rettungswagens illuminert. Zwei Sanitäter waren vor Ort. Jetzt sind alle fort. Sarah ist fort. In vollkommener Dunkelheit sinkt Cecil zunächst in seinen Stuhl. Ein kleiner Skorpion kommt vorbei. Es hilft nichts. Unweigerlich fühlt sich Cecil an den Film Jumanji erinnert. Erst begegnen wir bei einer unserer Wanderungen einer Schlange, dann wird Sarah von einer gebissen. Anschließend belegt eine große Stab-Heuschrecke ihre Liege und jetzt auch noch ein Skorpion? Wäre Sarah nicht gebissen worden, hätten wir sicher große Freude daran, das Geschehen zu dokumentieren.
Keine zehn Minuten nachdem Sarah abtransportiert wurde, kommt der erste Krankenwagen aus dem Nationalpark zurück. Ohne anzuhalten, passiert das Fahrzeug die Rest Area. Vielleicht hätte der ranghohe Paramedic an Bord dieses Wagens die Situation anders eingeschätzt. Vielleicht hätte er es sofort als einen Warnbiss abgetan und Sarah wäre noch immer hier. Am Ende müssen wir uns wohl ständig bewusst machen, dass Vorsicht besser ist als Nachsicht. Es konnte mit bloßem Auge keiner wissen. Jetzt ist jegliche Überlegung dahingehend sowieso überflüssig. Sarah ist weg und Cecil hat keine Ahnung wie es weitergeht. Für einen Moment herrscht in seinem Kopf daher völlige Planlosigkeit. Das Ganze wirkt noch immer wie ein schlechter Traum.
Eher beiläufig, räumt Cecil noch ein paar Sachen ein. Nebenbei wird die Taschenlampe an der Batterie geladen. Diese könnte heute noch wichtig werden. Außerdem gilt es einen Platz zu finden, an dem das Handy von Sarah Empfang hat. Wir haben uns darauf geeinigt, dass sie Cecil vom Krankenhaus aus kontaktiert und ein Update durchgibt.
Egal an welcher Stelle sich Cecil befindet, das Netz kommt und geht wie es will. Laut einer Mitteilung auf dem Bildschirm sind nach einem Notruf alle Nummern für einen Zeitraum von zwei Stunden freigeschaltet. Doch wen sollte Cecil jetzt anrufen. So lange er selbst keine Antworten hat, würde er nur Panik verbreiten. Im Moment müssen wir allein mit der Situation klarkommen. So schwer es auch fällt.
Nicht einmal eine Stunde ist vergangen, seit Sarah im Krankenwagen abtransportiert wurde. Es kommt Cecil vor wie eine Ewigkeit. In dem Bewusstsein, dass der morgige Tag sicher nicht leicht wird und er heute Nacht nur noch wenig Schlaf bekommen wird, wird Wasser aufgesetzt. Statt einer Tasse, wird gleich ein ganzer Topf Kaffee gekocht. Nachdem der Abwasch erledigt ist und noch immer keine Nachricht von Sarah eingetroffen ist, beginnt Cecil langsam nervös zu werden.
Cecil hat bald eine Ahnung. Irgendwas stimmt nicht. Vorzeitig beginnt er daher bereits um viertel nach elf damit das Camp abzubauen. Nichtsahnend, dass das alleine mindestens doppelt so lange dauert als zu zweit. Gut eine Stunde ist er beschäftigt. Es ist erstaunlich wie schwer einem die Handgriffe fallen, die normalerweise der Partner ausführt.
Noch während Cecil zusammenpackt, checkt er immer wieder das Netz. Teilweise werden zwei oder gar drei Balken beim Empfang angezeigt, doch noch immer keine Nachricht von Sarah. Die Zeit des Wartens ist vorbei. Auf geht's nach Tom Price. Ganz so schnell geht es allerdings nicht. Die Beleuchtung des Armaturenbretts ist erneut defekt. Die Bremslichter sind dementsprechend ebenfalls wieder ausgestiegen. Dazu hatte Cecil bereits ein paar Bier getrunken, bevor Sarah gebissen wurde. Seit einer unverzeilichen Dummheit in seinen jungen Jahren hatte er sich geschworen nie wieder mit Alkohol im Blut zu fahren. Doch heute scheint die ganze Welt Kopf zu stehen. Er muss wissen, wo Sarah ist und wie es ihr geht. Dafür vergisst er, ausnahmsweise, all seine Prinzipien. Um wenigstens etwas zu sehen, schaltet er das Rolicht seiner Stirnlampe ein und legt diese in die Nähe des Geschwindigkeitsmessers. Von außen sieht Koby damit aus wie ein fahrendes Rotlicht-Etablissment. Hoffentlich trifft Cecil unterwegs nicht auf die falschen Personen.
Das erklärte Ziel ist der Platz, auf dem wir gestern Nacht geschlafen haben. Unterwegs dorthin bimmelt Sarahs Handy. Cecil fokussiert sich jedoch und widersteht dem Drang während der Fahrt abzuheben. Immerhin ist er schon nicht mehr ganz fahrtauglich. Jetzt auch noch am Steuer zu telefonieren, wäre zu viel des Guten. Außerdem sind es nur noch 5 Kilometer bis zu dem Platz, an dem er hoffentlich Empfang hat.
Die Hoffnung wird jedoch nicht erfüllt. Immerhin wurde eine Nachricht hinterlassen. Darin heißt es jedoch nur, dass Sarah nach Port Hedland verlegt wird und sie versucht hat mich zu erreichen. Cecils Gewissen könnte kaum schlechter gemacht werden. Auf dem Lookout, gegenüber des Platzes, findet er ebenfalls kein Netz. Wie ein Verrückter rennt er umher. Das Handy hoch in der Luft. Doch es ist nichts zu machen. Es gibt nur eine Möglichkeit. Er muss weiter in Richtung Tom Price fahren.
An einem LKW-Rastplatz, direkt an der Kreuzung nur wenige Kilometer von Tom Price entfernt, hat Cecil endlich Empfang. Es dauert eine Weile, bis Cecil die Nummer richtig eintippen kann, die ihm die Dame vom Krankenhaus auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hat. Dann kommt er endlich durch und wenig später hat er Sarah am Ohr.
Wir können nur ganz kurz sprechen. Offenbar befindet sie sich bereits auf einer Trage und ist halb im Flieger. Dieser bringt sie nach Port Hedland. Doch Sarah versichert, dass es ihr gut geht. Cecil versucht ihr ebenfalls gut zu zureden. Außerdem versteht es sich von selbst, dass er sie am nächsten Tag abholt. Das alles entwickelt sich langsam zu einem Alptraum. Cecil wird sogar ein wenig schlecht.
Wir haben kaum aufgelegt, da klingelt das Handy erneut. Das Krankenhaus von Tom Price benötigt noch die Daten der Krankenversicherung. Cecil findet zeitnah die Daten und übermittelt diese an Emily, unserer Ersthelferin.
Das Zelt im Alleingang wieder aufzubauen, ist nicht ganz so schwer. Einen Moment verbringt Cecil danach noch draußen. Es gilt in Erfahrung zu bringen, wie lang der Weg nach Port Hedland tatsächlich ist und wo unterwegs möglichst kostengünstig aufgetankt werden kann.
Gegen zwei Uhr nachts werden ein letztes Mal die Stichpunkte aktualisiert. Eher eine Übersprungshaldnlung, denn im Grunde braucht Cecil jetzt jede Minute Schlaf. Vielleicht kommen noch vier davon zusammen, bis es Zeit ist sich auf den Weg zu machen.
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