20.05., Donnerstag: Bakers Point Campground - Ein perfekter Tag
Der Wecker, den wir auf fünf Uhr gestellt hatten, klingelt nicht. Sarah wacht eine Dreiviertelstunde später auf, da in diesem Moment die Schiffsmotoren lauter werden. Die Fähre ist kurz davor im Hafen von Devonport anzulegen. Wir sind sehr gespannt auf unsere Zeit auf Tasmanien.
Die Nacht war ganz in Ordnung. Wir konnten ein bisschen Schlaf finden. Zum Frühstück gibt es heute einen Apfel und bereits vorbereitete Sandwiches. Während Cecil unsere Sachen aus dem Schließfach holt, schaltet Sarah ihr Telefon an. Eine Email der Versicherung ist angekommen. Sofort steigt der Puls. Offenbar wurde im Fall ihres Flugtransfers eine Entscheidung getroffen. Es braucht etwas Überwindung bevor Sarah die Nachricht öffnet. Darauf folgt Erleichterung und unfassbare Freude. Ein 11.000 € schwerer Stein fällt uns vom Herzen. Damit kann dieses grauenvolle Kapitel endlich abgeschlossen werden! Der Trip nach Tasmanien könnte kaum besser starten.
Um 06:20 Uhr bekommen wir über Lautsprecher die Aufforderung uns zu Koby zu begeben. Nachdem wir von der Fähre gerollt sind, müssen wir noch ein Weilchen vor einem Kontrollpunkt warten. Das Wetter auf Tasmanien zeigt sich derweil nicht gerade von seiner besten Seite. Es regnet ordentlich. Am Prüfpunkt angekommen, wird unsere Körpertemperatur via Infrarot-Thermometer gemessen. Außerdem müssen wir unsere Einreiseerlaubnis vorzeigen und werden erneut gefragt, ob wir frisches Obst oder Gemüse mitführen. Dann sind wir “drin”. Tasmanien, wir kommen.
Der örtliche Woolworths ist nach nicht einmal zehn Minuten erreicht. Aus besagten Gründen müssen wir vor Allem unsere Vorräte an Obst und Gemüse auffüllen. Aufgrund der frühen Stunde ist es angenehm leer im Supermarkt. Obwohl wir nicht sehr viel kaufen, haben wir eine harte Zeit alles zu verstauen. Die Benzinkanister, die zwecks der Kontrolle nicht an ihrem eigentlichen Platz stehen, sind ganz schön im Weg. Außerdem haben wir etliche Flaschen Eistee gekauft. Der ist in Australien ziemlich teuer und aktuell wird er zum halben Preis angeboten. Da mussten wir zuschlagen.
Bei SupercheapAuto besorgen wir uns anschließend einen Eiskratzer. Wir stellen uns auf eine schöne, aber auch schön kalte Zeit auf Tasmanien ein. Cecil studiert anschließend die Anleitung für das Klebeband mit dem wir den Zeltboden reparieren wollen. Er stellt fest, dass das Band nicht zugeschnitten werden kann. Damit ist es für uns unbrauchbar. Es geht daher als nächstes zu Bunnings und wir wollen das Band umtauschen. Leider finden wir keinen Ersatz. Die Reparatur muss wohl warten bis wir zurück auf dem Festland sind. Aber immerhin zurückgeben ist machbar.
Unser erstes Ziel ist der Narawntapu Nationalpark. Die Stadt liegt schnell hinter uns und schon bald fahren wir durch ländliches Gebiet, geprägt von grünen Wiesen auf denen Schafe und Lämmer grasen. Tatsächlich erinnert uns die Szenerie stark an Neuseeland. Sogar die Sonne ist mittlerweile herausgekommen. Das hebt die Laune.
Es ist 10:15 Uhr als wir das Visitor Center im Schutzgebiet erreichen. Für 13$ buchen wir uns auf einem der Campingplätze ein. Leider werden wir nicht auf den Platz geschickt, auf dem es laut unserem Reiseführer vor Wombats, Wallabies und Kängurus wimmelt. Dieser verfügt nur über Stellplätze mit Stromversorgung und wir haben natürlich “unpowered” verlangt. Wir ärgern uns etwas, denn im Grunde sind wir nur für die Wombats hier hergekommen. Für einen Moment überlegen wir umzubuchen. Doch davor fragt Sarah nach, wo man hier im Park am besten Wombats sieht. Vielleicht ist die Info aus unserem Reiseführer mittlerweile überholt. Tatsächlich ist dem so. Wenn wir Wombats sehen wollen, wird uns der Cradle Mountain NP empfohlen. Hier vor Ort ist fast die gesamte Population der “Mange” erlegen. Einer infektiösen Krankheit, ausgelöst durch den Befall von Milben. Mehr als 100 Arten von Säugetieren sind dieser Bedrohung ausgesetzt. Der Mensch ist vor der “Krätze” ebenfalls nicht sicher. Dabei legen weibliche Milben ihre Eier unter der Haut ab. Wenn diese schlüpfen, bahnen sie sich einen Weg nach außen. Dabei zerstören sie das Gewebe und hinterlassen Abfallprodukte. Die Folge sind Haarausfall und extremer Juckreiz. Wombats versuchen dem natürlicherweise mit Kratzen entgegenzukommen. Dabei entstehen offene Wunden, die Raum für weitere Infektionen bieten. Im schlimmsten Fall stirbt das Tier einen langsamen und qualvollen Tod. Wir haben befallene Tiere bereits 2018 im Kangaroo Valley gesehen. Damals war uns das Ausmaß dieser Krankheit noch nicht bewusst. Bei späterer Recherche finden wir heraus, dass die Population von Wombats im Narawntapu NP zwischen 2010 und 2016 um 94% zurückgegangen ist. Es ist damit der schlimmste Milbenbefall. Bisher. Zwar gibt es Behandlungsmöglichkeiten, doch diese sind kostenintensiv und vor allem zeitaufwändig. Betroffene Tiere müssen über Wochen mit Antibiotika behandelt werden. Immerhin ist die Gesamtzahl an Wombats auf Tasmanien trotzdem weiterhin stabil. An anderen Orten boomt die Population.
Wir sind etwas melancholisch, ob der traurigen Geschichte der hiesigen Wombats. Unsere erste Sichtung eines Pademelons hebt die Stimmung aber wieder deutlich. Dabei handelt es sich um eine besonders kleine Art von Kängurus. Am ehesten könnte man sie mit einem Quokka vergleichen. Im deutschen werden die Tiere als Filander bezeichnet.
Auf unserem weiteren Weg durch den Nationalpark stoßen wir schnell auf den Gegenpart zu den Pademelons. Eine Familie Forester Kängurus kreuzt die Straße direkt vor uns. Diese Beuteltiere sind die größten, die man auf Tasmanien findet und die zweitgrößten der Welt. Sie erreichen stehend eine Höhe von bis zu zwei Metern und wiegen nicht selten um die 60 Kilogramm. Zu guter Letzt läuft uns noch ein Rotnacken-Wallaby über den Weg. Unser erster Tag auf Tasmanien könnte schlechter laufen. Wir sind total dem Häuschen.
Der “Archers Knob” ist ein kleiner Hügel im Osten des Parks. Doch etwas geschafft von der Anreise, ist die kurze Wanderung dorthin für heute genau das Richtige für uns. Zu Beginn führt der Weg durch lichtes Waldgebiet. Mehrmals können wir Pademelons sichten. Diese sind hier jedoch recht schreckhaft und verstecken sich oft frühzeitig im Unterholz. Dann entlässt uns der Wald auf grüne Wiesen und Hügel. Auf dem letzten Kilometer gilt es in Serpentinen den Hügel zu erklimmen. Wir kommen leicht ins Schwitzen. Oben angelangt ist es ziemlich windig und daher etwas ungemütlich. Genau bei unserer Ankunft schiebt sich zudem eine Wolke vor die Sonne. In einer kleinen Runde umzirkelt man die Bergkuppe. In nördlicher Richtung hat man freie Sicht auf den Ozean. Nach Westen geht der Blick über eine große Wiese und einen See. Aus der Ferne ist es zunächst schwer zu sagen, doch es sieht so aus, als würden etliche Kängurus die Wiese bevölkern. Sarah kann das mit Hilfe des Zooms ihrer Kamera bestätigen. Das ist auf dem Rückweg in jedem Fall einen Abstecher wert.
Genau im rechten Moment kommt die Sonne wieder heraus. Die Wiese ist tatsächlich voller Kängurus. Vorsichtig nähern wir uns dem Mob. Dann bringt Sarah ihre Kamera zum Glühen. Eine Mama mit Joey hat uns bereits entdeckt. Der Rest scheint noch unwissend. Etliche große Männchen liegen im Hintergrund faul auf der Wiese. Cecil kann der Gelegenheit nicht widerstehen. Vielleicht ist das die Chance auf ein paar tolle Aufnahmen mit Alli. Sobald die Drohne in der Luft ist, werden die Beuteltiere wach. Als sich Alli nähert, bricht leichte Panik aus. Mindestens vierzig Kängurus springen auf und davon. Irgendwie tut es uns leid, die Tiere verscheucht zu haben, doch die Aufnahmen werden klasse. Von diesem Moment hat Cecil geträumt, seit er eine Drohne sein Eigen nennt.
Nach etwas mehr als zwei Stunden sind wir zurück bei Koby. 6,7 km haben wir zurückgelegt. Diese erste Wanderung auf Tasmanien halten wir für einen durchaus gelungenen Einstieg. Die vielen Tiersichtungen sind schon jetzt ein echtes Highlight. Doch für heute reicht es den Beinen. Es ist Zeit unser Camp aufzuschlagen.
Auf dem Campground drehen wir zunächst eine Runde. Es sind nur wenige Plätze bereits belegt, doch es wird trotzdem nicht leicht einen für uns zu finden. Viele sind recht uneben oder durch vergangenen Regen stark aufgeweicht. Ein erneuter Blick auf unseren Beleg nimmt uns die Entscheidung am Ende ab. Darauf ist uns Campsite 3 zugeordnet worden. Zum Glück ist diese weder ein Sumpf noch total schief.
Cecil macht sich sofort auf die Suche nach Feuerholz. Nachdem genug zusammengetragen ist, bauen wir Zelt und Awning auf. Beides ist noch immer nass und trocknet bis zum Abend hoffentlich ein wenig. Außerdem können wir das Awning gut gebrauchen, falls es erneut beginnt zu regnen. Während Cecil anschließend das Holz zurecht sägt, geht Sarah mit ihrer Kamera auf Streifzug. Auf dem Platz wimmelt es vor Wallabies und Filandern. Als sie ein besonders kleines Tier entdeckt, fühlt sie sich verpflichtet Cecil dazu zu holen. Das süße Kerlchen muss er sehen. Es ist auf den ersten Blick wirklich kaum von einem Quokka zu unterscheiden. Wir lieben Tasmanien jetzt schon.
Am Nachmittag räumt Cecil den Kofferraum auf. Vor allem gilt es die Benzinkanister wieder zu verstauen, die wir für die Überfahrt herausgeholt haben. Sarah bekommt in diesem Moment eine neue Email. Genauer gesagt eine neue Rechnung. Für den Transport vom Flughafen in Port Hedland zum Krankenhaus fallen weitere 500$ an. Wir können es kaum glauben. Der Vorfall ist fast zwei Monate her und es flattern weiterhin Rechnungen ein. Hört dieser Alptraum denn nie auf?
Die Nachricht löst ein ordentliches Stimmungstief aus. Ein paar der kleinen Pademelons hüpfen noch immer über den Platz. Dieser Anblick hilft Sarah wieder etwas positiver zu denken. Sie wird die Rechnung bei der Auslandskrankenversicherung einreichen und gucken was passiert. Die 11.000€ für den RFDS hat diese am Ende übernommen. Was machen da schon weitere 300€ aus.
Um 16:30 Uhr fangen wir an zu kochen. Allerdings kommen wir nur schleppend voran. Immer wieder bekommen wir Besuch von den Filandern. Sogar ein Wallaby schließt sich der Gruppe an. Vielleicht denken sie, hier könnten sie etwas zu fressen abstauben. Doch da sind sie bei uns an der falschen Adresse. Don't feed the wildlife! Stattdessen halten wir einfach unsere leeren Hände hin. Das reicht um die Tiere anzulocken und sie sind wirklich zutraulich. Ein kleines Pademelon beißt Cecil sogar in den Finger. Die Verletzung ist zum Glück nur oberflächlich. Trotzdem konzentrieren wir uns anschließend lieber wieder auf das Kochen.
Es ist kurz vor sieben, als wir endlich essen können. Doch wirklich genießen können wir es nicht. Keine zwei Löffel können wir nehmen, da taucht die nächste Ablenkung auf. Cecil rastet innerlich zunächst komplett aus. Er meint einen tasmanischen Teufel zu sehen. Auf den zweiten Blick entpuppt sich das Tier dann aber als Fuchskusu. Der Sache tut das jedoch keinen Abbruch. Wir lassen sofort unser Besteck fallen und holen die Kameras heraus.
Während wir den Kusu verfolgen, kommt Cecil bald ein unschöner Gedanke. Wir wissen mittlerweile, dass viele Tiere hier auf das Essen von Campern abzielen. Und hier sind wir, verfolgen einen Fuchskusu und lassen dabei unser Abendessen und die Vorräte unbewacht. Dieses Mal geht es noch gut. Zurück am Tisch essen wir so schnell es geht auf. Der Sinn steht uns eher danach weitere Aufnahmen zu machen.
Tatsächlich werden wir bald darauf erneut von einem Possum besucht. Im ersten Anlauf versucht es die Leiter am Zelt zu erklimmen. Wir können den unerwünschten Bettnachbarn gerade noch so verjagen. So leicht gibt dieser jedoch nicht auf. Wenig später klettert das Tier am Awning hoch. Über eine dünne Stange, die die Regenplane hochhält, steigt das Possum bis auf das Dach des Zeltes. Dort fühlt sich das Possum offensichtlich nicht sehr wohl. Es nutzt die Plane wie eine Rutsche und landet spektakulär zurück auf dem Awning. Das war bestimmt nicht so geplant. Ein paar Käkel landen auf dem Stoff. Vielleicht vor Schreck, vielleicht wurde damit neues Revier markiert. Vorausgesetzt der Kusu hat den Flug wirklich genossen und sich nicht einfach in die Hosen gemacht. Vom Awning aus hangelt sich das Tier über eines der Halteseile wenig elegant zurück auf den Boden. Ein wohl einmaliges Erlebnis, so eine Aktion aus nächster Nähe beobachten zu können. Wir können kaum fassen, dass das wirklich passiert ist.
Unsere tierischen Besucher lassen sich nicht mehr ganz so oft blicken nachdem wir unser Lagerfeuer zum Laufen gebracht haben. Zu diesem Zeitpunkt ist es bereits kurz nach 20 Uhr. Das Holz brennt recht gut, doch der Wind dreht ständig. Seinen Zweck erfüllt es trotzdem. Es ist schön warm.
Tatsächlich ist es so angenehm, dass wir draußen länger aushalten als gedacht. Zu etwas späterer Stunde stimmen wir sogar noch ein paar Lieder an. Erst kurz vor Mitternacht ist das Feuer ausgeglüht und wir beenden den Abend. Damit geht ein großartiger erster Tag auf Tasmanien zu Ende. Wir können kaum erwarten, was die Insel noch für uns bereithält.
Endlich wieder ein Tagesbericht von euch mit tollen Fotos und super Videos. Klasse und ein großes Dankeschön.
AntwortenLöschenSehr gern. Das Office HeartHikers ist wieder geöffnet ;)
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