27.07., Dienstag: The Hallows - Auszug
Mit einem unguten Gefühl wachen wir heute auf. Der Gedanke, dass das wahrscheinlich die letzte Nacht im Dachzelt war, drückt uns auf’s Gemüt. Obwohl es noch sehr früh ist, wurden die Toiletten bereits aufgeschlossen. Zum Frühstück begnügen wir uns zunächst mit einer Portion Rührei sowie einer Birne. Die Zeit ist heute knapp bemessen und es gilt noch einiges zu erledigen, bevor wir uns heute um 12 Uhr mit dem potentiellen Käufer treffen.
Als erstes nehmen wir uns die gerissene Regenplane über dem Zeltdach vor. Schnell merken wir, dass das keine leichte Aufgabe wird. Sarah versucht es zunächst von der Leiter aus, kommt darüber aber nicht hoch genug. Daraufhin klettert Cecil auf das Dach von Koby. Dort ist aber schlicht zu wenig Platz, um eine Reparatur unfallfrei abzuwickeln. Jetzt ist erneut Sarah an der Reihe. Sie versucht es aus dem Zelt heraus. Dazu lehnt sie sich so weit es geht aus dem geöffneten Fenster. Allerdings muss sie sich total verdrehen, um von dort aus die Plane zu erreichen. Es hilft alles nichts. Wir müssen die Plane abnehmen und die Reparatur am Boden durchführen. Wobei das Abnehmen ganz schnell geht. Es ist das Wiederanbringen, das erfahrungsgemäß deutlich schwieriger wird.
Auf einem nahen Picknicktisch können wir die Plane ausbreiten und für die Reparatur vorbereiten. Wir haben uns dazu entschieden es mit weißem Klebeband zu probieren. Damit dieses auch hält, muss das Material um den Riss zunächst gründlich gereinigt werden. Dann probieren wir den ersten Streifen anzubringen. Dieser hält absolut nicht. Auch unser schwarzes Tape will partout nicht kleben bleiben. Wir sind ratlos. Die Nacht über war es recht feucht und die Plane noch nicht ganz trocken. Vielleicht liegt es daran. Also trocknen wir eine kleine Stelle, reinigen erneut und wagen einen weiteren Versuch. Jetzt hält der Streifen ein wenig besser. Wenn wir überlappend kleben, könnte es halten. Uns bleibt keine große Wahl, also legen wir los. Cecil zieht etwas Klebeband von der Rolle. Sarah schneidet es durch und klebt den Streifen auf. Anschließend drückt Cecil ihn fest. Schon bald haben sich unsere Abläufe eingespielt und wir kommen gut voran.
Trotz unseres guten Teamworks, brauchen wir gut eine Stunde, bis der Riss zur Gänze und von beiden Seiten abgeklebt ist. Immerhin macht unsere Arbeit für den Moment einen stabilen Eindruck. Jetzt müssen wir die Plane wieder auf das Zelt bekommen. Sarah geht dazu wieder ins Zelt und Cecil übernimmt die Außenseite. Tatsächlich bekommen wir es schneller hin als gedacht. Zudem sieht man das Klebeband von unten kaum noch. Sarahs Vorschlag ein weißes, statt das übliche schwarz zu nehmen, war in diesem Fall goldwert. Wir sind jedenfalls sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Auch die abgerissenen Halterungen, die bei Bedarf die Regenplane am Kopfende fixieren, sind schnell wieder angenäht. Immerhin eine konnten wir von der Wiese im Kangaroo Valley nach der stürmischen Nacht auflesen. Auf der anderen Seite improvisiert Cecil etwas. Im ersten Moment scheint das Ersatzteil nicht durch die Öse an der Plane zu passen. Doch an einer Stelle ist diese so weit ausgeleiert, dass es dort passt. Kurz bevor die Tat vollbracht ist, verliert Cecil dann noch die Nadel. Zum Glück haben wir noch Ersatz. Die letzte von ehemals sechs Stück. Der Camping-Alltag hat an allen Ecken und Enden seinen Tribut gefordert.
Zu guter letzt müssen wir das Zelt einpacken. Sarah setzt sich die GoPro auf. Es ist die letzte Kameraeinstellung, die uns noch fehlt und wohl auch die letzte Chance. Tatsächlich gelingt die Aufnahme dieses Mal.
Alles ist erledigt. Wir sind bereit zur Abfahrt. Ein Blick auf die Uhr zeigt uns aber, dass wir noch locker genug Zeit haben unser Frühstück fortzusetzen. Immerhin ist es gerade mal 10:00 Uhr. Es gibt also noch Toast. Eine gute halbe Stunde später sind wir fertig und der Abwasch ist erledigt. Ein letzten Mal räumen wir etwas auf und putzen die letzten Flecken weg. Um kurz vor halb elf stehen wir dann an der Waschanlage. Koby soll sich von seiner besten Seite zeigen und so gut es geht glänzen. Wieder müssen wir warten und die Kunden vor uns lassen sich alle richtig Zeit. Langsam werden wir doch ein wenig nervös. Die Sorge ist allerdings am Ende unberechtigt. Auf dem Parkplatz hinter McDonald’s haben wir sogar noch zwanzig Minuten. Zeit genug damit Koby abtropfen kann und wir die ein oder andere Stelle noch mit dem Mikrofasertuch bearbeiten können. Sauberer als heute war unser treuer Weggefährte wohl nur nachdem er frisch aus der Fabrik gerollt kam. Jetzt bleibt uns nur noch abzuwarten bis der Käufer auftaucht.
Mit jeder Minute, die der Termin näher rückt, werden wir aufgeregter. Sorgen treiben uns um. Was für ein Typ ist dieser Kyle, der unseren geliebten Koby kaufen möchte? Geht bei der Probefahrt alles gut? Wird es knarrzende Geräusche geben? Was machen wir, wenn der Deal platzt? Doch irgendwann versuchen wir uns gegenseitig etwas zu beruhigen. Es wird schon alles gut gehen.
Fünf Minuten vor zwölf schicken wir eine Nachricht an Kyle, in der wir unsere genaue Position angeben. Wenig später erhalten wir eine unerwartete Antwort. Er erinnert uns daran, dass wir uns für Mittwoch verabredet hatten. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Der Verkauf sollte am Mittwoch über die Bühne gehen, aber die Besichtigung hatten wir für heute angesetzt. Es hilft uns nur nicht viel, in dieser Situation im Recht zu sein, wenn der Termin heute trotzdem platzt. Jetzt sind wir zurecht etwas aufgebracht. Doch die Wogen glätten sich schnell wieder. Kyle bietet an trotz des Missverständnisses vorbei zu kommen.
Kaum zehn Minuten später ist er da. Mit dabei hat er einen Freund und Arbeitskollegen. Beide sind geschätzt Mitte dreißig und sehr freundlich. Als erstes versuchen wir nochmal die Verwirrung, um die beiden Termine aufzuklären. Wir sind davon ausgegangen, dass Kyle das Auto vor dem Kauf sehen und auch mal fahren will. Dabei wird uns klar, dass es für Kyle schon feststeht, dass er Koby kaufen möchte. Wahrscheinlich hätte er gar keine Probefahrt machen wollen. Die Australier scheinen dahingehend deutlich anders gestrickt zu sein als wir Deutschen. Aber wenn er jetzt schon einmal da ist, können wir ihm auch alles zeigen. Der Fokus liegt auf dem Campingzubehör. Anschließend drehen Cecil und Kyle doch noch eine kleine Runde. Die beiden unterhalten sich die gesamte Zeit über, daher hört nur Cecil die zwei oder drei Mal, die Koby knarzt. Kyle dagegen bemerkt nichts. Im Gegenteil. Er bewundert wie sauber Koby ist und wie geschmeidig er sich fahren lässt. Kurzum findet er nichts, was gegen das Auto spricht. Zurück auf dem Parkplatz erfolgt daher auch der entscheidende Handschlag. Morgen um 12 Uhr treffen wir uns erneut für die Übergabe.
Damit fällt eine große Last von uns ab. Spontan entscheiden wir das Ganze bei einem McFlurry zu feiern. Nebenbei schauen wir uns im Internet nach einer Unterkunft um. Preislich kommen am Ende nur zwei in Frage. Die Entscheidung fällt auf “The Hallows”, wo wir uns für die kommende Woche einbuchen. Ab einem Aufenthalt von sieben Tagen bekommt man dort einen satten Rabatt. Für 445$ bekommen wir ein Zimmer mit eigenem Bad und Küche. Außerdem soll das Wlan schnell und stabil sein. Dafür befindet es sich gut vier Kilometer abseits des Zentrums. Das ist aber wahrscheinlich nicht weiter schlimm, denn alle nötigen Besorgungen planen wir noch heute zu erledigen.
Schon gegen 13 Uhr sind wir unterwegs zur Unterkunft. Zwar ist der Check-In erst ab 14 Uhr möglich, doch wir sind zuversichtlich, dass wir früher in unser Zimmer gelassen werden. Von einem Schild am Eingang lesen wir eine Telefonnummer ab, die man anrufen soll, wenn die Rezeption nicht besetzt ist. Gesagt, getan. Wir bekommen einen Code durchgesagt und können damit unsere Schlüsselkarte aus einem Safe holen. Nachdem Cecil erfolgreich das Zimmer ausmachen konnte, parken wir so nah es geht. Immerhin haben wir einige Kisten zu tragen.
Nachdem die ersten Sachen im Zimmer sind, spricht uns ein Mann an. Er meint, wir könnten auch direkt neben unserem Eingang auf der Wiese parken. Dazu müsste man lediglich einmal um das Haus herum fahren. Wir sind zunächst unsicher, ob das wirklich erlaubt ist. Doch der Mann ist nicht nur irgendein anderer Gast, sondern entpuppt sich als der Besitzer. Mit seinem Segen parkt Cecil Koby um. Er kann auch gleich noch unsere etwas zickige Klimaanlage bändigen. Bisher ist es eiskalt in unserem Zimmer. Doch jetzt läuft das Teil endlich und damit sollte es schon bald schön warm werden. Durch den stark verkürzten Laufweg, dauert es nach dem Umparken nur noch wenige Minuten und wir haben alles ausgeladen.
Direkt im Anschluss machen wir uns erneut auf den Weg ins Zentrum. Als erstes geht es zu Aldi. Wir haben nicht viel zu besorgen, daher geht es recht schnell. Total unkompliziert und ohne seinen Ausweis zu zeigen, kann Cecil sogar eine Flasche Sekt erstehen. Umso anstrengender wird es dafür bei Woolworths. Besser gesagt bei der Parkplatzsuche davor. Das Parkhaus des Supermarkts ist mit 2,2 Metern Deckenhöhe zu niedrig für Koby. Wir müssen zwei Mal um den gesamten Block kreiseln, bis sich endlich eine geeignete Lücke auftut. Das hat bei Cecil ganz schön an den Nerven gezerrt. Doch der Ärger ist schon bald wieder vergessen. Auch der zweite Einkauf ist fix erledigt und schon geht es wieder zum Hotel.
Mit ein wenig Geschick bekommen wir alle Einkäufe im Kühlschrank verstaut. Dabei ist das Teil etwa doppelt so groß wie der im Auto. Danach möchte Sarah Sport machen. Da dafür im Zimmer kaum genug Platz ist, legt sie ihre Matte kurzerhand im Bad aus. Derweil ärgert sich Cecil mit dem Fernseher herum. Die Olympischen Spiele laufen seit kurzem. Doch das Gerät will den entsprechenden Sender einfach nicht anzeigen. Auf allen anderen kommt ein einwandfreies Bild rein. Cecil versucht es also online. Auf dem Handy funktioniert es dann auch wunderbar. Jetzt müsste nur noch der Fernseher mit dem WLAN verbunden werden. Aber natürlich will das dann wieder nicht gelingen. Damit reicht es Cecil für den Moment. Die Zeit ist wohl besser investiert, wenn er sie dazu nutzt noch etwas Ordnung zu schaffen. Als erstes nimmt er sich den Werkzeugkoffer vor. Diesen wollte Sarah gleich im Auto lassen, aber Cecil wollte lieber noch einmal hineinschauen. Und das kommt jetzt Sarah zugute. Denn gleich oben auf liegt ihr blaues Taschenmesser. Das hätte sie sicherlich irgendwann schmerzlich vermisst. Es folgen noch ein paar weitere Kisten, während Sarah unter der Dusche steht.
Gegen 19 Uhr kochen wir unser Abendessen. Es gibt Hähnchen mit Gemüse in Honig-Senf-Sauce. Obwohl wir noch immer keine Fans von Senf sind, schmeckt uns das in letzter Zeit wirklich gut. Ordentlich gesättigt wagt Cecil frischen Mutes einen neuen Versuch am Fernseher. Jetzt entspannt im Bett liegen und ein wenig Olympia schauen, das hätte schon etwas. Tatsächlich stehen die Chancen darauf auch gar nicht schlecht. Anscheinend handelt es sich nur um einen Wackelkontakt im Antennenkabel. Hält Cecil es im richtigen Winkel, bekommen wir den gewünschten Sender rein. Kurzerhand fixieren wir das Kabel mit etwas Klebeband an der Rückseite des TV-Geräts und können von da an den Sport genießen.
Nachdem wir ein wenig relaxt haben, können wir uns doch noch einmal aufraffen. Der Abwasch wird erledigt und anschließend nehmen wir uns ein paar weitere Boxen vor. Wir gehen deren Inhalte durch und entscheiden, was wir davon noch gebrauchen können oder sogar mit nach Deutschland nehmen wollen. Um kurz nach 23 Uhr ist dann aber endgültig Feierabend. Sarah geht schlafen, Cecil bleibt noch ein wenig auf. Lange hält er jedoch auch nicht durch. Mal sehen, ob wir in einem richtigen Bett überhaupt noch vernünftig schlafen können.
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